Flügelverleih meets Hattie

13. Juni 2013

Finger weg von den Trüffelstunden

Abgelegt unter: Schulpolitik — heinz.bayer @ 21:09

Ein offener Brief an meinen obersten Dienstherrn

Sehr geehrter Herr Kultusminister

Noch ist es ja nicht amtlich. Noch kann die Regierung ja gemachte Überlegungen nachbessern. Ich weiß, Schule im tagtäglichen erfolgreichen Arbeiten wirklich zu verstehen, wenn man selbst nicht Lehrer ist, ist extrem schwierig. Weil jeder Mensch Schule sehr intensiv und sehr individuell in sich trägt. Und diese Bilder lebenslang nie aus sich heraus bekommt. Weil jeder mal Schüler war und einen Betrieb wie die Schule immer mit den Augen einer Schülerin oder eines Schülers in sich abgespeichert hat. Seine eigene Umstellung von Kind zum Erwachsenen steckt in diesem Bild, das niemals von sich aus objektiv sein kann. Und dann sieht man unseren Betrieb später durch die Brille einer Mutter oder eines Vaters oder durch die Augen eines Politikers. Das kann, übrigens ohne jeglichen Vorwurf, ebenfalls nicht wirklich objektiv sein. Nur so kann ich mir erklären, wie ein Politiker Lehrer, die in wichtigen Punkten ihren Dienstherrn kritisieren, als Heulsusen bezeichnen kann. Ich habe mit einer echten Auseinandersetzung kein Problem. Deshalb würde ich gerne im Moment ein wenig Betriebsinnenansicht betreiben. Klar, die wenigsten sehen die Schule natürlich mit den Augen einer Betriebsleitung. Deshalb glaube ich, dass im Moment vielen Verantwortlichen außerhalb der Schule gar nicht so wirklich klar ist, an welchen extrem wichtigen Deputatsstunden im Moment der Haushalt saniert werden soll und warum diese scheinbar kleinen Streichungen solch eine riesige Auswirkung haben würden, sollten sie tatsächlich kommen. Ich kann da übrigens noch immer nicht dran glauben. Ehrlich. Dass eine Regierung, die ich mitgewählt habe, weil ich gedacht hatte, dass sie es fertig bringt, Schule so zu verstehen, wie ich sie gut finde, an einer Stelle sparen will, wo es für mich so hanebüchen ist, dass ich echt fassungslos bin. Wir reden – für alle Mitlesenden – übrigens von einem Prozentsatz von sagen wir mal 1% vom Gesamtdeputatsaufkommen unserer Schule. Kleinvieh macht auch Mist, denkt da sicher so mancher. Wir sprechen von einem Gebiet, das man in Amtssprache als Ergänzungsbereich bezeichnet. Seit vielen, vielen Jahren schicken wir als aktive Schule immer mal wieder ernsthafte Briefe ans Kultusministerium, um darum zu kämpfen, mehr Deputatsstunden speziell für diesen Bereich Schulen zuzuordnen. Das sind für uns keine laschen kleinen anzahlmäßig zu vergessenden lächerlichen paar Deputatsstunden, sondern Gold-und-Perlen-Stunden, Stammzellen-Stunden, Powerpaket-Stunden, Entwicklungszauberstunden, Aus-1-mach-10-Stunden – ich denke man versteht, was ich meine. Als bei uns die letzte Deputatserhöhung durchgeführt wurde, kam aus Staufen die laute Bitte an Stuttgart, von diesen an einer Schule wie unserer mit der Erhöhung eingesparten 3 bis 4 Vollstellen doch eine halbe Stelle noch an der Schule zu belassen. Und zwar genau für diese so knapp bemessenen Trüffelstunden. In den letzten Jahren haben viele Schulen das Kunststück fertiggebracht, die kontinuierliche Reduktion dieser Schulgestaltungsstunden  so wegzustecken, dass trotzdem individuelle Schulentwicklung möglich war. Als ich als junger Lehrer 1979 anfing, hatte das Faust-Gymnasium bei den Herzblut-Stunden noch einen Faktor 2,5 mal Anzahl der Klassen. Bei uns also etwa 120 Stunden. Wir haben AGs angeboten, dass es eine Freude war. Heute liegt der Faktor bei 0,5. Offizielle AGs mit bezahlten Kolleg/innen können wir uns jetzt nur noch beim Chor und beim Theater leisten. Mit einer jahrzehntelangen Musiktradition und einer exzellenten Theatertradition haben wir vielen späteren Leistungsträger/innen die nötige kulturelle bunte Farbe des echten Lebens mitgeben können. Mit einer aktiven Schülerprojektarbeit konnten wir in vielen Bereichen die Einsparungen bei den Schulentwicklungsstunden kreativ ausgleichen. “Aus der Not eine Tugend machen” hatten sich damals manche von uns gedacht. “Schülerschule” hieß unser Konzept, mit dem wir es geschafft haben, mit den paar Diamantenstunden als EXPO2000 Projekt international geadelt zu werden.  Wir hatten im Bereich der SMV und im Bereich der aktiven Schüler/innen angefangen, viele Möglichkeiten für Hochaktive zu schaffen, die nur rückendeckend betreut wurden. Die Fachleute der Zukunft schon an der Schule groß werden zu lassen, heißt dieses Konzept. Eine einzige Trüffelstunde gab es all die Jahre für uns damaligen Verbindungslehrer. 5-10 echte Arbeitsstunden haben wir sicher immer daraus gemacht. Mit Begeisterung und Lust, klar. Man muss uns also nicht nachträglich bedauern. Aber ohne diese Goldesel-Stunde glaube ich nicht, dass wir teilweise bis zu 10 Musikveranstaltungen im Jahr vorbereitet und gestemmt bekommen , eine stabile Musikszene aufgebaut und ein schuleigenes Tonstudio selbst finanziert und eingerichtet bekommen hätten. Allein die Schirmherrschaft von Frau Dr. Schavan für unseren EXPO-Auftritt – immerhin waren wir eine der wenigen öffentliche Schulen in Deutschland, die von der EXPO-Jury geadelt wurde – hätte uns garantiert nicht getragen. Ein Tausend-Dankeschön ist keine Trüffelstunde. Trüffelstunden sind Anerkennungsstunden, die man benötigt, um Schule vor Ort zu gestalten. Unser Konzept, aktiven Schüler/innen Gestaltungsraum zu geben, benötigt diese Raketenstunden. Diese Beschleunigungsstunden. Unsere EXPO2000 Projekt-Aussagen von damals gelten am Faust heute mehr denn je:

3% eines Jahrgangs sind innerhalb der Schule hochaktiv, wenn man ihnen eigenverantwortlich die Möglichkeit dazu gibt. Mit dem persönlichen Umfeld werden daraus 10% Aktive. Und 10% Aktive können das Bild einer Schule wesentlich verändern, wenn man dies zulässt.

Das Grundkonzept: Begreife die Fähigkeiten aktiver Schüler als Chance für eine lebendige Schule. Integriere die speziellen Interessen aktiver Jugendlicher, um den Lebensraum Schule zu optimieren. Erkenne die Profis der Zukunft, die schon in der Schule ihre Qualitäten preisgeben, so man sie lässt.

Gebt Jugendlichen maximal viele Möglichkeiten, sich zu begeistern, sich zu beweisen, sich einzusetzen, aktiv zu werden, selbst Inhalte zu finden, eigene Fähigkeiten zu entdecken, ernst genommen zu werden – dann habt ihr viel für die Zukunft getan.

Aber um solche Konzepte zu betreiben, benötigt man Verbindungslehrer/innen, die man zumindest mit einer Trüffelstunde ausstatten kann. Welcher Maschinenbauingenieur (das wäre ich übrigens beinah geworden, wenn mich die Schule am Ende nicht doch viel mehr gereizt hätte) käme auf die absurde Idee, eine innovative Idee für neue Hochleistungsturbine für seinen Konzern nebenher in seiner Freizeit zu entwickeln, aber dafür nur einen Händedruck von seinem Konzernchef zu bekommen.

Schule tickt hier auch nicht anders, muss allerdings unter erschwerten Bedingungen ihren Betrieb am Laufen halten. Betriebe stellen ihre Mitarbeiter nach Einstellungsgesprächen und Bewerbungen ein. Schule bekommt Mitarbeiter von einer Behörde zugewiesen (mit ganz wenigen Ausnahmen, die bei uns Jahre zurückliegen). Jeder Betrieb ginge pleite, wenn er Mitarbeiter nach Zuweisung einstellen müsste. Schule muss dieses Kunststück vollbringen. Die Trüffelstunden sind die einzige Steuerungsmöglichkeit für Schulleitungen, der eigenen Schule einen eigenen Stil zu geben. Mit den im Laufe der Jahre zugewiesenen Kolleg/innen einen guten individuellen Schulstil zu finden. Projekte ins Leben zu rufen, die zur Schule passen. Ich schildere einmal die Bereiche, die am Faust Trüffelstunden benötigen. Naturwissenschaftliche Sammlungsleitungen, Fachabteilungsleitungen, eine exzellente individuelle Oberstufenberatung, eine exzellente schuleigene Berufsberatung, eine durchdachte Suchtprävention, eine große Streitschlichtertradition, ein Tonstudio samt Jugend-Musikszene, ein hochaktives Verbindungslehrerteam, eine Vielzahl von Austauschprogrammen, eine gute Pressearbeit, ein innovatives Hausaufgabenbetreuungskonzept, viele Beratungs- und Unterstützungskonzepte und und und … Faust ist bunt, vielfältig und aktiv. Seit ich denken kann. Wir haben viele Klippen gemeistert. Aber wir hatten offensichtlich trotzdem immer noch Zuspruch vom Oberschulamt und dem späteren Regierungspräsidium, doch irgendwie am Ende mit viel Ringen um die gute Schulkultur noch ein paar Trüffelstunden für das Faust aus einen Topf zu bekommen. Jedes Jahr auf’s Neue: Daumen drücken. Auf Holz klopfen. Gut verhandeln. Jetzt scheint echter Trüffelstundenkahlschlag angesagt. Rasenmähermethode. So zumindest wirkt es auf uns. Die Faktor 0,5 Trüffelstunden stehen zur Disposition. Und die Daumendrück- und Holzklopf-Trüffel, die früher möglicherweise durch Überzeugungsarbeit aus doch irgendwo noch vorhandenen Töpfen von höherer Stelle “geduldet” verwendet werden durften, die tauchen in der Statistik einfach nicht mehr auf, weil es sie ja rechtlich zugestanden gar nie gab. Schulen, die nie um den Trüffel gerungen haben, merken das Streichkonzert vielleicht gar nicht so heftig. Für das Faust, das sage ich aus voller Überzeugung, ist das Streichkonzert der Trüffelstunden eine echte pädagogische Katastrophe. Für einen Fachabteilungsleiter, der für Entwicklung einer Schule mit weit über 1200 Schüler/innen und 120 Kolleg/innen verantwortlich zeichnen soll, ein Schlag ins Gesicht.

Ich werde später im Flügelverleih-Blog an diesem Thema konstruktiv weiterschreiben, will aber an dieser Stelle schon einmal einen ersten praktischen Vorschlag einbringen. Wenn es der rot-grünen Regierung um die Stärkung der Bildung geht und nicht nur um das reine Sparen und davon gehe ich eigentlich immer noch aus, dann muss bei allem Verständnis für die Probleme bei der Haushaltskonsolidierung z.B. ein dringender Schritt gemacht werden. Die Regierungspräsidien müssen Deputatsstunden für die anstehenden Umstrukturierungs-Prozess zu bekommen. Eine Vollstelle für den Übergang. Möglichst Trüffelstunden für aktive Mitarbeiter/innen, die es als persönliche Herausforderung ansehen, trotz dem angesagten Sparen mit den einzelnen Schulen ins individuelle Gespräch zu kommen, um zu vermeiden, dass der Rasenmäher die aktivsten Schulen pädagogisch an die Wand fahren lässt. Der Sparzwang auch an der uns vorgeschalteten Behörde degradiert diese zur reinen Deputatsstundenverwaltungsbehörde ohne jegliche Möglichkeit, Lehrereinstellungen und Deputatszuweisungen als innovatives Schulentwicklungsinstrument zu verwenden. An der Basis haben wir das Gefühl, von denen, die uns eigentlich unterstützen könnten, vollkommen verlassen worden zu sein. Auch das kann Rot-Grün niemals wollen. Sie merken, ich bin noch voll blauäugiger Hoffnung.

Mit freundlichen Grüßen aus Staufen

Heinz Bayer

Fachabteilungsleiter für Schulentwickung

Leiter de Nachmittagsschule

p.s. Einer unserer Schulsprecher hat vor vielen Jahren für unsere schüleraktiven Konzepte das “Prinzip Kaktus” erfunden. Der Kaktus benötigt nur wenig Wasser und Pflege, wächst auf kargem Boden, um am Ende trotzdem sehr viel Substanz zu entwickeln. Jetzt habe ich das Gefühl, unserem Kaktus wird auch noch der karge Boden aus Spargründen entzogen.

Sehr geehrter Herr Minister.

Das kann es nicht sein.

Für Insider hier vielleicht auch noch das letzte faust-aktuell zum Thema, falls noch nicht gelesen.

faust-aktuell-mai13

14. April 2013

Badische Zeitung

Abgelegt unter: Flügelverleih, Fünferhaus, Gymnasialempfehlung, Pädagogisches — heinz.bayer @ 07:27

Ich habe versprochen, in diesem Blog eine Ergänzung zu einem BZ Artikel zum Thema “Akademie zum platzenden Knoten” innerhalb unseres Projekts “den Bahnhof verstehen” zu schreiben. Für die konkreten Projektinhalte verweise ich gleich einmal auf die Ausführungen in unserem  Betreuungs-Blog. www.maennerrevolte.de. Denn dort sind auch alle Betreuungsprojekte der letzten Jahre zu finden, falls man lange genug sucht. :-) Sorry, für alle Neuleser/innen. Ich bin ein pädagogischer Drauflosschreiber.  Da am Gymnasium mehr Jungs als Mädchen leistungsmäßig betreut werden müssen, heißt der Blog so.

Die pädagogische Vorgeschichte und die Grundlagen, um die Akademie zum Platzenden Knoten zu verstehen, beschreibe ich hier im Flügelverleih-Blog, der  ursprünglich ein reiner Eltern-Blog für Flügelverleiheltern war, die sich wünschten, dass sie erfahren, wie wir Flügelverleiher pädagogisch ticken und was wir so alles am Nachmittag mit den Kindern unternehmen. Da es offensichtlich viel mehr Menschen gibt, die gerne von bunt praktizierter Ganztagesschule lesen, ist es ein Blog geworden, der den Lebensraum Schule aus der Sicht von einem großen Betreuungsteam der besonderen Art beschreibt, das eng vernetzt ist mit der komplexen Gedankenwelt des Faust.

Der Schreiber selbst, also ich, Fachabteilungsleiter für Schulentwicklung und totaler Flügelverleih-Fan und seit Jahrzehnten vernarrt in unsere vielfältigen pädagogischen Konzepte, mit aktiven Schüler/innen am Faust wundervolle Projekte loszutreten und Arbeitsgemeinschaften zu fördern, weil sie Schule als Lebensraum aufbauen helfen, habe in diesem ganzen Zusammenhang auch entdeckt, wie gerne ich einfach drauflosschreibe, was uns im Team am Herzen liegt. Weil es auch innerhalb eines meiner Aufgabenfelder als Fachabteilungsleiter sehr viel vereinfacht – bei der Kommunikation mit unseren Eltern. Man muss Schule heute gut erklären, weil sie sonst oft nicht mehr verstanden werden kann.

Zum Beispiel finde ich es immer noch vollkommen unwirklich, dass wir unter Rot-Grün offensichtlich unseren Chor, unser Theater und unser Orchester verlieren sollen. Ich glaube irgendwie immer noch dran, dass unser Kultursminister demnächst laut auflacht und meint: “April, April. Mit uns streicht man doch keine musischen Arbeitsgemeinschaften. Wir sind doch angetreten, um Schule besser zu machen.”

Das alles den Eltern vermitteln kann ich leider nicht in Kurzform. Wenn ich schreibe, schreibe ich. Sorry. Und drauflos. Das hat mein Deutschlehrer früher schon bemängelt. Und meine “Unds” am Satzanfang.

Ok. Ich beginne mal.

Der Pavillon.

Schulkenner wissen, dass wir unsere fünften Klassen in einem eigenen Pavillon mit fünf Klassenzimmern unterrichten – genannt Fünferhaus. Unsere Neuen kommen zum Teil von sehr kleinen Grundschulen und waren in früheren Zeiten in der fünften Klasse von einer weit über tausend Schüler/innen-Schule oft wie erschlagen. Unser Fünferhaus ist klein und überschaubar und mit einer Stufenpädagogik ausgestattet, die das Ankommen am Faust erleichtert. Am Nachmittag findet im selben Gebäude der Flügelverleih statt. Eine Mischung von Hausaufgabenbetreuung und sozialem Lebensraum Schule. 50 bis 70 Coachs aus den Klassen 9 aufwärts arbeiten dort. Immer zwei pro Klassenraum. Betreut und angeleitet von einem Sozialarbeiter und betreuenden Lehrer/innen. Eine kleine eigene Schule in der Schule. Netzwerkbildend in vielfältiger Hinsicht. Keine Verpflichtung hinzugehen und doch seit Jahren voller Leben. Schon jetzt haben sich wieder 60% der nächsten Fünfergeneration angemeldet.

Goethe

“Zwei Dinge sollen Kinder bekommen: Wurzeln und Flügel.” schrieb schon J.W. Goethe. Im “Flügel”, wie viele Coachs unser Nachmittagsschule nennen, versuchen wir mit einem jungen und sehr kompetenten Kollegium aus späteren Sozialarbeiter/innen, Lehrer/innen, Personalchef/innen, Betriebswirt/innen etc , dem Lernen bei der Hausaufgabenbetreuung Flügel zu verleihen und die notwendigen Wurzeln versuchen wir durch Identifikation mit der Schule über die durch diese Anfangsarbeit entstehenden personellen Netzwerke innerhalb der Jahrgänge und natürlich auch jahrgangsübergreifend wachsen zu lassen. “Stufenfeeling” ist bei uns eine wichtige Diskussions-Grundlage in der Stufenpädagogik von Klasse 5 bis 7. In Klasse 8 muss es möglichst wenig Reibungsverluste bei der Neuzusammensetzung von Klassen geben. Immerhin weiß man, dass eine angenehme Lernumgebung das A und O in Sachen erfolgreiches Lernen ist. Und Klasse 8 ist Vollpubertät. Das war früher mit hohem Pädagogischem Einsatz in Sachen Mobbing verbunden. Heute ist die Neuverteilung kein besonderes Konfliktfeld mehr, weil es in Klasse 7 schon ein Stufenfeeling gibt. Fünferhaus, Sechserstockwerk, Siebenerflur …. so versuchen wir, dieser Grundidee gerecht zu werden. Und zu Beginn: Flügel verleihen.

Grundschulempfehlung

Ob wir den Wegfall der Grundschulempfehlung denn merken, werden wir in letzten Zeit oft gefragt. Denn alle Flügelverleihlehrer/innen sind auch meist parallel in der fünften Klassen tätig, um möglichst viel Gespür für einen Jahrgang zu entwickeln. Jeder Jahrgang ist anders, so ist unsere Erfahrung. Und somit die Betreuung für jeden neuen Jahrgang eine Neuentwicklung. In diesem Jahrgang müssen wir unsere frühere Personalcoachidee, wieder aufleben lassen. Der wegfallenden Grundschulempfehlung sei Dank. Wenn nun einzelne Kinder mit schlechter Werkrealschulempfehlung bei uns angemeldet sind und einfach nirgendwo Land sehen, furchtbare Noten schon in der 5. Klasse ertragen müssen und häufig auf der Krankenstation liegen oder zu Arbeiten schon gar nicht antreten können, dann benötigt man neue Konzepte für den richtigen Umgang mit der neuen Situation. Die positive Statistik in Sachen Chancengleichheit vor Ort ausbügeln, dass die Kinder keinen Knacks für’s Leben bekommen. Ich gehe so weit, zu behaupten, dass im Moment manche Kinder gerade deshalb kein Abitur machen werden, weil ihre Eltern sie entgegen der Empfehlung der Grundschullehrer/innen auf’s Gymnasium geschickt haben. Über 50% machen heute übrigens ihr Abitur nicht am allgemeinbildenden Gymnasium. Aber das nur am Rande. Mit unserer pädagogischen “Unterstufen-Denkfabrik Flügelverleih” können wir zumindest neue Ideen entwerfen, wie wir am sinnvollsten damit umgehen lernen, einen Betreuungs-Spagat auch ohne zu viele Einbußen für die Leistungsstarken durchzuführen.

Möglichkeiten

“Ja man liest doch jetzt immer mehr von diesem individualisierten Unterricht, der auch den Klugen klüger macht. Damit geht das doch ganz einfach,” denken sich viele.

Da bricht ein knappes “Hahaha” aus jemand heraus, der seit 35 Jahren an der Schulentwicklungsbasis eines großen Landgymnasiums arbeitet. Ich denke, dass ich hier auch wirklich einmal zumindest kurz und auch laut lachen darf. Unsere Meinung: Mit dem Wegfall der Grundschulempfehlung wirft man uns ins kalte Wasser der wundervollen Vorstellung vom nachhaltigen Lernen von Kindern als “Baumeister ihrer Selbst”, wie Maria Montessori es beschrieb, kombiniert mit dem Lehrer als Coach, der meist nur Hilfestellung beim selbstständigen Lernen gibt und Kinder deshalb zauberhaft im eigenen Lerntempo lernen lässt. Da träumt man leider an der gymnasialen Realität vorbei. An den Werkrealschulen hat man in diese Richtung schon richtig viel auf den Weg gebracht. Aber diese Schulform bringt man ja gerade mit dem Wegfall der Empfehlung zum Austrocknen, weil jetzt noch weniger Schüler/innen angemeldet werden.

Der Philosoph

Der Philosoph Richard David Precht formuliert in seinem neuen Buch “Anna, die Schule und der liebe Gott” 10 überzeugende Prinzipien für eine Bildungsreform: 1. Kinder wollen lernen 2. Jedes Kind ist anders 3. Vergesst die Fächer 4. Bildet Lernteams 5. Vertieft Beziehungen 6. Fördert Werte 7. Verschönert Lernorte 8. Trainiert die Konzentration 9. Schafft die Noten ab 10. Lasst ganztägig lernen.

Ja es ist, als wäre Herr Precht auf einem unserer Flügelverleihsitzungen dabei gewesen. Für eine kleine überschaubare Entwicklungs-Ecke an einer Schule, ausgestattet mit Deputatsstunden, speziell auch zum kontinuierlichen Neu-Entwickeln und Visionen wälzen, sind solche Überlegungen tatsächlich greifbar. Aber der Flügelverleih ist wie eine kleine Privatschule in der Schule, die ohne Noten auskommt und ein Coach-zu-Schülerverhältnis von 1:5 hat. Mit unserer neu gegründeten “Akademie zum Platzenden Knoten” innerhalb des Flügelverleihprojekts “Den Bahnhof verstehen” versuchen wir sehr gezielt, individuelles Lernen auf konkrete Beine zu stellen. Aber lieber Herr Kultusminister: Wir schütteln das nicht aus dem Ärmel. Da müssen wir viel dafür tun. Und für eine ganze Schule ist das echte große Entwicklungsarbeit.

Kaltes Wasser

Zu meinen, eine ganze Schule könne man schnell zu traumhaften neuen individualisierenden Lern-Formen bringen, indem man sie mit dem Wegfall der verpflichtenden Grundschulempfehlung komplett ins kalte Wasser wirft und meint, dass jetzt bitteschön alles gut und außerdem ja jetzt die Chancengleichheit schlagartig gewachsen sei und dass man dabei gleichzeitig noch die Haushaltskonsolidierung im Auge haben darf und alles, was Zusatzangebot heißt, doch bitte gerne streichen würde, also natürlich auch Deputatsstunden für die Hausaufgabenbetreuung (Weil sie doch inzwischen an vielen Schulen eingerichtet ist und dann offensichtlich von selbst läuft), der läuft stark Gefahr, einen pädagogischen Bumerang ins Leben zu rufen, dessen erzeugte Schäden später sehr viel Geld kosten werden. Wenn ich denke, wie vielen Schüler/innen wir mit unseren Betreuungsprogrammen helfen, nicht sitzenzubleiben, dann würde ich einfach behaupten: Nehmen Sie unsere spezielle Betreuungs-Zusatzarbeit weg, dann kosten die Sitzenbleiber den Steuerzahler garantiert mehr als unsere Betreuungsdeputatsstunden. Da wette ich drum. Und wenn gute Schulkultur kaputtgespart wird, kann man sie auch nicht ein paar Jahre später einfach wieder aus der Schublade holen. Warum kommt eigentlich nicht endlich mal jemand auf die Idee, das Kultusministerium parteienübergreifend zu besetzen, damit wir aus diesem ewigen Legislaturperioden-Auf-und-Ab herauskommen könnten.

Der pädagogische Kamm

Sie merken, dass mir hier als altem Schulentwicklungsurgestein kurz vor der Pensionierung der pädagogische Kamm schwillt. Ich habe viele Bildungsreformen erlebt, ab noch nie solche, bei denen ich gedacht habe: Richtig gute Ideen, die man in Ruhe weiter verfolgen sollte, behutsam vor Ort weiterentwickeln, schöne Visionen, wenn man sich darauf vorbereiten könnte, aber gleichzeitig drehen sie den Hahnen zu, dass es leider wieder nur Stückwerk bleibt. Statt dass ein Meisterstück draus wird. Frust pur. Hilfe, was für Chancen werden hier nur verspielt. Den Flügelverleih mit all seinen prallen, bunten, zukunftsträchtigen Facetten könnte schon im nächsten Jahr mit diesen kleinen Einsparungen austrocknen. Dabei arbeiten wir möglicherweise genau nach den Vorstellungen, von denen so manche hochrangigen Bildungsplaner im Moment träumen. Aktuell hat man bei der Organisation von Schule vor Ort ein mulmiges Gefühl. Da ist ein Fisch, der heißt Pflichtunterricht. Und dann kommt jemand auf die Idee, dass das Wasser eigentlich eingespart werden könnte. Oder wie bei einem Künstler, der ein wunderbares buntes Bild in die Welt gesetzt hat und jetzt erfährt, dass er es nur in Graustufen ausstellen darf. Ach wissen Sie was. Ich höre für heute auf. Kommen Sie doch einfach später mal wieder vorbei. Und drücken Sie uns die Daumen, dass Sie nicht beim Untergang des Flügelverleihs zuschauen müssen.

Gemalt

Ich könnte zum Schluss ja vielleicht noch unsere Vorstellungen von Schullaufbahn aufmalen. Schafft die Noten ab, meint Precht. Wir meinen: Nehmt die Noten in einem gewissen Rahmen nicht so wichtig. Es kommt darauf an, was am Ende steht.

Mit dem Wegfall der Grundschulempfehlung fördert man die Möglichkeit, dass Eltern nur wegen dem Satz: “Aber mein Kind geht auf’s Gymnasium” die falsche Entscheidung treffen. So ein Fehlstart ist ein Selbstbewusstseinskiller.

Wir müssen dieses Problem jetzt trotzdem lösen, sonst lassen wir diese armen Chancengleichheitkinder auch noch im Stich. Die Politik schmückt sich mit ihnen und sie selbst leiden leise. Oder lautstark. Klar, jetzt muss eben die “Beratung” in der fünften Klasse nachgeholt werden. Die heißt nun leider auch Fünfen und gar Sechsen im Zeugnis. Dabei müsste man einfach mal klar machen, dass Gymnasium allein inzwischen kein Vorteil mehr ist, wenn 62% eines Jahrgangs wie in Freiburg, Gymnasiasten werden. Für viele gäbe es erfolgreichere Wege zum Abitur. Aber da steht noch eine langwierige Überzeugungsarbeit ins Haus unserer Gesellschaft.

Ja ist gut, ich höre ja auf. :-)

13. April 2013

Akademie zum platzenden Knoten

Abgelegt unter: Pädagogisches — heinz.bayer @ 18:00

Wir probieren es einfach mal wieder was Neues. In diesem Jahr konzentrieren wir uns in einem speziellen Flügelverleih-Förderungs-Projekt auf die Mathematik. “Mathematik-Akademie im Flügelverleih”. Innerhalb des Projekts “Den Bahnhof verstehen”, unserem bewährten Gruppennachhilfekonzept. Neu in diesem Jahr: Die Geförderten fördern sich selbst. Schülerschule pur. Ja, wir haben ein paar Dinge bei der Khan Academy abgeguckt. Gute Ideen, die dahinterstecken. Und mit unseren Ansätzen gekoppelt. Wir sind gespannt. Auf www.maennerrevolte.de gibt es nähere Informationen.

Den Bahnhof verstehen

Abgelegt unter: Pädagogisches — heinz.bayer @ 17:50

„Den Bahnhof verstehen“ im „Haus zum Platzenden Knoten“.

Oder „Gipfeltour 2013“

(ein faust-aktuell Artikel)

Stimmt, Sie haben recht. Wir betreuenden Lehrer/innen vom Flügelverleih am Faust lieben die etwas anderen Namen. Weil es dann einfacher ist, pädagogisches Neuland ohne spezielle Erwartungen von außen zu betreten. Nachhilfe – da hat jeder eine Vorstellung, wie sie abläuft. „Den Bahnhof verstehen“ hieß deshalb im letzten Jahr unsere Spezial-Flügelverleih-Nachhilfeschule, in der sich Schüler/innen am Nachmittag allein oder in kleinen Gruppen in verschiedenen Fächern coachen lassen konnten. Neuland. Spontannachhilfe. Klassenarbeitsvorbereitungsnachhilfe. Schwierige Mathehausaufgaben-mit-Unterstützung-lösen“-Nachhilfe. Wir hatten an zwei Tagen einen Überhang an Lerncoachs in der Nachmittagsschule. So entstand diese Idee. Kapazitäten waren frei. Zweites Halbjahr. Als es für manche brenzlig wurde. Auch unsere erste Skype-Ferienschule entstand in diesem Zusammenhang. Pfingsten 2012. Ferienlernaktive Schüler/innen konnten sich anmelden, um ein spezielles Problem von einem der Skype-Coachs erklärt zu bekommen, mit dem sie sich gerade herumschlugen und keine Antwort fanden. Arbeiten nach dem Tiny-Wings-Prinzip aus dem Hause Flügelverleih. Das war auch Grundlage beim „Den-Bahnhof-verstehen“. Tiny-Wings-Prinzip? Sagt Ihnen nichts.

http://www.faust-verleiht-fluegel.de. Klar, es haben nicht sehr viele Schüler/innen daran teilgenommen. Experimente müssen sich entwickeln dürfen. So etwas muss sich auch erst herumsprechen. Und es muss sich für eine breit angelegte Ferienschule wie in skandinavischen Ländern erst einmal die Idee breit machen, dass es besser ist, in den Pfingstferien zu klotzen, anstatt nach den Pfingstferien schulisch unterzugehen. Und man muss allgemein als Schüler/in verstehen lernen, dass schulisches Arbeiten in den Ferien nicht unanständig ist. Sondern für Menschen mit Wissenslücken in manchen Fächern sogar richtig, richtig klug. Da die meisten der Skypecoachs ehemalige Coachs aus dem Flügelverleih waren und oft auch weit weg von der Heimat saßen, wurde es Pfingsten 2012 eine wirklich verrückte globale Angelegenheit. Ein Skypecoach saß z.B. in China, ein anderer in den USA. Aber bitte: Flügelverleihexperimentalpädagogische Einsätze zum Zwecke des individuellen Lernens sind nicht einforderbar. In den letzten 5 Jahren konnten wir zeigen, was an einer schüleraktiven Schule alles möglich ist, wenn man Deputatsstunden für eine qualifizierte Hausaufgabenbetreuung zur Verfügung stellt. Flügelverleih. 5 Jahre Erfolgskonzept, immer mit einem jungen Kollegium von 60 bis 70 Coachs ab Klasse 9 samt Ausbildung durch Coachbesprechungen und Pädagogische Abende. Arbeiten mit späteren Sozialarbeiter/innen, Lehrer/innen und anderen Fachleuten der Zukunft, die hier zeigen, was in ihnen steckt. Und Zeit für Lehrer/innen zur individuellen Einzelbetreuung und Projektentwicklung. Es heißt jetzt in Verlautbarungen der Landesregierung: „Die Konzepte zur Hausaufgabenbetreuung wurden ja inzwischen entwickelt. Dann kann man doch jetzt auch wieder Deputatsstunden einsparen.“ Zu schade, dass man bei der Überlegung vergessen hat, dass unsere Coachs immer wieder andere sind.  Dass unser Prinzip der „Schülerschule“ eben nur theoretisch ohne

permanenten Lehrereinsatz im Hintergrund funktioniert. Schade auch, dass man nicht gegenrechnen kann, wie viele junge Menschen wir durch unsere vielfältigen Ansätze Jahr für Jahr vor dem Sitzenbleiben bewahren. Was wir da dem Land an Geldern einsparen. „Liebe Landesregierung. Ich hoffe, dass die Sparmaßnahmen im „Ergänzungsbereich“ – so nennt man offiziell Projekte wie den Flügelverleih – nicht in ein paar Jahren zu einem sündhaft teuren Bumerang werden.“

Sitzenbleiben, das ist ja auch so eine Geschichte, über die im Moment viel geschrieben wird. Am Faust laden wir seit Beginn der Flügelverleihzeiten nach Ostern alle erkennbaren Versetzungsgefährdeten ein, um mit ihnen „flügelverleihmental“ zu arbeiten. Tipps zu geben. Sie davon zu überzeugen, dass es besser ist, jetzt ein paar Wochen den Computer spielemäßig links liegen zu lassen, reinzuklotzen und statt sitzen zu bleiben lieber später ein Jahr ins Ausland zu gehen.  „Raus-aus-der-Falle“ hieß der Kurs im letzten Jahr. „Break&Go“ 2011. Und 2010 hieß er „Vom Standstreifen auf die Überholspur.“  Der Erfolg gibt uns recht. Allerdings bieten wir keine Garantie für‘s versetzt werden. Unser Ansatz funktioniert immer dann, wenn jemand wirklich nicht sitzenbleiben will und bereit ist, dafür den Blickwinkel auf die Schule zu ändern. „Wollen wollen“, hieß der Kurs auch schon einmal. Scheint leicht, ist es aber überhaupt nicht. Es gibt in jedem Jahr immer einige sehr beratungsresistente junge Menschen. Unser Traumziel wäre nach wie vor für alle Schüler/innen: Den Blickwinkel frühzeitig ändern, gut beraten lassen und notfalls rechtzeitig die Schullaufbahn ändern. Auf alle Fälle: Sitzenbleiben positiv aus der Schule verbannen. Beratungsbüro am Faust. Wir sind schon am konzeptionellen Basteln. Wir werden weiter experimentieren. :-) In diesem Schuljahr bietet der Flügelverleih auch noch spezielle Beratungswochen für Fünftklässler/innen mit Arbeitshaltungsproblemchen an. „Gipfeltour 2013“.

„8 Turbowochen“. Mal wieder ein wenig Neuland. Wir haben schon begonnen. Zuvor persönlich eingeladen. Nach dem Blick auf die Arbeitshaltungszeugnisse vom Februar, die wir für alle Fünftklässler erstellt haben. Man konnte sich dann freiwillig als Schüler/in bewerben. Eltern konnten also nicht einfach schicken. Die Gipfeltour macht nur mit Eigeninitiative Sinn. In diesem Jahr mit Begleitheft, das an unser Hausaufgabenheft für die Fünftklässler/innen angelehnt ist. Wen es interessiert – download unter

www.faust-verleiht-fluegel.de.

Im letzten Jahr hieß dieser Kurs übrigens JUMP.

Speziell für Mathematik werden wir jetzt anfangen, Kenntnisse zu testen und dann Lücken zu füllen. Computergesteuert. Individualisiertes Lernen erproben. Analyseprogramme ausprobieren. Die Programme haben wir, den Platz auch, nur die Computer ebenfalls. Der Schulträger hat uns dankenswerterweise für dieses Halbjahr den Zugang zu der ehemaligen Hausmeisterwohnung erlaubt, die bald zur erweiterten Bibliothek werden soll. Untergeschoss Fünferhaus. Das „Haus zum Platzenden Knoten“ haben wir die Räume getauft. Ein Ort in der Schule und doch außerhalb der Schule. Wir probieren einfach gerne. Der Flügelverleih versucht immer wieder, an allen möglichen Orten neue Flügel zu verleihen. Man darf gespannt sein.

Heinz Bayer & Flügelverleihteam

6. Februar 2013

Stellungnahme

Abgelegt unter: Gymnasialempfehlung — heinz.bayer @ 20:48

Der Umgang von Fünferhaus und Flügelverleih am Faust mit der neuen Situation, dass durch den Wegfall von der bindenden Gymnasialempfehlung auch Kinder mit Realschul- und auch mit Hauptschulempfehlung am Faust eingeschult worden sind.

Das Kultusministerium nennt es eine Vergrößerung der Chancengleichheit.
Wir nennen es eine Unverantwortlichkeit so manchen Kindern gegenüber.
Die neue Situation lässt es zu, dass das Selbstbewusstsein von z.T. völlig überforderten Zehnjährigen gegen die Wand gefahren und ein solch großer Schulfrust entstehen wird, dass die Chancengleichheit genau durch die neue Regelung abnimmt. Auf’s Gymnasium an sich zu gehen ist noch kein Qualitätsmerkmal. Sich auf dem Gymnasium mit normalen Noten aufgehoben zu fühlen ist der entscheidende Ansatz. Da heute schon über 50% der
Abiturienten ihr Reifezeugnis auf einem Weg über den Einstieg in der Realschule oder auch in der Hauptschule machen, erweist sich die scheinbare Öffnung des Gymnasiums als Bildungsfalle für manchen unserer Schüler.
Außerdem, und das ist uns wichtig zu betonen, ist die Öffnung gleichzeitig ein Kuckucksei in Sachen Begabtenförderung, die an Schulen und Gymnasien immer auch gesehen werden sollte. Begabtenförderung bedeutet im Alltag: Zeit haben, sich auch um die guten Schüler zu kümmern. In Bildung investieren heißt nicht nur, möglichst vielen Kindern möglichst breite Bildungschancen einzuräumen, sondern auch möglichst vielen bildungsstarken Kindern möglichst viel KnowHow mitzugeben. Ohne Strukturänderung an unserer Schule ist aber der Normalfall klar zu beschreiben: “Setze drei völlig überforderte Schüler/innen in eine Klasse, dann wirst du einen überproportional großen Teil deiner Unterrichtszeit für mindestens zwei dieser drei Schüler/innen aufwenden müssen. Denn überforderte junge Menschen reagieren auf die Überforderung meist nicht mit Rückzugs-, sondern mit Störungstendenzen.” Fazit: Ohne positive und grundlegend neue Schul-Konzepte ist der einfache Wegfall der Gymnasialempfehlung für das Unterrichten an Gymnasien kein Fortschritt. Nicht für die “unglücklich geschickten” Kinder und auch nicht für die “klar gymnasialen” Kinder. Ein allgemeines Absenken des Bildungsniveaus kann
nicht unser Anliegen sein. Eine Verschlechterung des Umgangstons und der
Klassengemeinschaft ebensowenig.
Unsere Antwort vor Ort:
Wir nehmen den Auftrag natürlich trotzdem ernst und lassen mit unserer
Fünferhauspädagogik des sanften Ankommens an einem achtjährigen Gymnasium in einem eigenen kleinen Gebäude den bei uns ankommenden Kindern ein halbes Jahr ruhige Entwicklungszeit. Das Fünferhausteam arbeitet in den wesentlichen Fragen zusammen. Die Klassenlehrer/innen sind von Anfang an auf Beratung und Unterstützung eingestellt. Unser spezielles schuleigenes Hausaufgabenheft 1 und 2, das unsere Fünftklässler/innen kostenlos bekommen, begleitet das erste Jahr inhaltlich und bietet auch den Eltern ein gutes Unterstützungsinstrument. Im Flügelverleih haben alle Kinder die Möglichkeit, Hausaufgaben mit qualifizierter Unterstützung durch ältere Schüler/innen zu machen. Und das an 5 Nachmittagen in der Woche.
Mit den Halbjahreszeugnissen werden auch sogenannte Arbeitshaltungszeugnisse mit einer Skala von a bis e erstellt. (a: fährt im fünften Gang, e: fährt im ersten Gang ).
Halbjahresinfo plus Arbeitshaltungszeugnisse ergeben zusammen ein gutes erprobtes Bewertungsinstrument.
Überwiegend positive Arbeitshaltung plus recht gute Noten: Grüner Bereich.
Eher verbesserungswürdige Arbeitshaltung und recht gute Noten: Noch einen “fetten Joker im Ärmel” – sollte gecoacht werden, damit sich bis zur 7. und 8. Klasse nicht zu große Lücken auftun.
Überwiegend positive Arbeitshaltung und schlechte Noten: Fährt schon jetzt am Limit, obwohl unsere fünften Klasse immer noch einen sanften Einstieg in das gymnasiale Lernen bieten. Elternberatung angesagt.
Sanfter Einstieg hat Tradition am Faust und hat sich unter den früheren
Anfangsbedingungen auch bewährt. Die neuen Fünfer waren immer gymnasialempfohlen.
Da wir in jedem Jahr einen Austausch mit unseren Grundschulkolleg/innen über die neuen Fünfer durchführen und uns immer wieder auf’s Neue abstimmen, konnten wir uns auf unsere Vorgehensweise immer gut verlassen. Das ist jetzt vollkommen anders.
Überwiegend negative Arbeitshaltung, schlechte Noten: Erst wenn man die Arbeitshaltung in den positiven Bereich kippen kann, kann man wirklich erkennen, ob ein Kind gymnasialtauglich ist oder sich nur quälen wird. Sich durch die Schule zu quälen ist für uns keine Zukunftsperspektive.
Wir laden als Antwort auf die neue Situation alle Kinder mit einer eher schlechten Arbeitshaltung zu einem zeitlich begrenzten Coaching ein, mit dem Ziel, die Arbeitshaltung massiv zu verbessern. 2012/13 heißen diese “Turbowochen” “Gipfeltour 2013″.
Wir bieten Coaching seit über 5 Jahren, werden dies aber jetzt verstärkt speziell für Klasse fünf machen.
Es gibt dazu eigene Begleithefte für Schüler/innen und auch für Eltern.
Nach Rücksprache mit den Fachlehrer/innen bieten wir eine spezielle individuelle Elternberatung an.
Ziel: Noch vor den Endzeugnissen sollte klar sein, wo es lang geht. Wenn sich bis zu den Pfingstferien trotz Fünferhaus, Begleitprogrammen und speziellem Coaching nicht abzeichnet, dass der vorgeschriebene gymnasiale Lehrplan ohne spezielle Kurse, die man anbieten könnte, ohne spezielle Klassen, die man einrichten könnte, innerhalb des normalen Klassenverbands mit 30 Schüler/innen, muss vor einem eventuellen Sitzenbleiben gleich schon in der 5. Klasse die Notbremse gezogen werden und die Realschule als 9jähriges Gymnasium den Eltern dringend und eindringlich empfohlen werden. Denn klar ist: Ein prinzipielles Scheitern auf einem 8jährigen Gymnasium wird ein späteres positives Eingliedern an einer Realschule mit späterem Abschluss mit Abitur sehr unwahrscheinlich machen. Denn mit zu viel Schulfrust und einem gebrochenem Selbstwertgefühl kann niemand so einfach an einer anderen Schule erfolgreich integriert werden. Das muss dann den Eltern unmissverständlich klar gemacht werden. Dass sie nur, um kurzzeitig sagen zu können, “mein Kind ist auf dem Gymnasium”, die Bildungschancen ihres Kindes massiv einschränken. Frei nach dem Motto für Eltern von
jungen Menschen mit Realschulempfehlung oder gar Hauptschulempfehlung: “Wenn du willst, dass dein Kind kein Abitur macht, schicke es doch einfach auf’s Gymnasium.”
Ende des Schuljahres 2012/13 wird die Entwicklung schulintern “evaluiert” und unser Handwerkzeug für die neue Situation optimiert.

Heinz Bayer und Flügelverleihteam am Faust

3. Februar 2013

“Wenn du nicht willst, dass…

Abgelegt unter: Chancengleichheit — heinz.bayer @ 17:44

… dein Kind Abitur macht, schick es doch einfach auf’s Gymnasium.”

Ich werde in den nächsten Wochen nun doch hier wieder schulbloggen. Die Auswirkungen der freien Schulwahl ohne Rücksicht auf die Empfehlung der Grundschullehrer/innen treibt bizarre Blüten. Verbesserung der Chancengleichheit meint das Kulturministerium. Wie wir vor Ort damit umgehen, wird hier zu lesen sein.

Die Alumnisache ist jetzt auch einfach als Seite angelegt, sodass man immer gut drauf zugreifen kann.

Faust Kreativ-Alumni

Abgelegt unter: Alumni — heinz.bayer @ 15:37

Flügelverleih

In drei Jahren kennen Schüler/innen, die vor 5 Jahren und davor am Faust Abi gemacht haben, praktisch keine/n Lehrer/in mehr. Weil die Einstellungspraxis einem Zyklus folgt.

Ich habe die letzten 35 Jahre einmal mit ein paar Bildchen dargestellt. Der “junge Block” ist inzwischen fast komplett und neue Einstellungen wird es an den Gymnasien in Baden-Württemberg in den nächsten 20 Jahren kaum mehr geben. Als Praktiker bekommt einem da  das heulende pädagogische Elend. So viele sehr gute Referendar/innen, die keine Chance auf diesen Beruf mehr bekommen, der ja genau von den guten Leuten lebt.

In den letzten 35 Jahren haben mich sagen wir mal an die 5000 junge Menschen kennengelernt. 5000 Menschen, die heute sagen können: “Ich war am Faust und habe den Bayer gekannt.”

Im Moment habe ich Lust darauf, ein Faust-Alumni für Kreative Ex-Faustler aufzubauen. Bevor ich vom Faust abgehen werde. Ich habe mal ein Schneeball-Mail auf die Reise geschickt. Wäre doch schön, wenn auf dieser Seite in ein, zwei Jahren von jetzigen kreativen Faustlern viele Links zu Ex-kreativen Faustlern geklickt werden könnten. Wer weiß, für was solche Alumni-Verbindungen einmal gut sein können. Vielleicht braucht man als Faustler einmal einen Anlaufpunkt in Australien.

Oder ein Spiegel-Redakteur, der einmal am Faust Chefredakteur der Schülerzeitung war, kann sicher für jetzige Schülerredakteur/innen Ansporn und Ratgeber sein. 

Wer in Freiburg ein wundervolles Café besuchen will, sollte vielleicht als Faustler wissen, dass auch einer der Chefs Faustler war. Sedan Café. Oder wenn man als Jungfilmer einen Ex-Faustfilmer anmailen kann, um einige Fachfragen zu klären, dann hat das was. Aber vielleicht wäre ein junger Filmschaffender im Aufbau wie Maurice umgekehrt auch froh über Adressen von Ex-Faustlern, die schon lange im Kreativgeschäft sind. Zum Beispiel   Tobitoon.

Und Schüler/innen aus der Theater-AG interessiert es sicher auch, welche Theaterschaffenden sich einst am Faust getummelt haben. Zum Beispiel Felix Eitner. Oder Philip Tiedemann

Da gibt es Musiker und Kameramänner und als Faustler sollte man wissen, dass hinter dem besten Eis aus Staufen natürlich auch ein Ex-Faustler steckt.

Ein kreatives Faust-Alumni-Netzwerk soll aber nicht nur aus Profis bestehen, die in irgendeinem Bereich kreativ arbeiten. Auch privat kreativ zählt. Oder innerhalb eines Berufs kreativ sein zählt. Websites von Ex-Faustlern werden gerne verlinkt. Damit man als Faustler weiß, wo man z.B. in Mainz was trinken geht und nach einem Faustler fragt. Oder wenn man im Tübinger Kammertheater klatscht, beklatscht man vielleicht gerade Ex-Faust-Kreatives. Und und und. Aber ich kenne eben auch nur einen Bruchteil der Kreativgeschichten. Musik dürfte viel drunter sein. Und Mode , aber sicher auch Architekten, Firmengründerinnen, Erfinder, App-Entwicklerinnen und und und…. Wer sich als Ex-Faustler/in angesprochen fühlt, schreibt einfach ein Mail an alumni@fluegelverleih-am-faust.de Name, Jahre am Faust oder Abijahr, Kreativbereich ( Hobby oder beruflich), Website, so man will. Jeder, der sich so einklinkt, wird natürlich am Ende der “Sammelaktion” mit einer Faust-Alumniliste versorgt. Und klar, spätestens wenn der MeOck und ich in Pension gehen, denken wir sicher mal über eine Alumni-Kreativ-Veranstaltung nach – oder einen Bildband der Faustkreativen oder, oder, oder freuen uns einfach, dass wir euch alle haben kennenlernen dürfen. :-)

3. Januar 2013

Zweitausenddreizehn

Abgelegt unter: Blogs — heinz.bayer @ 21:46

Liebe Leserinnen, liebe Leser

Vielleicht haben Sie sich gefragt, warum der Bayer nach so langer Zeit regelmäßigem Schreiben so eine lange Pause macht. Ich denke, ich sollte es verraten. Ich habe eine meiner Herzklappe liften lassen. :-) Sie war nicht ganz dicht. Das Alter, Sie verstehen. Aber inzwischen wurde sie durch ärztliche Zauberer wieder gestrafft und ist 100% einsatzfähig. Magic. Deshalb: Ich kehre ab Januar ans Faust-Gymnasium zurück. Ohne die Schule als aktuellen Erfahrungshintergrund scheint mein pädagogisches Schreibbedürfnis ganz andere Wege zu gehen. Bin gespannt, ob es wieder zurückkommt, das Bedürfnis. Versprechen kann ich nichts, aber ich versuche, noch einmal an meine Bloggertradition anzuknüpfen. Wenn sich am Tag immer noch so um die 300 Menschen in eine meiner vier Adressen einloggen, dann sollte ich vielleicht doch nicht so Knall auf Fall mit Schreiben aufhören, denke ich.

Aber ich werde die Ansätze ein wenig verändern. Den www.fluegelverleih-am-faust.de Blog werde ich umfunktionieren. Da habe ich ja sowieso schon das Ende angesagt. Ich werde ihn zu einem Blog für ehemalige Kreativfaustler machen, die ich in meinen letzten zweieinhalb Jahren gerne zu einem Netzwerk zusammenbauen würde. Den www.maennerrevolte.de Blog werde ich klar Richtung Jungsförderung an der Schule verwenden, dafür will ich den www.vorne-auf-der-welle.de Blog für eine spezielle Mädchenförderung verwenden. Weil die Begleitung für das Hausaufgabenheft im Moment ein wenig stockt. Vielleicht später mal wieder, wenn der Vinclair-Verlag meiner Tochter mehr Gas geben kann und wir unser Unterstützungsbücherangebot erweitert haben. Zwanzig Jahre meines Lehrerlebens habe ich als Physiker den Fokus auf Mädchenförderung gelegt, die letzten zehn Jahre auf Jungsförderung. Und jetzt habe ich das Gefühl, man sollte eigentlich beide parallel, aber ganz unterschiedlich fördern. Das will ich dann doch mal versuchen.

Für alle, die Bayer’sche pädagogische Gedankenspiele hier vielleicht zum ersten Mal lesen, sei gesagt: Ich schreibe in erster Linie für Eltern und Schüler/innen meiner eigenen Schule, also für Menschen, die mich kennen. Aber natürlich gibt es inzwischen auch genügend Leser/innen außerhalb, die mit den Bayer’schen Spezial-Ansätzen versuchen, ihre eigenen Kinder zu stärken oder stärken zu lassen oder die sich als Lehrer/innen an den Visualisierungen bedienen, um damit eigene Pädagogik weiterzuentwickeln. Ich habe keinen Anspruch auf irgendeine Vollständigkeit. Ich bin ein schlichter pädagogischer Drauflosschreiber. Meine Ansätze basieren auf 35 Jahren Schul-Lebens-Erfahrungen an einem sehr großen Gymnasium im wilden Südwesten. Faust-Gymnasium-Staufen. Davon fast 25 Jahre als Vertrauenslehrer, der sehr viel von Schule durch die Brille von Jugendlichen sehen durfte. Und aus fast zehn Jahren als Fachabteilungsleiter für Schulentwicklung. Der sehr viel durch die Brille der harten Schulrealität im Rahmen der Bildungspolitik sehen durfte. Die Blogs entstanden aus der Schulentwicklungsarbeit heraus. Deshalb: Wenn Sie sich auch außerhalb des Faust für Bayer’sche Ansätze interessieren, um sich Ideen und Argumente einzupacken – nur zu. Und machen Sie ihr eigenes Ding draus. Zwei Jahre gebe ich mir noch, blogmäßig, dann gehe ich auf die Pensionierung zu und werde als Blogger Privatier. Oder auch nicht. Mal sehen. Auf meinem www.opakoffer.de Blog probiere ich jetzt schon alles Mögliche aus. Auch da gilt: Das Ziel ist es nicht, möglichst viele Leser/innen zu bekommen. Das Ziel ist, eine kleine Schar von Menschen, die so ticken wie ich, Lust darauf zu machen, sich ebenfalls kreativ auszuleben. Bei meinen aktuellen musikalischen Kinderliederausflügen sperre ich im Moment die Öffentlichkeit aus. :-) Ich könnte ja vielleicht meine Illustrationen zum Besten geben. Mal sehen, zu was ich Lust habe. Lassen Sie sich überraschen.

Kurzum: 2013 bin ich auf alle Fälle wieder zurück. Also ab jetzt.

Ihr Heinz Bayer

P.s. Wen es als pädagogischen Insider dann vielleicht noch interessiert, zu erfahren, warum unsere Ansätze für “Schule leben” auch für Fortbildungen in der nahegelegenen Schweiz von Interesse geworden sind, der kann, so er Zeit hat, auch noch unter www.das-paedagogische-schweizermesser.de herumklicken. Und dabei z.B. erfahren, warum die international besetzte Jury der Weltausstellung in Hannover im Jahre 1999 unser Konzept “Schülerschule” zum offiziellen dezentralen EXPO2000 Projekt gekürt hat. Sicher interessant für alle, die unter schlechten finanziellen Bedingungen trotzdem gute Schule im außerunterrichtlichen Bereich machen wollen. Denn gute Schule ist in erster Linie eine Sache des richtigen Menschenbildes. Behaupte ich aus der eigenen Erfahrung.

3. Dezember 2012

Curling Kinder

Abgelegt unter: Erziehung — heinz.bayer @ 20:11

Kennen Sie Jesper Juul ? Ein dänischer Familientherapeut. Ich lese ab und zu von ihm und stelle immer wieder fest: Er hat in so vielen Dingen einfach recht. Seine Aussagen finde ich in meiner Schul-Praxis wieder. In einem ZEIT Interview sagte er auf die Frage: „Glauben Sie wirklich, Herr Juul, dass Erziehung mit Beginn der Pubertät nicht mehr möglich ist?“ „Wir haben 10 Jahre Zeit, um mit unseren Kindern zu arbeiten. Mit 10 Jahren ist es vorbei. Danach weiter über das Leben der Kinder zu bestimmen, ist Eltern nie gelungen. Auch nicht, als ich Kind war. Alle Entwicklung, die dann kommt, kommt von den Kindern.“ sagt er und: „Eltern können ab einem bestimmten Alter für das Kind nur noch da sein.“

Ja das ist auch meine Erfahrung. Genau das. 5. und 6. Klasse, also bis 12 Jahre, da haben Eltern noch Einfluss. Dann kann man nur noch auf die Kinder selbst setzen. „Eltern seid doch nicht so nett“, ist übrigens der Titel des Interviews. Juul meint, die deutsche Idee, dass Kindheit romantisch oder nett oder süß wäre, sei Quatsch und er sagt: “diese Barbie-Kinder der letzten 10 Jahre, die von den Eltern in Baumwolle eingepackt werden, nennen wir in Dänemark die Curling Kinder. Die Eltern rennen vorweg, um jede Unebenheit zu beseitigen, damit bloß nichts weh tut. Wie auf der Eisbahn.“ Ja das Bild gefällt mir. Jedes Jahr kommen mehr Curling Kinder an unsere Schule. Wenn die Eltern alles für einen machen, wird man nicht lebensfähig. “Man braucht Schmerz. Man braucht Frustration.” Sagt Juul. Liebe Fünft- und Sechstklass-Eltern. Sie sind am Ende ihres Erziehungseinflusses angekommen. Nutzen Sie ihn noch ein wenig. Und wenn Sie bisher Curling gespielt haben, setzen sie doch jetzt auf „selbst Erfahrungen machen“ lassen. Und auch Frustrationen erleiden lassen. Das ist gut so.

29. November 2012

Bilderläuterungen der letzten Woche

Abgelegt unter: Pädagogisches — heinz.bayer @ 21:58

Ach ja. Diese Schulentwicklung. „Individuelle Förderung zählt zu ihren Leitmotiven.“ sagt man sich über unsere neue Kultusministerin. GWL. Gabriele Warminski-Leitheußer. Wer in über 30 Jahren Schuldienst viele neue Kultusminister/innen erlebt hat, ist natürlich äußerst gespannt. Zum ersten Mal im Berufsleben eine grün-rote Chefetage. Spannend.  Man drückt sich selbst und seinem Kollegium natürlich die Daumen, dass sich das Leitmotiv der Ministerin auch auf die Schulen selbst auswirkt. Was in allererster Linie auch Zeit bedeutet, die die Schulen brauchen, um sich ernsthaft zu entwickeln. Schule ist ein hochkomplexes Gebilde. Individuell heißt dann auch noch, dass es nicht nur Entwicklungen sein dürfen, die man politisch gut verkaufen kann, sondern Entwicklungen, die zu einem Kollegium passen. Denn eine wirklich gute Schulentwicklung wird immer nur mit einem Kollegium gemacht, das diese auch gut mittragen kann. Luftschlösser, die zwar gut aussehen, aber nicht zu den individuellen Fähigkeiten eines Kollegiums passen, sind nicht sehr wirkungsvoll. Außer für die Politik als Aushängeschild. Für das Faust würde ich mir wünschen, dass Projekte wie das Fünferhaus oder der Flügelverleih problemlos weiterexistieren könnten. Je erfolgreicher man arbeitet, je mehr Schüler/innen man in Schulprojekte einbeziehen kann, desto mehr Deputate müssten zur Verfügung gestellt werden. Individuelle Förderung von Schulen. Das spornt an. Kein Gießkannenprinzip der sowieso klammen Haushaltskassen. Wer es im Rahmen der Ganztagesschuldiskussion schafft, funktionierende Ideen in den eigenen Lebensraum Schule einzubringen, der benötigt Zeit dafür. Funktionierende Schule bedeutet sehr, sehr  viel Beziehungsarbeit. Also Zeit. Also Deputate, die ja zum Teil jetzt nach dem Doppeljahrgang frei werden, wenn man sie nicht gleich wieder einpackt. Was mit den notwendigen Deputatsstunden alles auf die Beine gestellt werden kann, speziell, wenn man sich wie beim Flügelverleih wie eine kleine selbstfinanzierende Schule in der Schule versteht, das kann man hier bei uns besichtigen. Im Juli kommen wie in jedem Jahr wieder alle frischgebackenen Schuldirektoren aus Baselland einen Tag ans Faust, um sich dies vor Ort anzusehen. Drücken wir uns also einfach die Daumen, dass sich solche Bedingungen, wie wir sie im Moment im Flügelverleih haben, auch andere Schulen zu eigen machen dürfen, wenn man sie sich individuell entwickeln und ihnen dabei die notwendige individuelle Förderung zukommen lässt. Und dass wir uns am Faust so weiterentwickeln dürfen wie bisher. Individuell eben.

Man müsse „nur den Betondeckel heben und Kreativität zulassen“ ist ein schöner Satz von der Frau Ministerin. Wir sind sehr gespannt.

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