Das pädagogische Schweizermesser I endete 2008 mit Visionen. Visionen, von denen wir in den letzten 3 Jahren erstaunlich viel umsetzen konnten. Wir hatten damals die Zusage als offene Ganztagesschule erhalten, unsere Hausaufgabenbetreuung arbeitete auf der reinen Schülercoach-Basis ohne Lehrer und Eltern-Direktbezahlung ohne Unterstützung von außen. „Schülerschule“ der ursprünglichen Faust’schen Art eben. Eine kleine Vorstufe des heutigen Flügelverleihs. Langfristig wurden vom Kultusministerium vage Deputatsstunden für die Betreuung von Ganztagesschule versprochen. Daran geglaubt hatte keiner. Also zumindest ich nicht. Immerhin war das von uns eine zentrale Forderung seit über 15 Jahren: Deputatsstunden für die Betreuung von Aktivprojekten. „Ein halbes Deputat für eine ganze Sache“ hatte unser damalige Chef die Forderung beschrieben. Reaktionen gab es keine. Vor 4 Jahren noch keine Schulsozialarbeit in Sicht, noch kein Jugendbegleiterprogramm und keine Fördermittel vom Land wie heute. Seit damals hat sich tatsächlich einiges getan. Als hätte man unsere Visionen erhört. Die Idee 2008: die vage versprochenen Deputatsstunden für Lehrer für Schülercoachs finanziell umsetzbar machen. Samt erträumtem Schulzivi. Zivildienst gibt es nicht mehr. Dafür Deputatsstunden für betreuende Lehrer und Geldmittel für Schülercoachs, wenn das pädagogische Konzept stimmt. Dass es am Faust stimmt, dafür haben wir genügend Erfahrungen mit eigenständigen Schülerprojekten und Arbeiten mit Fachleuten der Zukunft gemacht. Damit kennen wir uns aus. Dafür wurden wir immerhin als offizielles EXPO2000 Projekt pädagogisch geadelt. Gut so, diese Entwicklung, sage ich. Ausbaufähig, behaupte ich. Hier noch einmal das vorletzte Kapitel aus dem pädagogischen Schweizermesser I vor drei Jahren. Damit ich danach weiter schreiben kann.
EINIGE AUSZÜGE AUS DEM DAMALIGEN FIKTIVEN ANSATZ:
„In den letzten Jahren gab es am Faust viele Teams, die entstanden und wieder vergingen. Weil die Aktiven, die so ein Team managen, es zur Blüte bringen, erfolgreich werden, dann irgendwann Abitur machen. Oder alles ausgereizt haben. Nun nehmen Sie einmal ein beliebiges Projekt: Sagen wir Schulradio. Wir hatten schon mal ein Schulradioteam. Mit der Möglichkeit von Webradio warten wir zur Zeit eigentlich schon länger auf ein neues Team. Mit einer Bezahlung für ein paar verantwortliche Schüler wie bei den Coachs für die Hausaufgabenbetreuung könnten wir aus dem Stand eine Radiostation aufbauen. Für jeden Schüler, der sich einschreibt. Und das wären garantiert viele. Wir haben die Erfahrung, die Technik, die Leute. Aber es passiert eben nur eigeninitativ, wenn sich ein paar Schüler selbst persönlich etwas von so einem Projekt versprechen. Man gebe uns die Bezahlung, die angedachten Lehrer-Deputatsstunden für betreuende Schüler/innen, dann gäbe es eine stabile Arbeitsmöglichkeit für viele Schüler – mit einer Lehrerdeputatsstunde kann man viele „Schülerdeputate“ bezahlen. Selbst im Studio Produktionen machen ist etwas vollkommen anderes als Studioarbeit für andere Schüler betreuen. Das wäre einfach qualifizierte Dienstleistung anbieten. Auch um eine kontinuierliche Hausaufgabenbetreuung zu bieten, braucht man bezahlte Coachs. Da müssten schon zufällig genügend Schüler an der Schule sein, die später unbedingt Lehrer werden und sich Erfahrung verschaffen wollten, dass so etwas eigeninitiativ und ohne Bezahlung funktionieren könnte. Deshalb: Wir könnten die „Schätze heben“. Mit Schülerdeputaten. So viele exzellente Schülerinnen und Schüler an einer großen Schule. Die Coachs in unserem Hausaufgabenbetreuungs-System haben nur Einsen und Zweien im Zeugnis. Allrounder sagen wir. Man stelle sich vor, das System könnte jeder Schüler ohne Bezahlung nutzen: ¬Unsere Nachmittagsschule wäre voll. Speziell vor Klassenarbeiten. Den Mitgliedern des großen Streitschlichterteams am Faust ist sehr wohl klar, dass sie neben ihrer erstklassigen Arbeit auch viel für sich selbst tun. Beziehungsfähigkeit im weitesten Sinne. Verstehen von Menschen, Verstehen von sich selbst … Eine große Schule besitzt genügend starke Schülerinnen und Schüler, die man in vielen Bereichen wie Kolleginnen und Kollegen betrachten kann. Wenn man einmal die Noten wegnimmt – so man dazu in der Lage ist. Dann hat man plötzlich eine richtig große Menge von Ganztagesbetreuungskolleginnen und -kollegen, mit denen man ganz anders planen kann. 10 Euro für zwei Schulstunden, das ist der Satz für die Coachs und spontanen Nachhilfelehrer, die vom Schülerbüro vermittelt werden. Das Schülerbüro, das ist immer noch die erste Generation. Im Moment Klasse 12. Ob sich so ein aktives Team wieder findet, das steht in den Sternen. Auch hier wäre eine Bezahlung die Lösung. Das Schülerbüro ist eigentlich vom Faust nicht mehr wegzudenken. Könnte in einem „Ganztagesangebotszirkus“ die zentrale Rolle spielen. Vermitteln, organisieren, verwalten … man schaue sich nur einmal die Seiten des SchüBos an (www.schuebo.com) – dann weiß man, an welche Menschen ich denke, wenn ich von Schätze heben spreche. Unser gesamtes System der außerunterichtlichen freien Schülerarbeit war immer frei finanziert. Selbst finanziert. Mit einem großen zusätzlichen Lehrereinsatz, der immer nur ideell bezahlt werden konnte. Wir Lehrerbetreuer gehen auf die 60 zu. Es wäre schön, wir könnten unsere Erfahrung in ein System einbringen, das auch von Kollegen betreut werden kann, die sich nicht „selbstausbeuten“ müssen, um alles am Laufen zu halten. Dann wäre unser Konzept endgültig personen- und schulunabhängig. Wir betreuenden Lehrer haben es natürlich nie wirklich bereut. Sonst hätten wir nicht diesen Einsatz gebracht. Aber für die ganze Entwicklung mussten schon sehr viele Zufälle und Interessen herhalten. Das ist nicht einfach reproduzierbar. Zu sagen, wir machen das jetzt wie die Staufener, das geht schlecht. Deshalb wäre eine stabile Grundlage vom Feinsten: Zum Beispiel mit einem Schulzivi. Ein Nichtlehrer, der die Teams als Erwachsener betreuen könnte. Der zusätzlich zu den bezahlten Coachs aller Bereiche den Überblick und die Kontinuität und die Verbindung zum Kollegium herstellt. Das System Schülerschule verträgt so eine Stelle. Fordert sie eigentlich geradezu. Nun stellen Sie sich vor, Sie könnten an einer Aktivschule wie dem Faust ein komfortables System der Betreuung schaffen, speziell auch in der Unterstützung des Schulischen. Was bisher nur bei der Hausaufgabenbetreuung der Fall ist. Zum Beispiel für alle Austauschschüler eine Anlaufstelle schaffen, an denen sie sich die fehlenden Informationen wieder zurückholen. Ein riesiges Problem für eine austauschaktive Schule wie der unseren. 10 Austauschprogramme haben wir. Die Welt ist am Faust zu Hause. Aber die damit entstehenden Probleme auch. Mit einem Coachsystem wären wir vieler Probleme enthoben. Und die Schule wäre automatisch wieder einer Ganztagsschule näher. Weil der spezielle Nachholunterricht ja auch in der Schule stattfinden würde. Koordiniert vom Schülerbüro. Wenn man einfach einmal vorrechnen dürfte, wieviel eine standardmäßige Ganztagesbetreuung kosten würde, wie sie offiziell angedacht ist und wieviel pulsierende Schülerschule man dafür betreiben könnte, dann käme keiner um unser Konzept herum. Leider habe ich an dieser Stelle die Befürchtung, dass unsere Überlegungen von Schülerdeputaten eher bei unseren Schweizer Nachbarn auf ein offenes Ohr treffen könnten als bei uns „im Ländle.“. Aber ich will die Hoffnung nicht aufgeben. Wenn man seit 20 Jahren erfolgreich eine „Schule in der Schule“ betreibt, gibt man nicht so schnell auf. Bisher haben wir alles ohne äußere Unterstützungssysteme gemacht. Selbst. Mit großem Einsatz. Für eine kleine Schar von Hochaktiven. Für eine lebendige Schule, von der alle etwas haben. Wenn jetzt Unterstützung in Reichweite ist, dann könnte man das System sehr wohl auch für viel, viel mehr Jugendliche zugänglich machen. Damit Schule noch mehr zum Lebensraum für viele wird. Damit Schüler sich noch mehr identifizieren können. Damit die an einem Gymnasium zuhauf vorhandenen wertvollen Wissensressourcen nicht einfach brachliegen, sondern effektiv eingesetzt werden könnten. Doch das braucht Stabilität der Teams. Das geht nicht mehr mit unserer völligen Eigenständigkeit der Entwicklung. Ohne „Lehrerdeputate für Teamchefs“ wie bei den Nachmittagsschulencoachs ist das nicht zu machen. Es wäre sehr reizvoll, zu zeigen, zu was unser pädagogisches Weltbild in der Lage wäre. … Was uns bei Unterstützung vorschwebt, ist auch die Möglichkeit, von der einstündigen Mittagspause 30 Minuten schulischen Unterstützungs-Angeboten anzubieten. Raum 301 Wurzelrechnen, Raum 302 Integrieren leicht gemacht … Schüler für Schüler. Warum nicht. Schätze heben sage ich nur. An so einer Schule liegt so viel nutzbares Wissen brach. Oder Buchungsangebote: Ein Teil einer Klasse bucht sich einen Coach zum Thema „Planetarisches Wind¬system“, weil in zwei Tagen in Geographie eine Arbeit ansteht. Ich will die Möglichkeiten hier nur anreißen. Will einfach nur zeigen: Schülerschule ist extrem entwicklungsfähig, wenn es reguläre finanzielle Unterstützungssysteme gäbe. Von Eltern bezahlte haben eine viel kleinere Wirkung. Fazit: Wir könnten mit dem gleichen Kostenaufwand eine wesentlich effektivere Ganztagesbetreuung gestalten wie mit den offiziell angedachten Konzepten.
Der aktuelle Stand: Inzwischen haben wir eine gut funktionierende Nachmittagsschule, genannt Flügelverleih, samt Sozialarbeiterin. Samt Deputatsstunden für betreuende Lehrer/innen, weil wir so viele Kinder betreuen. Fast 100 sind seit 3 Jahren immer angemeldet. Hauptsächlich 5. und 6. Klasse. Ankommen am Faust, heißt das Prinzip. Nicht aus der Schule flüchten. Schule als Lebensraum schätzen lernen. Ernst genommen werden. Inzwischen haben wir für gefährdete Schüler/innen zusätzliche Betreuungsprogramme aufgelegt, die funktionieren. Und wir verfügen über ein Kollegium, das dieses spezielle Betriebssystem, das immerhin auch starken Einfluss auf das „kleine Königreich des einzelnen Lehrers“ hat, positiv annehmen kann. Aus der aktuellen Situation baue ich jetzt für Sie eine praktikable moderne Schule, die aus vielen Bestandteilen Faust und einer kleinen Portion Fiktion besteht, die aber umsetzbar und auch finanzierbar wäre, wenn man dies wollte.