Flügelverleih meets Hattie

27. November 2010

Hänsel und Gretel

Abgelegt unter: Ordnung — heinz.bayer @ 09:27

Liebe Faust-Eltern, die dies hier lesen. Dürfen wir Sie um etwas bitten?  Wenn Sie einmal bei Gelegenheit in der Familie über das Wegwerfverhalten von Schülern sprechen, dann könnten Sie doch ein gutes Wort für unser Spezial-Konzept einlegen: „Abfall gehört in den Papierkorb!“ Denn sagen wir einmal 5% unserer Schüler scheinen das einfach nicht zu wissen. 5% von1300 Schüler/innen, das macht 75 zerknüllte Papierservietten, Getränketüten, Pizzakartons, Essensreste – und alles so, als würde man Hänsel und Gretel im Schulhaus spielen. Gut verstreut auf dem Boden. Wir reden mit Engelszungen, machen Aktionen. Haben schon einmal den Müll einer ganzen Woche in die Aula geschüttet. Ich habe ein halbes Jahr eine „Bayer is watching you“ Aktion durchgeführt. Kurzfristig ein Erfolg. Aber beim Nachlassen der Dauerkontrolle sofort wieder „Hänsel und Gretel“. Bei den Toiletten sind es sicher nur 5 Promille, die nicht wissen, dass es andere eklig finden, wenn sie Toiletten zwanghaft verschmutzen. Oder sie ahnen es eben doch und machen es gerade darum. Im Fünferhaus müssen wir, bis die neuen Toilettenanlagen vom Schulträger eingerichtet werden, doppelt so sehr auf Sauberkeit achten. Denn die Grundausstattung ist schon indiskutabel. Wenn dann aber jemand die Meinung vertritt, dass es jetzt noch toll wäre, Toilettenpapier auf dem Boden auszurollen oder als Paket ins Clo zu stecken, dann muss man ihm sagen: „Einfach sehr blöde Aktion.“ Was ich damit sagen will: Leider sind wenige, aber trotzdem zu viele Kinder heute aktionsorientiert. Wenn nichts läuft, ist es schlecht. Also lässt man was laufen. Warum weiß keiner so wirklich. Ich hätte da so ein paar Ideen, aber das würde zu weit führen.  Schule könnte nun permanent strafend an die Sache herankommen. Aufsichten verdoppeln und verdreifachen. Überführen, Arreste, Eltern einbestellen, Androhen von Schulausschluss. Oder man setzt auf Überzeugen. Wir setzen immer noch lieber auf Überzeugen. Sonst wird durch das „Hänsel- und-Gretel-Verhalten von 5% eine Pädagogik des Vertrauens durch eine Pädagogik der Kontrolle ersetzt. Die für die 5% sicher die bessere wäre. Aber für die 95% nur negativ wäre. Was Sie in der Sache machen könnten, fragen Sie? Und Sie könnten uns in unserem „pädagogischen Kampf“ für mehr Sauberkeit im Schulhaus unterstützen, in dem Sie dieses Thema auf die Diskussionsliste in Ihrer Familie setzen. Damit ihr Kind, das ja sicher zu den 95% gehört, eine Sensibilisierung erfährt und die 95% vielleicht den 5% doch von Schüler zu Schüler klarmachen könnten, dass Abfall tatsächlich in den Papierkorb gehört und dass das auch der ehrliche Wunsch von 95%, also weit über 1000 Schüler/innen ist. Weil Ambiente wichtig ist. Und angenehm. Und eklige, zerknüllte Servietten einfach immer an gebrauchte Tempotaschentücher erinnern. Eigentlich eine ungeheuer mehrheitsfähige Geschichte.

20. November 2010

Lautstärke und Selbstständigkeit

Abgelegt unter: Arbeitshaltung — heinz.bayer @ 17:54

Eigentlich sind wir ganz zufrieden. Um einiges leiser als in fünften Klassen gewohnt ist unser Fünferhaus. Im Flügelverleih sind wir sehr zufrieden mit der Lautstärke. Da arbeiten wir einfach schon länger dran. Nach ein paar Monaten mindert sich bei den meisten Schüler/innen die natürliche Zurückhaltung in einer neuen Umwelt. Die ursprünglichen Regungen kommen zu Tage. Und das Problem, das Mitschüler dann manchmal so beschreiben: „Das war schon in der Grundschule so.“ Unruhe im Leben wird von immer mehr Schüler/innen von der Grundschule mit in das Gymnasium gebracht, an dem man nach einiger Zeit merkt, dass es gar nicht so furchtbar schwer ist, dort mitzukommen. Genau dann ist der Zeitpunkt, in dem sich die Frage stellt: Welchen Arbeitsstil wird diese Schüler/in einschlagen bis er/sie die Pubertät betritt? Das Bild der Hirnforscher hilft hier ganz gut. In der Pubertät, sagen die Forscher, baut sich unser Gehirn so um, dass nicht benutzten Bereiche entsorgt werden. Andere werden gestärkt und werden von der Geschwindigkeit her verbessert. Na ja, das ist eben auch meine Alltagserfahrung. Wer in der 5. und 6. Klasse seine Konzentrationsfähigkeit und seine Lust auf Lernen nicht in normalen Bahnen gebracht hat, der hat es in der Pubertät definitiv viel schwerer als jemand, der schon früh gelernt hat, ohne Druck selbstständig zu arbeiten. Deshalb unser Alltagstipp für alle Eltern: Unterstützen Sie speziell die Eigenständigkeit Ihrer Kinder. Fragen Sie speziell danach, wie viel Prozent einer Unterrichtsstunde ihre Tochter oder ihr Sohn dem Geschehen folgen konnte und  wie häufig sie oder er sich abgelenkt hat. Bitte sehr sanft nachfragen. Helfend. Denn für einen Schüler ist  unkonzentriertes Arbeiten nicht einfach nur ein Spaß. Es sind meist schon in der Grundschule gewachsene und eingeschliffene Gepflogenheiten, die dort aber auf Grund der guten Leistungen, die ja alle Gymnasiasten üblicherweise dort einfahren, nicht zum wirklichen Tragen kamen. Auf dem Gymnasium sind es dann aber genau die zentralen Probleme, die das Leben dort am Ende leicht oder schwer machen. Deshalb: Die Noten sind am Anfang noch nicht die wesentlichen Faktoren. Die Arbeitshaltung ist der entscheidende Faktor. An dem kann man arbeiten, wenn man sein Augenmerk darauf richtet. Unser Fünferhaus- Hausaufgabenheft ist genau dazu angelegt. Dass sich das Wissen verfestigt, was es heißt, professioneller Schüler zu sein. Dass das Lernen nichts Unanständiges ist. Die meisten wissen das allerdings – ohne Frage. Man sollte sie in dieser Meinung immer bestärken.

Im Flügelverleih am Nachmittag ist es sowieso Dauerthema.

13. November 2010

Elternabend

Abgelegt unter: Eltern — heinz.bayer @ 18:36

Jetzt haben Sie ihn hinter sich. Den ersten Elternabend am Faust. Für die Nichtfaustler, die hier mitlesen, die zweiten Elternabende sind am Faust eine recht spezielle Veranstaltung. Es ist der Versuch, in möglichst kurzer Zeit möglichst effektiv einen Austausch zwischen Menschen zu schaffen, die am selben Projekt arbeiten. Das Projekt heißt zum Beispiel Paul. Oder Anna. Und es heißt Paul in der Klasse Fünf irgendwas. Und Paul mit dem Lehrer X und der Lehrerin Y. Es heißt auch Paul mit Mathe, Deutsch und den Fremdsprachen. Oder Paul und seine Heftführung, seine Eigenständigkeit, seine speziellen Fähigkeiten. Es heißt Paul und sein Selbstbewusstsein, seine Konzentrationsfähigkeit, sein Ehrgeiz und sein soziales Gespür für andere. Undsoweiter undsoweiter. Als Eltern kommt man mit dem individuellen Projekt Paul an, als Lehrer kommt man mit 30 Einzelprojekten an, die als Gesamtprojekt Klasse Fünf irgendwas eine bestimmte kollektive Eigenart bekommen. Eine Klasse ist eine Schmelztiegel der Gefühle und der verschiedenen Charaktere. Zusammen ein eigener Charakter. Eine Klasse besitzt eine eigene Persönlichkeit.

Sie merken, eine extrem komplexe Angelegenheit, diese größte organisierte Veranstaltung, die sich eine Gesellschaft leistet. Schule. Absurd, wenn man Schule auf Fachinhalte und Noten reduzieren wollte. Deshalb versuchen wir an Elternabenden, möglichst viele Gesprächsrunden hinzubekommen. Damit möglichst viel geredet wird. Möglichst individuell. Meist an Gruppentischen. Die Lehrer gehen von Tisch zu Tisch, die Eltern können in kleineren Gruppen ihre individuelleren Fragen loswerden als sonst üblich. Leider immer eine wenig laut, das ist der Nachteil, wenn an 4 Tischen in einem prallvollen Klassenzimmer gleichzeitig über eins der wichtigste Dinge dieser Welt gesprochen wird: Über junge Menschen und ihre Zukunft, die so eng verknüpft ist mit der Frage von Projekt Paul oder Projekt Anna. Trotz des Lärms: Die Erfahrung und die Rückmeldungen sind ziemlich eindeutig. Die Gespräche nach dem Gesamtelternabend, an dem in einzelnen Schienen die Eltern auch noch in separaten Zimmern mit den Religionslehrer/innen und den Sportlehrer/innen  austauschen konnten, zeigen: Drei Stunden mit einem so emotional gefüllten und mit der ganz normalen Zukunftsangst belegten Thema (was wird aus meinem Kind?) zu verbringen, ist ziemlich anstrengend. Aber enorm wichtig und am Ende befriedigend. Übrigens nicht, um danach nur zu wissen, wie viel Prozent denn das Mündliche zählt und wie viel das Schriftliche. Und wie viel Arbeiten man schreibt. Sondern um klar zu empfinden, dass so ein Projekt Paul auch deshalb erfolgreich laufen kann, weil es sehr viele verschiedene Projektleiter gibt, die in der Gesamtheit und in ihrer Unterschiedlichkeit dem Projekt den nötigen Hintergrund geben. Und um zu begreifen, dass man Schule nicht auf eine Notenverteilanstalt reduzieren darf. Schule ist viel viel mehr. Wenn Elternabende es ein wenig schaffen, Eltern dazu zu bringen, auf die Schule zu vertrauen, dann hat man viel für die Schüler/innen gewonnen. Dann wird zu Hause positiv über den Arbeitsplatz der Kinder gesprochen. Das unterstützt definitiv Lernprozesse. Und damit schulische Leistungen. Was will man mehr.

7. November 2010

Schalter und Arbeitshaltung

Abgelegt unter: Arbeitshaltung — heinz.bayer @ 08:34

Sie wundern sich vielleicht als neue/r Leser/in, dass ich in den pädagogischen Ausführungen den zentralen Wert immer wieder auf  die Arbeitshaltung des Schülers und nicht so sehr auf den Unterricht lege. Wo man doch überall lesen kann, wie man Unterricht aufbereiten sollte, dass er so spannend und unterhaltsam ist, dass die Arbeitshaltung vor lauter Motivation und Wertschätzung kein Problem sein dürfte. Ich will mich im Moment nicht näher dazu äußern, warum ich diese Auffassung für ziemlich falsch halte – aber egal. Selbst wenn man als Eltern glaubt, nur mit der nötigen Lehrerpersönlichkeit könnte man Ihrem Sohn oder Ihrer Tochter das Fach schmackhaft machen und Sie sind mit einigen Lehrern Ihres Kindes unzufrieden, dann müssen Sie realistisch zugeben: Sie können zwar Persönlichkeitsänderungen fordern, aber der Mensch ändert seien Persönlichkeit nicht auf Zuruf. Also muss Ihr Kind mit den derzeit aktuellen Lehrern leben. Was sich aber sofort ändern lässt, ist die Arbeitshaltung. Manchmal bedarf es dazu nur einer Kleinigkeit. Und dann ändert sich auch wie durch ein Wunder die Lehrerpersönlichkeit. Ich darf Ihnen dazu ein Beispiel erzählen, das ich sicher schon häufiger gewählt habe, aber es ist für mich ein klarer Beweis für meine These des „Morgen-kannst-du-den-Schalter-umlegen-wenn-du-willst“. Es ist viele Jahre her. Ich war junger Vertrauenslehrer. Zwei Schülerinnen, 7. Klasse, suchten mich in höchster Not auf. Ihre Mathematiklehrerin, so erzählten sie, entsprach allem Anschein nach einer Lehrerpersönlichkeit, die mit Missachtung, Lieblingsschülern, Gemeinheiten und schlechten Noten den beiden zu schaffen machte. „Wir strecken und werden nie dran genommen..“ Ich versprach, mit der Kollegin zu sprechen, bestellte die beiden zwei Wochen später wieder ein, damit wir über die Entwicklung sprechen konnten. Die beiden kamen wieder, ich hatte peinlicherweise vergessen, das Gespräch zu führen, fragte aber zuerst einmal nach, ohne mein Vergessen zu gestehen. „Herr Bayer, es ist alles total anders. Die Frau Soundso nimmt uns jetzt immer dran, sie ist auch viel freundlicher zu uns und wir haben beide eine zwei in der letzten Arbeit geschrieben. Vielen, vielen Dank….“ Ich habe den beiden verschwiegen, dass ich gar nicht unternommen hatte. Der Placebo hatte perfekt gewirkt. Die Kollegin schilderte die Veränderung vollkommen erstaunt: „Keine Ahnung, was da bei den beiden passiert ist. Die sind richtig freundlich geworden, machen mit, sind einfach gut und haben auch schon eine tolle Klassenarbeit geschrieben.“ Ich habe den beiden die Geschichte erst zum Abitur erzählt. Ihre Mathenoten lagen im zweistelligen Bereich. Soweit zur These „Morgen-kannst-du-den-Schalter-umlegen-wenn-du-willst“. Bleibt nur die Frage: Wie ist das zu erreichen. Dass man den Schalter umlegt und sich die Lehrerpersönlichkeit dadurch vollautomatisch verändert. Auf alle Fälle nicht dadurch, dass zu Hause in das Wehklagen über einen Lehrer eingestimmt wird, um dem Sohn oder der Tochter den Rücken zu stärken. Halten Sie sich im Interesse Ihres Kindes immer mit eigenen Einschätzungen zurück. Wer in der Schule nicht die richtige Arbeitshaltung entwickeln kann, der wird sich oft über Lehrer nicht so äußern, dass es den Eltern gefällt. Über seine Arbeitshaltung wird er allerdings weniger erzählen. Menschlich. Wenn die Geschichten allzu wild sind, dann gehen Sie direkt zum Lehrer. Ansonsten: Geduld und mit Fingerspitzengefühl am Schalterproblem arbeiten. Falls dies notwendig ist. Ansonsten gilt: Genießen Sie es, wenn der Schalter Ihres Kindes in Sachen Arbeitshaltung die richtige Position hat.

Oder anders ausgedrückt: Der beste Unterricht und das tollste Klassenklima nützen nicht, wenn die Arbeitshaltung nicht stimmt.

1. November 2010

Studienfahrt und Fußballprofi

Abgelegt unter: Versetzungsgefährdung — heinz.bayer @ 17:26

Studienfahrt, das ist ein Blick in die Zukunft der Schüler/innen. In deren Erwachsenenwelt. Kurz vor dem Abitur erkennt man, mit wem man eigentlich so lange zusammengearbeitet hat. Als unsere Schüler/innen in Florenz ihre Vorträge hielten, ist es einmal passiert, dass ein deutscher Tourist stehen blieb, um den Inhalten zu lauschen. Zwanzig Minuten lang. Er hat sich danach bedankt. Dombesprechung gratis. Das sind Momente, in denen einem klar wird, dass hier junge Menschen professionell arbeiten und nur durch die Bezeichnung Schüler noch notenabhängig durch die Welt laufen. Als Reiseführer würde man ihnen den Schüler nicht ansehen.

Schon recht früh gibt es solche Momente, in denen der spätere Fachmann aufblitzt. Eltern sollten dies erkennen und fördern. Nicht überhöhen, aber auch nicht übersehen. Es sind nicht nur die Noten, die Schule ausmachen.

Eigentlich wäre alles ganz einfach mit der Schule: Man nehme die Erkenntnis, dass man wie für die Karriere eines Profifußballers regelmäßig trainieren muss, sich dabei manchmal auch gegen einen inneren Schweinehund durchsetzen muss. Dass der Trainer oft fordern muss, weil man alleine aufgeschmissen ist. Alle jungen Menschen, die diese Grunderkenntnis auch für die Schule verinnerlicht haben, haben es nicht sonderlich schwer, sich durch die Schulzeit zu leben. Alle Schüler, die unentwegt meinen, später wäre bessere Trainingszeit, aufpassen wäre uncool und die meisten Lehrer wären unfähig, sie zu motivieren, bauen erfolgreich kontinuierlich an einem wunderbaren eigenen Problemfeld Schule.

Ja klar, ein wenig vereinfacht ist das schon, aber im Grunde ist es trotzdem das schlichte Erfolgsrezept, mit dem wir in den letzten Jahren Versetzungsgefährdeten, also jungen Menschen in richtiger Not mit offenem Ohr für solche Überlegungen, aus der Klemme helfen konnten. Indem wir ihnen wieder und wieder versucht haben, zu erklären, dass sie es selbst in der Hand haben. Nicht ihre Lehrer und nicht ihre Eltern. Nur sie. Dass sie selbst ihr wichtigster Lehrer sind. Ich weiß es auch von vielen Schülern lange vor einer Versetzungsgefährdung, dass sich das Einlassen auf dieses Denkweise unmittelbar auszahlt. Parallel zu diesem Blog läuft deshalb auch immer dieser Grunderkenntnisblog für junge Menschen ab. www.maennerrevolte.de . Männerrevolte deshalb, weil das Problemfeld machen inzwischen vorwiegend männlich ist. Es ist die Revolte gegen den inneren Widerstand gegen das kontinuierliche Mitnehmen von Unterricht. Ernsthaftigkeit gegen Späßchenmachen. Dann werden Lehrer, die man vorher nicht mochte, plötzlich zu ganz passablen Persönlichkeiten. Verrückte Kopfwelt.

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