Flügelverleih meets Hattie

1. Juli 2012

magic moments

Abgelegt unter: Abitur — heinz.bayer @ 10:36

Manchmal weiß ich dann einfach doch nicht, was gerade an Schule interessant sein könnte. Wie wäre es mit dem jährlichen Quantensprung. Mit dem Tag, an dem plötzlich keine K2er mehr an der Schule, also die Abiturienten weg sind, sinkt das gesehene Durchschnitts-Alter in der Aula – zum Beispiel in der Pause – schlagartig um ein ganzes Jahr. Faszinierend, wie jung plötzlich die Schülerschaft daherkommt. Ganz verrückt, wie innerhalb von ein paar Wochen dann die K1er zulegen. Den Raum ausfüllen. Das ist im Kindergarten so, wenn die Schulis weg sind. In der Grundschule, wenn die Viertklässler weg sind und eben am Gymi, wenn die Abiturienten weg sind. Altersquantensprung und dann ungeheuer schnelles Ausfüllen der neuen Rolle als älteste Schüler/innen-Spezie vor Ort. Zu den Ältesten zu gehören macht etwas mit uns Menschen. In jungen Jahren gibt es den nötigen Treibstoff zu großen Taten. In späteren Jahren wollen es viele manchmal kaum wahrhaben, wie schnell dieser Schnittpunkt vorrückt. Wenn die Pensionäre in Pension gehen und man selbst immer näher an den eigenen beruflichen Ruhestand rückt. Die Jungen füllen ganz schnell den Raum aus, den die “Alten” freigemacht haben. In jeder Altersklasse. Immer wieder wundervolles Erlebnis. Jedes Jahr bei den K1ern auf’s Neue. Bald K2. Abiturient werden. Bald das Reifezeugnis in der Hand halten. Ein Jahr früher als früher. Mit G8, mit dem man angetreten ist, um unsere Abiturienten konkurrenzfähig zu machen. Früher raus aus der Schule, um in Europa mithalten zu können. Bisher waren unsere Abiturienten also zu alt. Sagte man uns. Unsere diesjährige Scheffelpreisträgerin hat in ihrer klugen Rede erzählt, dass sie mit ihren knapp 17 bei der Nachfrage um einen Praktikumsplatz überall hören musste: “Zu jung!” und für den Führerschein ist es genauso. Na ja. Schulentwicklung ist ein dauernder Prozess. Wie man sie wohl in 30 Jahren organisieren wird, um die vielen klugen Köpfe der Zukunft auszubilden.

Jetzt drücken wir natürlich allen Abiturienten und -innen ganz doll die Daumen, dass sie diese magischen Momente genießen können. Nie mehr im Leben gibt es solch eine kurze Zeit, in der einem zumindest theoretisch Zehntausende von Möglichkeiten offen stehen. Magic Moments. Abi geschafft. Alles zurück auf Null gestellt. Eine neue Zeit. Reset. Magic. Eine Erkenntnis haben alle. Man fühlt sich überhaupt nicht so, wie man als Fünftklässler gedacht hatte, dass man sich fühlt, wenn man mal so groß und uralt ist wie ein Abiturient.

Das mit der arbeite hat man sich irgendwie anders vorgestellt. Der Trost: Das geht allen so.

19. März 2011

Abitur und Stufenfeeling

Abgelegt unter: Abitur — heinz.bayer @ 17:22

Für alle Neuleserinnen und -leser.  Hier erzählt einer einfach so von Schule, der diese seit 30 Jahren als prallvollen, kunterbunten Lebensraum begreift. Für sich und für die paar tausend Schüler/innen, denen er in den letzten Jahren über den Weg gelaufen ist. Und er erzählt es in erster Linie für die Eltern der Faust-Unterstüfler aber auch für alle Menschen, die gerne mehr vom Lebensraum Schule erfahren wollen. Die Schule verstehen wollen. Denn Schule verstehen heißt schlicht, seine Kinder besser schulisch begleiten zu können. Der, der hier erzählt, ist Unterstufenberater am Faust-Gymnasium und erzählt in Elterngesprächen sowieso unentwegt  Dinge, die man als Eltern einfach von Schule wissen sollte, um sich nicht unnötig Sorgen zu machen. Warum also nicht gleich für ein paar mehr erzählen. :-)

Da ist es also, dieses Abitur. Dieser ungeheure Moment, den man als kleiner Fünftklässler immer so glorifiziert hat. Und als Mittelstüfler manchmal unerreichbar fand. Und noch so ewig weit weg. Und dann merkt man als großer Abiturient, dass man sich gar nicht so erwachsen fühlt, wie man als Fünftklässler immer gedacht hat, dass man sich als Abiturient fühlt. Weil die doch immer so reif aussehen. So alt. So abgeklärt. Es ist für die meisten immer dieses komische Gefühl. Dieses Erstaunen, dass man jetzt genau da angekommen ist, von dem man so oft aus der Ferne geträumt hat. Und sich doch noch ein wenig verloren fühlt bei dem Gedanken, dieser Lehranstalt bald den Rücken zu kehren. Wo es immer so einfach war, den Schuldigen zu finden. Den Lehrer eben. Oder die Lehrerin. Und man immer eine Truppe um sich herum hat, die zu einem hält. Meistens zumindest. Ein paar sind jetzt noch richtig jung. 16 Jahre ist unser Jüngster. Abi2011. Eine riesige Menge von jungen Menschen. Zweihundertzweiunddreißig, um genau zu sein. Man hat irgendwie doch schon gehört, dass die Welt außerhalb der Schule nicht mehr so einfach strukturiert ist. Dass man hier alles selbst in die Hand nehmen muss. Dass man an der Schule viel mehr betreut wird als danach.

Da das Faust aber das ganze Schüler/innen-Leben lang auf Eigenständigkeit setzt, sind es am Ende doch sehr viele, die nach der Schule problemlos selbst laufen können. Ob mit 16 oder mit 19. Und – das habe ich jetzt mal wieder sehr oft gehört – das Stufenfeeling am Faust ist nach wie vor vom Feinsten. Das Netzwerk, das sich jedes Jahr aufbaut, das trägt. Kaum eine Studentenstadt, in der es nicht Faust-WGs gibt. Stützpunkte für andere Faustler. Wer das Faust in seiner Schulzeit richtig begreift, der hat lebenslang etwas davon. Faustgefühle geben viel Stärke mit. Das Doppelabitursjahrgangsstufenfeeling ist natürlich was ganz Besonderes. Irgendwie merkt man das, finde ich.

Mit unserer neuen Idee des Fünferhauses setzen wir in Sachen Stufenfeeling noch wesentlich früher an. Schon jetzt merkt man, dass das gemeinsame Leben im Fünferhaus Stärke mitgibt. Unsere Idee, in einem Sechserstockwerk weiter an einer Stufenpädagogik zu arbeiten, ist sicher genau das Richtige. Schon verrückt. Schule, so lange man hingeht, ist für manchen eine echte Qual. Sobald aber das Ende naht, wird es manchen so richtig wehmütig ums Herz. Weil man dann insgeheim doch begreift, welch großartiger, wundervoller und spannender  Lebensort eine Schule ist, wenn man mal von Klassenarbeiten und Noten absieht, die eben kein Mensch gerne mag, aber ohne die man als normaler Mensch sich auch nicht wirklich bis zum Abitur durchschlagen könnte.

8. April 2010

Abi 2010

Abgelegt unter: Abitur — heinz.bayer @ 18:34

Ich hoffe natürlich, Sie hatten schöne Ostern. Ihre Kinder auch. Die Abiturienten hatten ihre letzten Osterferien. Da war Vorbereitung auf das schriftliche Abitur angesagt. Am Donnerstag geht’s los. Der letzte G9er Jahrgang am Faust. Dann kommt der berühmte Doppeljahrgang und dann machen alle ihr Abitur nach 8 Gymnasialjahren.

Soll ich ein wenig Insiderwissen verplaudern? Zum Beispiel: Das Mathe-Abi ist für viele eine echte Herausforderung. Sie wissen das noch? Wissen Sie auch, warum? Weil man als Schüler einfach immer meint, Abi, das wäre in vielen Jahren. Später da müsse man eben ranklotzen. Leider stimmt genau das nicht. Abi ist immer. Nehmen wir Bruchrechnen Klasse 5 oder 6. Und dann eine Abitursaufgabe mit einer schwierigen Integralrechnung. Und irgendwo zwischen dem Anfang und dem Ende der Aufgabe eine kleine, doofe, gemeine, unauffällige, versteckte, primitive und einfache Bruchgeschichte. Die man schon in den letzten Jahren immer übersehen hat und nie aufgearbeitet, obwohl die Lehrer natürlich immer gesagt haben, wie wichtig Fehleranalysen sind, aber nach der Arbeit ist eben nach der Arbeit. Und genau diese kleine Bruchgeschichte, sagen wir mal „größter gemeinsamer Teiler“. Sie erinnern sich? ggT. Eine Sache, die man vielleicht in der 6. Klasse nicht richtig gefestigt hat, die man in der 7. und 8. Klasse nicht mehr gebraucht hat, die man in der 9. und 10. Klasse nicht mehr bemerkt hat, weil man natürlich nie Fehleranalysen gemacht hat und sich damit abgefunden hat, dass man Mathe eben nicht so blickt. Oder den Lehrer einfach blöd fand, weil er sicher zu schwere Aufgaben gestellt hat. Und am Ende steht dann das Abitur und man meint, die Aufgabe wäre schwer, weil man gleich mal falsche Werte herausbekommt, die nicht stimmen können. Vielleicht genau wegen dem größten gemeinsamen Teiler aus der Klasse 6. Nicht wegen der wirklich schwierigen Integralrechnung. Man kommt ins Schwitzen, das Gehirn blockiert und am Ende hält man sich natürlich für einen mathematischen Versager. Dabei hat man nur am Ende der Osterferien in der 6. Klasse vergessen, die kleinen Lücken zu stopfen, die man damals beim Bruchrechnen hatte, weil man damals gedacht hatte, dass das Abitur ja noch so weit weg wäre.

Wenn Sie also Ihrem Sohn oder Ihrer Tochter was wirklich Gutes tun wollen: Packen Sie gemeinsam den Schulranzen für die nächste Woche. Schauen Sie jedes Heft kurz durch, lassen Sie sich erzählen, was denn vor den Ferien in allen Fächern Sache war. Versuchen Sie geduldig, den Lernprozess bis zum Abitur etwa am Beispiel des Bruchrechnens zu erklären. Vielleicht kann Ihr Sohn oder Ihre Tochter ja aus dem gemeinen Spiel ausbrechen, bei dem man vergisst, dass das Lernen für die nächste Arbeit im Vergleich zum nachhaltigen Lernen mit Langzeitwirkung recht wenig Bedeutung hat. Ich drücke Ihnen die Daumen.

Wenn meine Physik-Abiturienten im Abitur Fehler machen, dann sind es zu 80% Fehler, die sich aus fehlerhaftem Rechnen ergeben. Mathematik Klasse 7 bis 9. Nicht etwa aus dem Nichtverstehen komplizierter physikalischer Zusammenhänge. Eigentlich schade. Aber: So isses.

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