Darf ich Ihnen zur Beschreibung der „Vorne auf der Welle“- Visualisierung eine Geschichte erzählen? Es ist viele Jahre her. Ich war junger Vertrauenslehrer, immer vermittelnd zwischen Schülern und Lehrern, wenn es Probleme gab. Und natürlich gibt es an Schulen in unserer Größe dauernd irgendwelche Verständigungsprobleme. Eines Tages kamen in der Pause zwei Siebtklässlerinnen – völlig aufgelöst – zu mir. Ihre Mathelehrerin sei fruchtbar zu ihnen. Sie würden geschnitten, kämen nie dran, obwohl sie immer streckten, schrieben nur schlechte Noten, würden unfair behandelt. Die Kollegin habe einfach Lieblingsschüler und sie gehörten nicht dazu. Und so weiter und so weiter. Kurzum: Echter Handlungsbedarf für einen Vertrauenslehrer. „Ich rede mit Frau P“ versprach ich. „ Könnt ihr in zwei Wochen wieder vorbeikommen, dann schauen wir mal, ob mein Gespräch etwas gebracht hat.“ Als die beiden nach zwei Wochen auf mich zukamen, war’s mir ziemlich peinlich. Ich hatte das Gespräch mit der Kollegin total verschwitzt. Fragte aber erst einmal, ohne mich zu outen: „Und, wie geht es inzwischen?“ „Ach Herr Bayer. Alles ist gut. Frau P nimmt uns jetzt ganz oft dran, ist freundlich zu uns und wir haben in der letzten Arbeit beide eine Zwei geschrieben. Man merkt es so, dass Sie mit Frau P gesprochen haben.“ Das was es also: Mein pädagogisches Aha Erlebnis als junger Lehrer. Ich verabschiedete mich damals mit guten Wünschen und dem Versprechen, wenn es wieder schlechter würde, immer für die beiden da zu sein. Sie kamen nie mehr. Als ich Kollegin P nach diesem Ereignis befragte, ob sie bei den beiden Schülerinnen in letzter Zeit etwas bemerkt hätte, erzählte sie, wie die beiden von einem Tag auf den anderen wie umgewandelt gewesen wären. Freundlich und aufgeschlossen. Sie würden jetzt plötzlich mitarbeiten und beide hätten schon eine richtig gute Note in der letzten Arbeit geschrieben. That’s it. Den Schalter umlegen. Die Blickrichtung ändern.
Ja, diese Geschichte habe ich schon oft erzählt. Sie ist für mich Ausdruck von „Vorne auf der Welle stehen“. Nur mit der Gewissheit ausgestattet, dass ich mit ihrer Lehrerin gesprochen hatte, erlebten zwei Schülerinnen denselben Unterricht mit ganz anderen Augen. Der Mandelkern hatte da auf Hippocampus umgeschaltet, würde ich heute sagen. Die beiden stellten sich positiv vorne auf die Welle und konnten ihre Fähigkeiten entspannt ins Spiel bringen. Na ja: Und seit damals betreue ich Schüler/innen in erster Linie erfolgreich genau mit diesem Ansatz, sich selbst zu helfen, den Blickwinkel zu ändern, Schule positiv zu sehen und vorne auf die Welle zu klettern. Den beiden Schülerinnen habe ich meine Vergesslichkeit übrigens erst beim Abitur gebeichtet. Mathe Leistungskurs. 12 und 13 Punkte. Wir haben herzlich gelacht.
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