Klar, China. Fast 50 haben sich an unserer Schule zur Chinesisch AG angemeldet. Klasse sieben. Fast ein Drittel, die oder deren Eltern meinen, das wäre die Zukunft. Vielleicht ist es ja die Zukunft. Das chinesische Schulsystem. Haben wir etwas dagegenzusetzen? Werden wir langfristig daran untergehen? Also unsere Enkel? Wird das chinesische System langfristig “erfolgreicher” sein? Wenn man Berichte liest, dann graust es jemanden wie mich. Wenn man von unseren Austauschen Berichte hört, dann ist es wie aus einer anderen Welt. Campingurlaub ist für 2 Wochen im richtigen Monat am richtigen Ort wundervoll. Nicht aber das ganze Jahr. Beim Austausch 2 Wochen mitzuerleben, wie chinesische Schüler/innen an Gymnasien nichts als nur Lernen und Schule und Leistung als Lebensphilosophie definieren müssen, um mitzuhalten, das ist als Beobachter spannend auszuhalten. Weiss man doch, man kommt wieder zurück nach Deutschland. Ein kleiner Link am Rande.
http://www.spiegel.de/schulspiegel/ausland/0,1518,815668,00.html
Zu Hause ist es dann im Rückblick wie Folklore. Dabei ist es die größte Herausforderung, diesem Leistungswahnsinn etwas Sinnvolles entgegenhalten zu können. Könnten wir oder sind wir chancenlos? Werden die chinesischen Schüler/innen in 20 Jahren das Rennen machen und unsere Kinder nähen die Shirts für die Chinesen? Was setzen wir dagegen? Ich wüsste etwas. Ich nehme einmal meine Lebensphilosophie der letzten Woche. Und kombiniere sie mit der Aussage, dass Schule in Deutschland in den letzten 30 Jahren richtig gut geworden ist. Ich wiederhole. Richtig gut. Richtig sehr gut. Ich sehe viele Leser/innen den Kopf wie wild schütteln. “Spinnt er, der Bayer? Richtig sehr gut? Der kennt die Lehrer/innen meines Kindes nicht.” Ich sage, Sie kennen die Lehrer/innen nicht, die ich hatte. Und die mein Vater hatte. Da würden Sie schlecht schlafen. “Was will er uns denn jetzt damit sagen?” fragen Sie zu recht. “Wäre es denn nicht so einfach. Man liest es doch dauernd, wie toll Unterricht sein könnte und dann würde Ihren Kindern alles ganz leicht fallen und sie würden strahlend aus der Schule kommen und begeistert von Mathematik erzählen. Oder von Chemie?” Ich sage es einmal so: Klar kann Schule immer besser werden. Aber Schule in Deutschland, speziell in Baden-Württemberg ist schon verdammt gut. Das sollten Sie Ihren Kindern täglich sagen. Und nicht das Gefühl vermitteln, dass die Lehrer/innen unfähig sind. Sorry, ich meine natürlich nicht Sie persönlich. Ich meine Sie als Gesellschaft. Selbst von guten Freunden, die in der Industrie oder dem Handwerk arbeiten, höre ich es seit 30 Jahren. Diese Plattheiten über uns Lehrer. Mit geht es zum einen Ohr rein und zum anderen Ohr raus. Ich gestehe. Ich weiß, wie viel Arbeit in meinem Job steckt, das reicht mir. Was mich aber immer wieder richtig wütend macht, ist die Tatsache, dass diese Plattheiten an den Mittagessenstischen dieses Landes in der Schule genau das bewirken, was aus unserem, dem chinesischen an Lebensqualität und Effektivität weit überlegenen Schulsystem ein Versagersystem für die Schüler/innen macht, deren Eltern in guter Absicht, ihrem Kind zu helfen, genau das Gegenteil bewirken. Verstanden? Sorry, mein Satzbau. Mein Deutschlehrer hat den auch immer bemängelt. Mein Bauch sagt, ein Drittel der Schüler/innen in jeder Klasse muss inzwischen leider damit leben, dass ihre Eltern Schule mehr kritisieren als respektieren. Die “Schuld” schlechter Leistungen lieber beim Lehrer und nicht beim Kind suchen. Mit einer viel zu großen Erwartungshaltung an dieses Schulsystem, das noch nie so gut war wie heute – und ich meine das ernst – herangehen und ihm damit die Stärke nehmen, die es besitzt. Stärke besitzt es nur, wenn es ernst genommen wird. Ein Drittel aller Eltern nehmen es aber nicht ernst, träumen von einem utopischen System, das nicht durch schlichten Arbeitseinsatz, sondern durch die pure Lust gute Leistungen hervorbringt. Unsere chinesischen Austauschschüler/innen sind zumindest immer sehr verwirrt, wie wenig Respekt so manche deutsche Schüler dieser Institution entgegenbringen. Keine Sorge, ich meine immer noch nicht Sie. Es sind die anderen Eltern. Aber Ihr Kind sitzt natürlich auch in einer Klasse, in der nichternsthafte Kinder sitzen. Könnte man ernsthafte und nichternsthafte Kinder in verschiedenen Klassen verteilen und mit den gleichen Methoden unterrichten, dann könnte man die Auswirkung der Ernsthaftigkeit auf die Schulleistung in der Praxis beobachten. Bei den gleichen Lehrer/innen. Und wenn sich dann flächendeckend verbreiten würde, dass dieses baden-württembergische Schulsystem mit all seinen Facetten und dem unentwegten Ausprobieren, was man noch besser machen könnte, ganz wundervoll ist und allen Eltern klar wäre, dass diese Welt sehr klein geworden ist und man dem chinesischen Dauereinsatz der Schüler/innen nur eines entgegenhalten kann: Schule so wie sie ist richtig doll ernst zu nehmen und den elterlichen Anspruch nicht permanent weiter anzuheben – zum Nachteil der eigenen Kinder – dann hätten wir richtig viel Schulentwicklung auf den Weg gebracht. (keine Sorge, ich meine natürlich immer noch nicht Sie, ich meine die anderen ) Um am Ende in 20 Jahren weiterhin sagen zu können: “Made in Germany zählt immer noch!”
Ich male es noch auf, was ich meine. Klar doch.