Flügelverleih meets Hattie

14. Januar 2011

Respekt und Disziplin

Abgelegt unter: Disziplin — heinz.bayer @ 22:54

Liebe Leser

Vielleicht haben Sie ja den BZ-Artikel über einen frisch gekürten Bundeswehr Rekruten gelesen, der über die Bundeswehr sagt: “Es bringt Ordnung in mein Leben.” Und über die Schule: „Hier finde er, was er in der Schule vermisst habe. “Respekt und Disziplin, das fehlt in der Schule. Manchmal war die halbe Klasse nicht da, aber das hat niemanden interessiert.” Er hat in Staufen die Schule mit der Fachhochschulreife abgeschlossen.“

Der junge Mann beschreibt ein Problem der modernen Schule. Wir haben unsere Lehrer/innen eine Einschätzung der Arbeitshaltung unserer Fünftklässler/innen ankreuzen lassen. Von sehr gut über gut und durchschnittlich bis schlecht und sehr schlecht. Fünfte Klasse, wohlgemerkt. Also noch ganz frisch am Faust. Sehr gut bis durchschnittlich schneiden 90% ab. Bei den 10% – 15 Schüler/innen – denen eine schlechte bis sehr schlechte Arbeitshaltung attestiert wurde, sind 13 Jungs. Und bei diesen 10% würde ich auch unserem früherer Schüler zustimmen: Respekt und Disziplin, das wäre eine angenehme Komponente im Leben dieser Schüler. Die Ordnung ins Leben bringt. Dafür müsste man allerdings, und ich weiß nicht, wie das die Eltern aufnehmen würden, eine extra Respekt-und-Disziplin Klasse aufmachen. Das wäre für einen Teil der uns anvertrauten jungen Menschen garantiert sehr angenehm. Vor den Ferien saß ich einmal in der Nachmittagsschule mit 3 Jungs zusammen. Hatte sie vor die Tür geholt und mit ihnen in Ruhe gesprochen, weil sie sich nicht in unsere einfachen Regeln des aufeinander Hörens einfügen konnten. Einer meinte im Laufe des Gesprächs, dass es jetzt aber im Unterricht bei ihm immer besser ginge. Ehrliche Erleichterung war zu spüren. „Ich habe doch jetzt den Laufzettel. Und wenn ich da nicht gut bin, dann bekomme ich zu Hause richtig Druck…. Nein, nicht brutal. Aber ich muss dann einfach richtig hart arbeiten. Das hilft mir.“ Strahlen über sein ganzes Gesicht. „Laufzettel“, das ist bei uns eine Maßnahme bei Schülern, wenn diese einfach nicht zu einer normalen Arbeitshaltung kommen können. Wenn sie stören und nur heftige Strafen helfen würden. Der Schüler muss dann am Ende jeder Stunde vom Fachlehrer abzeichnen lassen, wie er sich verhalten hat. Ein eng geführtes Prinzip. Ordnung ins Schulleben bringen. Für manche die einzige Möglichkeit. Wer natürlich dann in der Oberstufe merkt, dass die Arbeitshaltung über Jahre hinweg wie bei den 10% lag und die Gewöhnung ans Nicht-Arbeiten zu groß geworden ist, dann ist natürlich hier die Bundeswehr eine echte Erleichterung. Respekt und Disziplin. Ordnung in mein Leben.

Was ich allerdings an dieser Stelle richtig stellen will: „Manchmal war die halbe Klasse nicht da, aber das hat niemanden interessiert.“ Das ist natürlich nur die Sicht, die man von außen aus einer Gruppe von Schülern hat, die sich beim Kaffeetrinken in der Rombach Scheuer gegenseitig dieses beruhigende „da geht doch sowieso nur die Hälfte hin“ erzählen. Dass es in Wirklichkeit auch in der Oberstufe nur ein paar Prozent sind, die ohne Disziplinierung nicht am Ball bleiben können, das erkennt man aus der betroffenen Schülersicht natürlich nicht. Dass wir uns über den jungen Rekruten sehr viele Gedanken in vielen Konferenzen gemacht haben, das entzieht sich natürlich ebenfalls seinem Erfahrungsraum.

Aber eines sieht er natürlich goldrichtig: Die moderne Schule, die auf Eigenständigkeit setzt und auf Selbstverantwortung, die junge Menschen für die Welt nach der Schule gerade nicht drillen soll, weil die Welt nach der Schule eigenständige, engagierte und selbstverantwortliche Menschen braucht, ist für einige junge Menschen trotzdem genau die falsche Schule.

Schade, dass man noch nicht genügend Ressourcen hat, um dieses Problem durch einen disziplinmäßig viel straffer geführten Zug für alle, die dies brauchen können, aus der Welt zu schaffen. Denn wir verlieren auf diesem Weg leider in der modernen offenen Schule, die auch in der Fachdidaktik immer noch offener werden soll, zu viele kluge junge Menschen, die nur mehr straffe Führung bräuchten wie unser früherer Schüler bei der Bundeswehr.

Nur beides zusammen, das sei hier auch gesagt, offen und gleichzeitig eng geführt, das geht leider nicht. Das ist die Illusion aller, die meinen, der Lehrer müsse doch einfach nur klar durchgreifen. Das wäre doch wohl das Mindeste.

Darf ich Ihnen am Ende dieser Problematik, die wir im Flügelverleih auf eine uns eigene Art aufgreifen werden, noch etwa Lustiges, aber sehr Wahres über Unterricht ans Herz legen? Ein Poetry-Slam aus Alltagsszenen, nach dem Sie sich sehr kompakt vorstellen können, wie sich Lehrergefühlswelten in der heutigen Zeit mit den heutigen Anforderungen anfühlen können. Irgendwie finde ich, passt es zu dem heutigen Thema. :-)

Viel Spaß.

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