Flügelverleih meets Hattie

16. April 2011

Osterferien.

Abgelegt unter: Späßchenmacher — heinz.bayer @ 16:15

Verdient? Ja, Ihre Kinder haben ganz schön viel gearbeitet. Gut gearbeitet. Über dem Fünferhaus liegt ein kleiner Zauber. Auch Lehrer/innen, die dort nicht direkt arbeiten, schildern die jetzigen Fünfer als irgendwie besonders. Die Noten stimmen. Die Lernbereitschaft ist bei den Allermeisten sehr groß. Klar, wenn man in einem eigenen kleinen Stufenhaus ins Faust hineinwachsen kann, dann hat man wahrscheinlich schon dadurch den Vorteil, die sonst oft vorherrschende „Schule ist blöd“ Mentalität älterer Schüler nicht so stark mitzubekommen. Und gleichzeitig die ganze Stufe als Lebensraum zu empfinden. Damit stark zu werden. Wenn man dieses Gefühl halten könnte, wäre alles gegessen. Wir werden deshalb ja auch im nächsten Jahr mit den Fünfern aus dem Fünferhaus ins Sechserstockwerk ziehen. Die Idee ist schlicht: Schule darf im Kopf nicht blöd sein. Trotz Klassenarbeiten, Noten und manchmal auch notwendigerweise strengen Lehrern. Dann fällt Lernen leicht. Dann ist Nachhilfe ein Wort, das nur in Ausnahmefällen notwendig ist. Die Osterferien können Sie als Eltern übrigens gut nutzen, mental auch in diese Richtung zu arbeiten. Die beiden Hausaufgabenhefte sind voll von Visualisierungen, die Stoff genug bieten, auch im Schwimmbad oder im Urlaub entspannt in die Richtung „Schule bringt’s“ zu arbeiten. Sie tun ihren Kindern etwas richtig Gutes, wenn Sie ihnen noch vor der Pubertät auf die richtige ernsthafte Schiene dem eigenen Job als Schüler/in gegenüber helfen können. Beziehungsweise dabei helfen, diese Schiene zu stabilisieren, wenn sie schon richtig gut vorhanden ist. Es gibt genügend Schüler/innen, hauptsächlich Jungs, die Schule schon in der 5. Klasse als lustige Bühne für Späßchenmacher sehen und sich das auch gut leisten können, weil ihr Grundschulwissen noch trägt. Die aber nach zwei, drei Jahren Späßchenbühne mit großen Publikum – und dann selbst auch noch vollpubertär – keinen wirklichen Spaß mehr an Schule haben. Speziell für sie wäre es gut, früh mental als Eltern zu unterstützen. Die offenen Schule heute, mit der hohen Anforderung an eigenständiges Arbeiten, ist für so manchen eine echte Herausforderung. Mein pädagogischer Tagtraum ist es immer noch, die 28 größten Späßchenmacher/innen unserer fünf 5. Klassen zu einer eigenen Klasse zusammenzufassen, dort einen viel enger geführten und stark reglementierenden Unterricht der alten Schule anzubieten und ihnen damit einen richtig großen Gefallen zu tun. Und den anderen vier Klassen damit ebenfalls, weil die Späßchenmacher/innen ja gleichzeitig das größte Störpotenzial bei der offenen Schule sind. Aber das ist natürlich nur ein Tagtraum, der nicht bezahlbar ist, weil er mehr Lehrerdeputate benötigen würde. Und Räume. Wir setzen am Faust deshalb zumindest auf  individuelle Betreuung Einzelner in verschiedenen Formen. Und ab einer bestimmten Altersklasse auf den eigenständig denkenden Kopf der jungen Menschen selbst. Deshalb auch das Osterferienprogramm für Versetzungsgefährdete. www.maennerrevolte.de

11. Oktober 2009

Späßchenkinder oder die Ernsthaftigkeit des Lernens

Abgelegt unter: Späßchenmacher — heinz.bayer @ 09:37

Ein paar persönliche, grundsätzliche Gedanken am Sonntag Morgen.

Da kommt Ihre Tochter oder Ihr Sohn auf’s Gymnasium. Wurde empfohlen. Und sie wollen natürlich, dass der zukünftige Schulbesuch weiterhin erfolgreich ablaufen wird. Klar. Immerhin geht es um die Zukunft. Um die Ihrer Tochter oder Ihres Sohnes. Sie wissen natürlich, dass die Schulausbildung die Weichen stellen wird. Deshalb schauen Sie auf’s Detail. Schauen darauf, was Ihr Kind von der Schule erzählt. Ob es sich wohl fühlt. Ob die Noten stimmen. Helfen, wenn es um die Vorbereitung der Klassenarbeiten geht. Kümmern sich darum, ob der Ranzen auch richtig gepackt ist. Freuen sich, wenn Ihr Kind erzählt, dass alles wunderbar ist. Sind verunsichert, wenn sich Ihr Kind nicht richtig behandelt fühlt. Haben sich entschlossen, Ihr Kind dem Flügelverleih anzuvertrauen, damit es noch mehr Selbstständigkeit lernt. Haben aber viel aus der Hand gegeben, was in der Grundschule noch klar überschaubar war. Dort hatten Sie viel mehr direkte Rückmeldung von der Schule. Dort gehörte Ihr Kind zum vorderen Leistungsdrittel. Jetzt ist es zusammen mit den anderen vorderen Leistungsdritteln.
Jetzt ist es wie ein langes Warten bis zum Abitur und dazwischen das große Ungewisse, dessen Name allein schon schaudern lässt. Pubertät. Wird sie schlimm? Wie wird sie sich auf das Lernen auswirken? Als meine jüngste Tochter vor vielen Jahren bei ihrer älteren Schwester die ersten unerklärlichen Anzeichen sah, meinte sie nach der Bestätigung des Vaters, dass dies wohl nun die Pubertät sei, überzeugt: „Da geh ich nie rein! … Und wenn ich rein muss, dann geh ich ganz schnell wieder raus!“ Der Vorsatz hat ihr nicht viel genützt. :-) Entwicklungen von Menschen sind nicht planbar. Ab der 7., 8. Klasse auch nicht mehr wirklich so leicht beeinflussbar. Bis dahin müssen schon klare Strukturen bestehen, damit die für so manche(n) echte Untiefen der Pubertät den Job als Schüler/in nicht zu sehr stören.
Schule kann so viel Genuss auslösen, aber auch große Magenverstimmung. Schule spielt im familiären Gefühls-Alltag eine viel größere Rolle, als wir uns zugestehen wollen. Gute Leistungen der Kinder entspannen die Familiensituation enorm. Selbstständig gemachte ordentliche Hausaufgaben ebenfalls. Schulverweigerung und Schulfrust dagegen können wirkliche familiäre Dramen auslösen. Deshalb lohnt es sich schon aus reinem Eigeninteresse, als Eltern einen guten Job zu machen. Speziell in der 5. und 6. Klasse.
„Einen guten Job?“ fragen Sie entsetzt? „Den müssen doch bitteschön die Lehrer machen. G8 ist doch schon von den Stundenzahlen her ab der 7. Klasse Ganztagesschule. Wir haben die Kinder doch gar nicht mehr zu Hause.“ Ja klar. Da haben Sie schon recht. Für unseren Bereich Schulausbildung, da zeichnen wir ja auch gegen. Aber den wichtigsten Bildungs-Job müssen trotzdem Sie als Eltern leisten.
Zur Beruhigung: Die meisten von Ihnen haben ihn schon sehr gut geleistet. Und leisten ihn täglich auf’s Neue gut. Eltern müssen es schaffen, dass Ihr Kind Schule professionell betreibt. Dass der Lernjob tatsächlich ernst genommen wird. Am meisten aktive Arbeit an diesem Problem müssen in der Regel Jungs-Eltern aufbringen. Denn dort verstecken sich – übrigens weltweit in allen hochentwickelten Ländern – die meisten Bildungsproblemchen. Dort liegen, positiv gesehen, im Moment auch die meisten Möglichkeiten der Entwicklung brach. Von uns Männern werden aktuell in jungen Jahren definitiv die meisten Fehler gemacht. Man muss uns helfen, hier umzudenken.
Ich will hier nicht auf die Ursachen eingehen. Es ist ein komplexes Zusammenspiel vieler Faktoren in einer aufgeklärten und hochentwickelten Gesellschaft. Ich will an dieser Stelle nur auf die Fakten hinweisen. 1992 waren in Deutschland 52 Prozent aller Abiturienten weiblich, 2006 waren es 56 Prozent. Tendenz steigend.
„Männer, das kann es nicht sein. Mütter, habt nicht so viel Nachsicht mit uns. Väter, schaut nicht weg und verweist auf die eigene Schulzeit. Die Zeiten sind andere geworden.“ Die 56 Prozent machen übrigens auch noch das bessere Abitur. Klar freue ich mich riesig über die Entwicklung der Gleichberechtigung der Frauen in den letzten 30 Jahren. Das ist für so einen Alt68er wie mich doch ganz klar eine wunderbare Entwicklung. Aber wir Männer, so hatten wir das zumindest damals diskutiert, dürfen dabei doch nicht auf der Strecke bleiben. Meine Damen, wir Männer sind ja nicht doofer geworden. Wir haben im Moment nur ein vorübergehendes Orientierungsproblem.
Dabei kommen wir nach der Grundschule noch fifty fifty am Gymnasium an. Daran sieht man ja schon, dass wir Männer auch heute noch könnten, wenn wir wollten.
„Was Sie als Eltern tun können, dass ihr Sohn (ja klar, auch manche Tochter, aber bei den Mädels taucht die Problematik eben wirklich nicht so häufig auf) nicht zu der wachsenden Zahl von intelligenten Schülern gehört, die zwischen der 7. und 9. Klasse die eigene kleine Bildungskatastrophe fabrizieren?“ fragen Sie.
Ich gebe Ihnen eine ganz persönliche Antwort aus der täglichen Praxis eines in die Jahre gekommenen Schulmeisters. „Wenn Ihr Sohn (oder Ihre Tochter) die Gymnasialempfehlung problemlos bekommen hat und Sie es jetzt schaffen, dass Ihre Tochter oder Ihr Sohn Schule ernst nimmt, dann haben Sie gewonnen.“
„Wie bitte? Was soll denn das?“ fragen Sie. „Aber das ist doch klar, dass mein Sohn Schule ernst nimmt. Gymnasium. Höhere Schule. Das nimmt man doch automatisch ernst.“
:-) Bei so manchen Eltern müsste ich jetzt salopp sagen: „Träumen Sie weiter.“
Für die Eltern unserer Nachmittagsschule kann ich ein paar konkrete Anleitungstipps geben. Fragen Sie doch einmal zum Beispiel, ob ihr Sohn Schule so ernst nehmen kann, dass er die Einführungsrunde in der Nachmittagsschule wirklich ohne eigene Späßchen übersteht. Ob er die Zeit bis zur Triangel problemlos aushalten kann. Ob er das ruhige Arbeiten in der Flüsterzeit tatsächlich in Ruhe hinbekommt oder ob der Faktor „kleine Späßchen machen“ ihn einfach immer wieder überfällt. Erfragen Sie es immer wieder. Wir können Ihnen später die Antworten auch aus unserer Sicht geben. Wir halten auch irgendwann einmal einen Flügelverleih-Elternabend ab. Wichtiger wäre es aber, dass Ihr Kind selbst empfinden lernt, ob es in der Lage ist, ohne den Druck der Ermahnung und Strafe ernsthaft bei der Sache zu sein. Es sind genau die offenen Systeme, die es vielen Kindern schwer machen, sich zu konzentrieren. Die etwa in einer Schule der 50er Jahre keine Probleme gehabt hätten, weil die Schule eine strafende Schule war. Die heutige moderne, offene, Selbstständigkeit fordernde Schule ist eine Herausforderung für alle Späßchenkinder, die es in großer Zahl gibt. Die fehlende Ernsthaftigkeit zu vieler Schüler ist für mich das aktuelle Hauptproblem für Schule.
Die Eltern sind in der 5. und 6. Klasse noch der stärkste Einflussfaktor, den man nutzen muss. Ernsthaftigkeit muss über Verstehen im Hirn ankommen. Es muss von jemand vermittelt werden, der selbst hundertprozentig ernst genommen wird. Warum das Problem männlich ist? Das Verhältnis 10 zu 1 würde ich aus der Praxis heraus schätzen, Jungs – Mädchen. Auf 10 Jungen, die „Späßchen machen“ auf ihre Dauerfahnen geschrieben haben, kommt ein Mädchen.
Ja dieses Späßchen machen, das ist eigentlich ganz harmlos anzusehen. Immer ein smartes Lächeln auf den Lippen. Immer mit der Fragestellung im Hinterkopf: Wann spaße ich das nächste Mal wieder ein klein wenig los? „Mama, das war nicht schlimm. Nur ein klein wenig. Es macht so Spaß.“ Die Bühne ist da. Der Applaus sicher. Es belebt das Arbeiten doch so erfrischend. Man hat noch die Grundschulerfahrungen abgespeichert. Man ist doch clever. Und die ersten Noten zeigen ja auch: Man kann sich die Späßchen erlauben. Man zehrt noch von der Grundschule. Die Noten vieler Fünftklass-Späßchenmacher brechen eben erst in zwei, drei Jahren ein. Bis dahin ist der Schulfrust programmiert und dann der Hauptschuldige schnell gefunden. Der Lehrer. Klar. Er schafft es dann in der 7. oder 8. Klasse nicht, die nötige Lust am Lernen zu erzeugen. Von der man doch so häufig liest, dass Schule sie erzeugen können soll, wenn sie eine gute Schule ist.
Das ist übrigens der echte Unterschied zu Ihrer eigenen Schulzeit. Vor 20 Jahren waren 5.Klässler noch nicht von Anfang an so spaßorientiert. Das gewachsene Selbstbewusstsein unserer Kinder, das eigentlich eine positive Entwicklung darstellt, wird hier zum Bumerang. Spaßorientierung ist auch meist ganz süß. Nie böse gemeint. Im Gegenteil. Da steckt viel Witz in der Geschichte. Würden nicht auch andere Schüler durch Späßchen gestört und wäre es nicht die kontinuierliche Grundlage für eine nachhaltige Fehlentwicklung, dann könnte man diese spaßige Grundhaltung sehr positiv sehen. Lebensfreude pur. Was will man mehr. Es ist für manche, als wäre es das Normalste der Welt. Als müsste man immer Unterhalter sein. Fernsehen spielen. Nur, leider, schießt man sich mit diesem Programm Tag für Tag ein Eigentor. Noch haben Sie wirklichen und echten Einfluss als Eltern. Meine Überzeugung: Nutzen Sie ihn kontinuierlich für Ernsthaftigkeits-Werbung. Erzählen Sie ruhig Fakten. Jeder Schülerplatz kostet die Gesellschaft über 10 000 Euro im Jahr. Bei 1000 Stunden, die man in der Schule sitzt, also 10 Euro für jede Unterrichtsstunde. 300 Euro die Woche. Nur für Ihren Sohn (oder für Ihre Tochter). Was die Jungs und Mädels täglich machen, kostet uns alle richtig Geld.
Fragen Sie beim Elternsprechtag die Lehrer deshalb nicht primär nach den Noten. Fragen Sie nach der Ernsthaftigkeit im Lernen. Das ist für mich der entscheidende Aspekt, der die Bildungsgewinner von den Bildungsverlierern unterscheidet. Genau hier haben Sie aber als Eltern auch den entscheidenden Einfluss. Nutzen Sie ihn. Genau jetzt ist die Zeit dazu.
Denn das ist meine entscheidende Behauptung: Für den Großteil der Späßchenmacher ist es im Prinzip schlicht eine Kopfsache, das Späßchenmachen zu lassen. Es ist nur eine heiß geliebte Angewohnheit, die man sich auch wieder abgewöhnen kann.
Lassen sie uns deshalb eine schlichte Erfolgs-Vereinbarung treffen: Sie kümmern sich um die Ernsthaftigkeit, wir kümmern uns um die Ausbildung.

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