Flügelverleih meets Hattie

30. Oktober 2009

Digital Natives

Abgelegt unter: Computer — undplanb @ 01:04

Ich sollte vielleicht einmal etwas bemerken: Ich habe in den letzten Blogs so häufig von meinem Spezialthema geschrieben: Das Problem der mangelnden Ernsthaftigkeit zu vieler. Es zieht mich einfach immer wieder hinein. Eben auch die Jungenproblematik.

Wissen Sie. Als Vater von zwei Töchtern konnte ich immer gelassen darüber diskutieren. Als werdender Opa eines Enkelsohnes komme ich der Problematik nun tatsächlich auch persönlich ganz schön nahe.

Habe am Montag im Zug eine Mama mit drei Jungs erlebt. Drei Spielkonsolen, die alle gefiept und geballert haben wie die Weltmeister. Zwei Stunden lang. Dabei habe ich witzigerweise ein Buch gelesen, dessen Titel mich in der Bahnhofsbuchhandlung angesprungen hatte: „iBrain“ von Gary Small und Gigi Vorgang. „Wie die Medienwelt Gehirn und Seele unserer Kinder verändert“. Der Kleinste schräg gegenüber war gerade mal vier oder so. Digital Natives nannte der Autor die Jungs. Einheimische in der digitalen Kultur. Die Mutter wurde als Digital Immigrant bezeichnet. Stimmt, sie hatte schon beim Bedienen der Playstation ihre Probleme. Eben eingewandert. Ich erzähle Ihnen jetzt nicht das ganze Buch. Keine Sorge. Aber die Aussage, die man aus vielen neuen Untersuchungen mal wieder ableiten kann, stand am Ende eben auch wieder da: Bitte, bitte. Mamas und Papas, die ihr eure Kinder, speziell eure Jungs liebt. Schaut darauf, dass die Zeit in der digitalen Welt für eure Digital Natives im Rahmen bleibt. Sonst arbeiten ihre Neuronen im Stirnlappen zu wenig. Wir sprechen vom Gehirn und von  Magnetresonanztomographie. Und wir sprechen von Multitasking, das die Einheimischen richtig gut beherrschen. Besser als die Einwanderer. Was ja gut ist. Im Rahmen eben. Denn der Stirnlappen ist für Lernen, Gedächtnis, Emotionen und sogar Impulskontrolle zuständig. Wenn der verkümmert, ist das doof. Würde ich mal so salopp sagen. Da fehlt etwas Entscheidendes, das für Beziehungen wichtig ist. Und was, mal unter uns, ist wichtiger als Beziehungen führen zu können. Der Autor von „iBrain“ hat das über 190 Seiten belegt. Na ja. Die drei jungen Eingeborenen am Sitzplatz schräg vor mir waren auf alle Fälle zwei Stunden lang konzentriert und ruhig bei der Sache. Ich habe ihnen die Daumen gedrückt, dass sie danach Kicken durften, Fahrad fahren oder im Hallenbad schwimmen, basteln oder jonglieren, erfinden oder experimentieren, usw… eben etwas für den Zentrallappen. Sie wissen schon. Oje. Man merkt. Schon wieder bin ich beim typischen Bayer-Thema. Erziehen in digitalen Zeiten ist ziemlich schwer. Dabei wollte ich in diesem Blogbeitrag aus den Tiefen der unterrichtsfreien Herbsttage mal was ganz anderes sagen

Ich hätte bei all meinen Blogs über die Problemchen des Schulalltags immer als permanenten Begleittext hinzuschreiben müssen: „Liebe Eltern. Für die übergroße Mehrheit unserer Schüler/innen am Faust gilt natürlich ganz klar: Alles im grünen Bereich. Wunderbare junge Menschen. Die ihren Weg durch das Gestrüpp des Erwachsenwerdens glorreich zurücklegen werden. Auch als Eingeborene in dieser so neuen Welt, in der die Erwachsenen eben mit anderen Frontallappen im Kopf herumlaufen müssen. Oder dürfen. Aus den Kindern sollen bitte auch keine junge Menschen werden, die den Ernst des Schülerlebens als oberstes Gut mit sich herumtragen. Mit strengen Mienen. Die Ernsthaftigkeit der Einwanderer würde mir reichen. Die kennen Sie ja noch aus eigenen Zeiten. Die haben 80% unserer Schüler/innen und die werden auch keine wesentlichen Schulprobleme haben. Eben die, die sie selbst kennen. Aber aus der Erwachsenensicht eines mitten im Beruf Stehenden verklärt sich das zur Schulproblemfolklore. Oder? Und wer dann als Schüler noch mehr zulegen will, muss einfach an der Ernsthaftigkeit drehen. Das ist der Joker in der Hinterhand.

Sorry, jetzt habe ich es schon wieder nicht geschafft, nur von den vielen tollen Jungs und Mädels zu schwärmen, die zu uns ans Faust kommen. Deren Erziehung Sie wunderbar hinbekommen haben. Gratulation. Also: Ich versuche es später noch einmal mit so einem Artikel. Ihnen noch ein paar Tage herbstliche unterrichtsfreie Tage.

Übrigens: Es ist nicht unanständig, in den Ferien Vokabeln zu lernen. Wollte ich nur nebenbei mal gesagt haben.

24. Oktober 2009

Jugend forscht – B-Woche

Abgelegt unter: Flügelverleih — heinz.bayer @ 15:18

Oh wie gerne würde ich Mäuslein spielen und hören, was denn Ihre Kinder von dieser Woche zu Hause erzählen. Das ist ja immer dieses verrückte Spiel. Wenn Sie einen Sohn haben, dann wissen Sie wenig. Wie oft habe ich bei Elternabenden Gruppentische gemacht. So wie die Schüler auch in der Schule saßen. Also auch Jungentische und Mädchentische. Und immer dasselbe Spiel. „Sicher haben Ihre Kinder von …………….erzählt. Was halten Sie davon?“ Wilde Diskussionen an den Mädchentischen. Schweigen an den Jungentischen. „Ich weiß nichts davon.“ Gemein. Wir Männer erzählen einfach viel weniger.
Beim Thema dieser B-Woche könnten die Jungs sicher einiges erzählen. Tun’s aber sicher trotzdem nicht. Obwohl es um ein ursprünglich eher männliches belegtes Gebiet ging: „Jugend forscht“. Erfinderwoche war angesagt. Die Aufgabe nach Erzählungen über diesen Wettbewerb: „Lasst euch selbst etwas einfallen, mit dem ihr möglicherweise bei Jugend forscht antreten könntet. Erfindungen, Untersuchungen, Forschungen…“ Man kann schon ab der 4. Klasse mitmachen. Das Schöne daran: Man darf sein Thema völlig frei wählen. Die Zukunftsvision, der Entwurf einer gigantischen Eismaschine, die dem Abschmelzen der Pole entgegenwirken soll, fand ich persönlich am ergreifendsten. Wenn auch nicht unbedingt als Sechstklässlerin im Rahmen von Jugend forscht direkt umsetzbar. Die Tauben-Verscheuch-Konstruktion mit Bewegungsmelder für Hausbesitzer mit Taubenproblemen fand ich die interessanteste realistische Erfindung, die in dieser Woche entstand. Das Falten von Papierfliegern nach Vorlage und danach das Optimieren mit eigenen Vorstellungen hat immerhin einen exzellenten Flieger geschaffen, der den gesamten Schulhof überquerte. Die Erkenntnis, dass Ideen nicht am Schreibtisch entstehen, sondern vielleicht beim Spazierengehen oder beim Jonglieren, hat diese Woche abgerundet. Die Jongleure werden immer besser. Jonglieren und gleichzeitig Ideen suchen war angesagt. Nach den Hausaufgaben, versteht sich.
Vielleicht haben die Mädchen ja auch von den Bayer’schen Spezial-Doppelstunden erzählt, die ich in allen 5. Klassen gehalten habe. Unterstufenberater sollten zumindest einmal im Jahr die Unterstufe beraten. Auch da wäre ich gerne beim Erzählen zu Hause Mäuschen gewesen. Hochkomplexes Thema. Ernsthaftes Lernen. Professionell Schüler sein. Und dann: „Inflation“, eine kleine Fabel, die wir schon im letzten Jahr eingesetzt haben, um lernschwierige Schüler/innen zu beraten. Fehlende Ernsthaftigkeit, der Hauptgrund für das massenweise Versagen speziell von uns Männern in der Schule. Nicht die Dominanz der weiblichen Bezugspersonen. Sage ich. Denn es gibt so viele Jungs mit tollem professionellen Einsatz in der Schule, Kinder von alleinerziehenden Müttern, beschult von Grundschullehrerinnen, am Gymi betreut von 2/3 weiblichen Lehrpersonen, die trotzdem einen richtig guten Job machen. Die ernsthaft bei der Sache sind. Der Knackpunkt ist meiner Erfahrung nach meist die früh fehlende Ernsthaftigkeit dem Lernprozess gegenüber und das zu lockere Umgehen mit den daraus resultierenden Lücken, die sich leider erst zwei, drei Jahre später zeigen. Dann aber massiv. Dann wird das Lernen zum echten Frust. Deshalb, wenn Sie erkennen, dass Ihr Kind Schule zu leicht und zu spaßig nimmt, lesen Sie mit ihm die kleine Fabel und reden Sie darüber, dass sein Gehirn genau jetzt ein Hochleistungsgerät ist. Bis zum Alter von 13 Jahren, sagen Wissenschaftler, können Kinder, die in ein fremdes Land umziehen, diese Sprache so lernen, dass man ihnen den deutschen Akzent später nicht anhört. Können Muttersprachler werden. Stellen Sie sich das mal vor. Ihr Sohn in der 5. oder 6. Klasse könnte noch Chinese werden, der große Bruder schon nicht mehr und Sie selbst. Vergessen Sie’s.
Die Fabel ist verlinkt unter „Flügelmaterialien“

20. Oktober 2009

Kleine Änderung

Abgelegt unter: Allgemeines — heinz.bayer @ 20:00

Liebe Leserin, lieber Leser
nachdem wir Videos einbauen können, finden Sie in Zukunft Filme aus dem Hause Flügelverleih unter:
Seiten / Nachmittagsfernsehen.
Dort findet man jetzt auch den Sommerkonzertfilm 2009.

19. Oktober 2009

Videoeinbau funktioniert

Abgelegt unter: Flügelverleih — heinz.bayer @ 21:34

Ja wer sagt es denn. Klappt doch. Hier ist unser erstes Video im Blog integriert. Danke Frau Schmitz.
Und wenn ich hier schon gerade am Schreiben bin. Liebe Eltern. Habe ich Ihnen denn schon gebloggt, warum wir die Studienwochen eingeführt haben? Das ist so: Im Moment sind die Chinesen in China, die Franzosen in Frankreich, die Italiener in Italien. Die 13er sind auf Studienfahrt. Lehrer auch gleich mit dazu. Für drei der sechsten Klassen läuft diese Woche das Gewaltpräventionsprojekt, die zwei anderen sechsten Klassen durchlaufen dieses Projekt in der nächsten Studienwoche. Dann gibt es noch dies und das. Zum Beispiel heute ein Fußballturnier für die Jüngsten. Und es gibt den ganz normalen Unterricht. Unsere riesige Kursstufe schreibt drei große Klausuren. Und das Ganze mit einem extra Stundenplan, der alles einigermaßen koordinieren soll.
Kurzum: Die Studienwochen sind einfach dazu da, dass Projekte, Austauschprogramme und andere spezielle Aktivitäten gebündelt ablaufen können. Ich hoffe, Sie verstehen jetzt ein wenig, warum Ihre Kinder meist einen veränderten Stundenplan haben und der Nachmittagsunterricht ausfällt. Außer dem Flügelverleih. :-)


Faust-Gymnasium-Gala report klein
von schmitzi2009

18. Oktober 2009

Galafernsehen

Abgelegt unter: Allgemeines — heinz.bayer @ 19:35

Ganz neu im Programm: Der Film von Julia Schmitz. Gala am Montag im Spiegelzelt. “Gestatten Faust”. Schauen Sie doch mal rein. Unter Links “Galafernsehen”.
Ebenfalls neu ist die Seite: Wie baut man einen Flügelverleih?

Gehirnjogging mit Bällen

Abgelegt unter: Jonglieren — heinz.bayer @ 09:48

Also – diese Flügelverleih-Woche war eine B-Woche. Eine mit dem Prädikat: „Mal wieder was Neues ausprobieren. Mal wieder danach Forschen, wer welche unentdeckten Fähigkeiten besitzt.“ Jonglieren war angesagt. „Hilfe, warum denn Jonglieren?“ fragen Sie. „Die sollen, wenn sie die Hausaufgaben fertig haben, doch lieber Vokabeln auswendig lernen. Und zusätzliche Matheaufgaben machen. Spielen sollen sie besser zu Hause.“
Klar, liebe Eltern. Bis drei Uhr war ja auch immer ruhiges Arbeiten angesagt, erst dann wurde jongliert, aber Jonglieren widerspricht dem Lerngedanken natürlich überhaupt nicht.
Wir müssen als Hintergrund dazu sagen. Wir verfügen in unserem Team über drei richtig gut jonglierende Menschen, die diese Kunst auch wunderbar weitergeben können. Frau Schmitz, Herr Illner und Herr Zuern sind unsere Könner. Also gut. Auch Frau Theisohn hat gemeint, sie könne schon „drei Bälle 2 Sekunden lang“. :-) Und ich persönlich bin gespannt, ob ich mir nach diesem Jahr Jonglieren – ich will das nämlich auch können – besser Schülernamen merken kann. Denn Jonglieren und Gehirn, das hat was. Sogar bei so einem etwas in die Jahre gekommenen Gehirn wie dem meinen. Sagt die Wissenschaft. Wir wissen dies bei jungen Hirnen aus eigener Erfahrung durch eine Jonglier AG vor ein paar Jahren. Herr Zuern war damals bei uns Referendar und hatte sie geleitet. Die Schüler, die dabei waren, haben häufig vor dem Lernen jongliert, weil sie sich dann danach besser konzentrieren konnten. Manche machen das heute noch.
Eine Wissenschaftlergruppe aus Oxford hat nun ganz aktuell den positiven Einfluss der kleinen Bälle mit Kernspin bestätigt, wie man das inzwischen eben so macht. Wir wollen Ihnen das natürlich nicht vorenthalten.

Spiegel Online 12. 10.09
Auch im Erwachsenenalter ist das Gehirn noch formbar. Oxford-Wissenschaftler haben mit Kernspin-Untersuchungen gezeigt, wie sich die Nervenverbindungen in unserem Kopf während des Lernens innerhalb kurzer Zeit verändern.
Jonglieren lernen bewirkt Veränderungen in der Verdrahtung von Nervenzellen. Dies zeigten Forscher um Heidi Johansen-Berg und Jan Scholz von der University of Oxford mit einem Experiment, das sie im Fachblatt ” Nature Neuroscience” veröffentlichten.
Mit Hilfe eines Kernspintomografen untersuchten sie sowohl die Veränderungen der weißen und grauen Substanz im Gehirn von 48 jungen Erwachsenen, die nicht in der Lage waren zu jonglieren. Die Hälfte der Versuchsteilnehmer unterzog sich darauf einem sechswöchigen Jongliertraining und übte 30 Minuten täglich. Bei einer erneuten Untersuchung stellten die Forscher danach bei den Jonglierern eindeutige Veränderungen in der weißen Gehirnsubstanz fest. Die weiße Substanz umfasst die Leitungsbahnen im Gehirn und Zentralnervensystem, die graue die Nervenzellkörper. ….
Weitere Einzelheiten bei Spiegel Online.

Na ja. Und weil die Leute aus Oxford dem Jonglieren einen echten Lernzuwachs zuschreiben können und wir aus der Erfahrung auch dieselben Beobachtungen gemacht haben, haben wir Jonglieren auf unsere Fahnen geschrieben. Sie werden bald die ersten Dreiball-Jongleure im Nachmittagsfernsehen bewundern können, vielleicht ja auch schon bald die ersten Vierball- oder gar Fünfball-Jongleure. Man darf gespannt sein. Übrigens, und das ist das Wichtige an der Sache: Die Forscher haben herausgefunden, dass es nicht das „Jonglieren können“ ist, das die Gehirnsubstanz wachsen lässt, sondern das „Jonglieren lernen“. Also der Übungsprozess. Deshalb: Wenn schon Jonglieren dem Lernen Flügel verleiht: Tun wir’s doch. Das war das Motto der letzten Woche. Und das wird uns auch kontinuierlich weiter zusätzlich zu den anderen lernunterstützenden Dingen begleiten, die im Flügelverleih alle noch auftauchen werden. Das Schöne am Jonglieren ist nebenbei: Hier kann kein Schüler sagen: „Frau Hirth, ich bin schon fertig, was soll ich jetzt machen?“ Bei der Ballanzahl gibt es nach oben eben keine Grenzen.
Übrigens war diese Woche noch ein richtiges Großereignis für den Flügelverleih. Unsere Sozialchefin hat den Namen gewechselt. Am Freitag kurz nach 11 Uhr hat sie im Freiburger Rathaus ein wichtiges Dokument mit dem Namen Geismann unterschrieben, nachdem sie dieses kleine Wort ausgesprochen hatte. “Ja“. Wir gratulieren auch von dieser Stelle aus.

11. Oktober 2009

Späßchenkinder oder die Ernsthaftigkeit des Lernens

Abgelegt unter: Späßchenmacher — heinz.bayer @ 09:37

Ein paar persönliche, grundsätzliche Gedanken am Sonntag Morgen.

Da kommt Ihre Tochter oder Ihr Sohn auf’s Gymnasium. Wurde empfohlen. Und sie wollen natürlich, dass der zukünftige Schulbesuch weiterhin erfolgreich ablaufen wird. Klar. Immerhin geht es um die Zukunft. Um die Ihrer Tochter oder Ihres Sohnes. Sie wissen natürlich, dass die Schulausbildung die Weichen stellen wird. Deshalb schauen Sie auf’s Detail. Schauen darauf, was Ihr Kind von der Schule erzählt. Ob es sich wohl fühlt. Ob die Noten stimmen. Helfen, wenn es um die Vorbereitung der Klassenarbeiten geht. Kümmern sich darum, ob der Ranzen auch richtig gepackt ist. Freuen sich, wenn Ihr Kind erzählt, dass alles wunderbar ist. Sind verunsichert, wenn sich Ihr Kind nicht richtig behandelt fühlt. Haben sich entschlossen, Ihr Kind dem Flügelverleih anzuvertrauen, damit es noch mehr Selbstständigkeit lernt. Haben aber viel aus der Hand gegeben, was in der Grundschule noch klar überschaubar war. Dort hatten Sie viel mehr direkte Rückmeldung von der Schule. Dort gehörte Ihr Kind zum vorderen Leistungsdrittel. Jetzt ist es zusammen mit den anderen vorderen Leistungsdritteln.
Jetzt ist es wie ein langes Warten bis zum Abitur und dazwischen das große Ungewisse, dessen Name allein schon schaudern lässt. Pubertät. Wird sie schlimm? Wie wird sie sich auf das Lernen auswirken? Als meine jüngste Tochter vor vielen Jahren bei ihrer älteren Schwester die ersten unerklärlichen Anzeichen sah, meinte sie nach der Bestätigung des Vaters, dass dies wohl nun die Pubertät sei, überzeugt: „Da geh ich nie rein! … Und wenn ich rein muss, dann geh ich ganz schnell wieder raus!“ Der Vorsatz hat ihr nicht viel genützt. :-) Entwicklungen von Menschen sind nicht planbar. Ab der 7., 8. Klasse auch nicht mehr wirklich so leicht beeinflussbar. Bis dahin müssen schon klare Strukturen bestehen, damit die für so manche(n) echte Untiefen der Pubertät den Job als Schüler/in nicht zu sehr stören.
Schule kann so viel Genuss auslösen, aber auch große Magenverstimmung. Schule spielt im familiären Gefühls-Alltag eine viel größere Rolle, als wir uns zugestehen wollen. Gute Leistungen der Kinder entspannen die Familiensituation enorm. Selbstständig gemachte ordentliche Hausaufgaben ebenfalls. Schulverweigerung und Schulfrust dagegen können wirkliche familiäre Dramen auslösen. Deshalb lohnt es sich schon aus reinem Eigeninteresse, als Eltern einen guten Job zu machen. Speziell in der 5. und 6. Klasse.
„Einen guten Job?“ fragen Sie entsetzt? „Den müssen doch bitteschön die Lehrer machen. G8 ist doch schon von den Stundenzahlen her ab der 7. Klasse Ganztagesschule. Wir haben die Kinder doch gar nicht mehr zu Hause.“ Ja klar. Da haben Sie schon recht. Für unseren Bereich Schulausbildung, da zeichnen wir ja auch gegen. Aber den wichtigsten Bildungs-Job müssen trotzdem Sie als Eltern leisten.
Zur Beruhigung: Die meisten von Ihnen haben ihn schon sehr gut geleistet. Und leisten ihn täglich auf’s Neue gut. Eltern müssen es schaffen, dass Ihr Kind Schule professionell betreibt. Dass der Lernjob tatsächlich ernst genommen wird. Am meisten aktive Arbeit an diesem Problem müssen in der Regel Jungs-Eltern aufbringen. Denn dort verstecken sich – übrigens weltweit in allen hochentwickelten Ländern – die meisten Bildungsproblemchen. Dort liegen, positiv gesehen, im Moment auch die meisten Möglichkeiten der Entwicklung brach. Von uns Männern werden aktuell in jungen Jahren definitiv die meisten Fehler gemacht. Man muss uns helfen, hier umzudenken.
Ich will hier nicht auf die Ursachen eingehen. Es ist ein komplexes Zusammenspiel vieler Faktoren in einer aufgeklärten und hochentwickelten Gesellschaft. Ich will an dieser Stelle nur auf die Fakten hinweisen. 1992 waren in Deutschland 52 Prozent aller Abiturienten weiblich, 2006 waren es 56 Prozent. Tendenz steigend.
„Männer, das kann es nicht sein. Mütter, habt nicht so viel Nachsicht mit uns. Väter, schaut nicht weg und verweist auf die eigene Schulzeit. Die Zeiten sind andere geworden.“ Die 56 Prozent machen übrigens auch noch das bessere Abitur. Klar freue ich mich riesig über die Entwicklung der Gleichberechtigung der Frauen in den letzten 30 Jahren. Das ist für so einen Alt68er wie mich doch ganz klar eine wunderbare Entwicklung. Aber wir Männer, so hatten wir das zumindest damals diskutiert, dürfen dabei doch nicht auf der Strecke bleiben. Meine Damen, wir Männer sind ja nicht doofer geworden. Wir haben im Moment nur ein vorübergehendes Orientierungsproblem.
Dabei kommen wir nach der Grundschule noch fifty fifty am Gymnasium an. Daran sieht man ja schon, dass wir Männer auch heute noch könnten, wenn wir wollten.
„Was Sie als Eltern tun können, dass ihr Sohn (ja klar, auch manche Tochter, aber bei den Mädels taucht die Problematik eben wirklich nicht so häufig auf) nicht zu der wachsenden Zahl von intelligenten Schülern gehört, die zwischen der 7. und 9. Klasse die eigene kleine Bildungskatastrophe fabrizieren?“ fragen Sie.
Ich gebe Ihnen eine ganz persönliche Antwort aus der täglichen Praxis eines in die Jahre gekommenen Schulmeisters. „Wenn Ihr Sohn (oder Ihre Tochter) die Gymnasialempfehlung problemlos bekommen hat und Sie es jetzt schaffen, dass Ihre Tochter oder Ihr Sohn Schule ernst nimmt, dann haben Sie gewonnen.“
„Wie bitte? Was soll denn das?“ fragen Sie. „Aber das ist doch klar, dass mein Sohn Schule ernst nimmt. Gymnasium. Höhere Schule. Das nimmt man doch automatisch ernst.“
:-) Bei so manchen Eltern müsste ich jetzt salopp sagen: „Träumen Sie weiter.“
Für die Eltern unserer Nachmittagsschule kann ich ein paar konkrete Anleitungstipps geben. Fragen Sie doch einmal zum Beispiel, ob ihr Sohn Schule so ernst nehmen kann, dass er die Einführungsrunde in der Nachmittagsschule wirklich ohne eigene Späßchen übersteht. Ob er die Zeit bis zur Triangel problemlos aushalten kann. Ob er das ruhige Arbeiten in der Flüsterzeit tatsächlich in Ruhe hinbekommt oder ob der Faktor „kleine Späßchen machen“ ihn einfach immer wieder überfällt. Erfragen Sie es immer wieder. Wir können Ihnen später die Antworten auch aus unserer Sicht geben. Wir halten auch irgendwann einmal einen Flügelverleih-Elternabend ab. Wichtiger wäre es aber, dass Ihr Kind selbst empfinden lernt, ob es in der Lage ist, ohne den Druck der Ermahnung und Strafe ernsthaft bei der Sache zu sein. Es sind genau die offenen Systeme, die es vielen Kindern schwer machen, sich zu konzentrieren. Die etwa in einer Schule der 50er Jahre keine Probleme gehabt hätten, weil die Schule eine strafende Schule war. Die heutige moderne, offene, Selbstständigkeit fordernde Schule ist eine Herausforderung für alle Späßchenkinder, die es in großer Zahl gibt. Die fehlende Ernsthaftigkeit zu vieler Schüler ist für mich das aktuelle Hauptproblem für Schule.
Die Eltern sind in der 5. und 6. Klasse noch der stärkste Einflussfaktor, den man nutzen muss. Ernsthaftigkeit muss über Verstehen im Hirn ankommen. Es muss von jemand vermittelt werden, der selbst hundertprozentig ernst genommen wird. Warum das Problem männlich ist? Das Verhältnis 10 zu 1 würde ich aus der Praxis heraus schätzen, Jungs – Mädchen. Auf 10 Jungen, die „Späßchen machen“ auf ihre Dauerfahnen geschrieben haben, kommt ein Mädchen.
Ja dieses Späßchen machen, das ist eigentlich ganz harmlos anzusehen. Immer ein smartes Lächeln auf den Lippen. Immer mit der Fragestellung im Hinterkopf: Wann spaße ich das nächste Mal wieder ein klein wenig los? „Mama, das war nicht schlimm. Nur ein klein wenig. Es macht so Spaß.“ Die Bühne ist da. Der Applaus sicher. Es belebt das Arbeiten doch so erfrischend. Man hat noch die Grundschulerfahrungen abgespeichert. Man ist doch clever. Und die ersten Noten zeigen ja auch: Man kann sich die Späßchen erlauben. Man zehrt noch von der Grundschule. Die Noten vieler Fünftklass-Späßchenmacher brechen eben erst in zwei, drei Jahren ein. Bis dahin ist der Schulfrust programmiert und dann der Hauptschuldige schnell gefunden. Der Lehrer. Klar. Er schafft es dann in der 7. oder 8. Klasse nicht, die nötige Lust am Lernen zu erzeugen. Von der man doch so häufig liest, dass Schule sie erzeugen können soll, wenn sie eine gute Schule ist.
Das ist übrigens der echte Unterschied zu Ihrer eigenen Schulzeit. Vor 20 Jahren waren 5.Klässler noch nicht von Anfang an so spaßorientiert. Das gewachsene Selbstbewusstsein unserer Kinder, das eigentlich eine positive Entwicklung darstellt, wird hier zum Bumerang. Spaßorientierung ist auch meist ganz süß. Nie böse gemeint. Im Gegenteil. Da steckt viel Witz in der Geschichte. Würden nicht auch andere Schüler durch Späßchen gestört und wäre es nicht die kontinuierliche Grundlage für eine nachhaltige Fehlentwicklung, dann könnte man diese spaßige Grundhaltung sehr positiv sehen. Lebensfreude pur. Was will man mehr. Es ist für manche, als wäre es das Normalste der Welt. Als müsste man immer Unterhalter sein. Fernsehen spielen. Nur, leider, schießt man sich mit diesem Programm Tag für Tag ein Eigentor. Noch haben Sie wirklichen und echten Einfluss als Eltern. Meine Überzeugung: Nutzen Sie ihn kontinuierlich für Ernsthaftigkeits-Werbung. Erzählen Sie ruhig Fakten. Jeder Schülerplatz kostet die Gesellschaft über 10 000 Euro im Jahr. Bei 1000 Stunden, die man in der Schule sitzt, also 10 Euro für jede Unterrichtsstunde. 300 Euro die Woche. Nur für Ihren Sohn (oder für Ihre Tochter). Was die Jungs und Mädels täglich machen, kostet uns alle richtig Geld.
Fragen Sie beim Elternsprechtag die Lehrer deshalb nicht primär nach den Noten. Fragen Sie nach der Ernsthaftigkeit im Lernen. Das ist für mich der entscheidende Aspekt, der die Bildungsgewinner von den Bildungsverlierern unterscheidet. Genau hier haben Sie aber als Eltern auch den entscheidenden Einfluss. Nutzen Sie ihn. Genau jetzt ist die Zeit dazu.
Denn das ist meine entscheidende Behauptung: Für den Großteil der Späßchenmacher ist es im Prinzip schlicht eine Kopfsache, das Späßchenmachen zu lassen. Es ist nur eine heiß geliebte Angewohnheit, die man sich auch wieder abgewöhnen kann.
Lassen sie uns deshalb eine schlichte Erfolgs-Vereinbarung treffen: Sie kümmern sich um die Ernsthaftigkeit, wir kümmern uns um die Ausbildung.

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