Flügelverleih meets Hattie

27. November 2011

12. Woche – den Streber streichen

Abgelegt unter: China — heinz.bayer @ 20:26

Chinesen Das Blatt der Woche

Kommen wir zu einer unsäglichen Tradition, die man dringend verändern muss, weil sie eine der größten Bremsen im Schulgeschäft darstellt. Die Sache mit dem gut sein dürfen und gut sein wollen. Die größte Bremse versteckt sich hinter einem kleinen Wort. “Streber”. Selbst Erwachsene zucken. Ein Streber soll ihr Kind nicht sein. Nur sehr gut in der Schule. Streber will keiner sein, oder? Nur der Beste. Aber es soll einem cool zufliegen. Weiß jemand, wie sich so etwas entwickeln konnte? In einer Leistungsgesellschaft muss Leistung in der Schule verschwiegen werden, ist oft richtig peinlich, wird versteckt. Und erst nach der Schule darf man. Nein, da muss man. Verrückte Welt. Dabei sollen unsere Kids dann später als begnadete Ingenieure das “Made in Germany” zum Wohle aller bitteschön weiter pflegen. Wir haben an unserer Schule einen Schüleraustausch mit Shanghai und Wuhan. Dort versteht man das deutsche Streber aber so was von nicht. Als bei einem Vortrag über das deutsche Schulsystem einmal ein chinesischer Schüler fragte, was denn das Abitur in Deutschland kostet und mein Chef meinte:”nichts!” da war minutenlang ein aufgeregtes Gemurmel unter den sonst sehr aufmerksamen und ruhigen Jugendlichen. Dann ergriff einer das Wort und meinte ganz ernst: ” Dann müssen aber die deutscher Schüler sehr glücklich sein.” Ja schön wäre es, denn dann müsste man als Mathelehrer beim Besuch in China nicht feststellen, dass z.B. die Mathematik der chinesischen 10. Klasse bei uns auch von Abiturienten nicht gebracht wird. Wer seiner Tochter oder seinem Sohn was richtig Tolles schenken will, der arbeitet genau an dieser Sache und versucht, vom Elternhaus aus mitzuhelfen, dass das Wort “Streber” auf den Müll fliegt. Das ist tausendmal wirksamer als jede Nachhilfe. Lehrer haben hier leider nur bedingt Einfluss.

12. März 2011

Tief Luft holen und durch…

Abgelegt unter: China — heinz.bayer @ 00:01

… heißt es in diesen Wochen für die Schule. Abi-Zeit ist schon immer eine Zeit gewesen, in der aus Grund der benötigten Lehrer/innen für die Aufsichten, Erst- und Zeitkorrekturen, die ohne korrekturfreie Tage neben dem Normalbetrieb nicht zu schaffen sind, häufig regulärer Unterricht ausfällt und das einsetzt, was man eigenständiges Arbeiten nennt. Doppeljahrgangsabitur verdoppelt diese Situation.

Theoretisch eine wunderbare Sache. Ein Kollege war vor ein paar Wochen in Shanghai – Lehrerfortbildung. Er war als Fachmann eingeladen worden, um den chinesischen Kolleg/innen neue Unterrichtsformen näherzubringen. Die Chinesen haben schon länger erkannt, dass ihr reines Pauken nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Dass die Kreativität und Eigenständigkeit auf der Strecke bleibt. Auch wenn Shanghai bei der letzten Pisa Studie die bisherigen Dauergewinner um Längen geschlagen hat. Die Chinesen wollen noch mehr. Eigenständiges Arbeiten plus große Ernsthaftigkeit. Wir können Drill und Disziplin nicht als Bildungsbeschleuniger nehmen. Unsere Welt besitzt eine andere Tradition. Wir müssen andere Möglichkeiten finden, die Köpfe der Zukunft so fit zu machen, dass in 20 Jahren dieses „made in germany“ noch immer eine Edelmarke ist, die uns wirtschaftlich wohl bekommt. Dass auch in unserer Enkelgeneration die vielen klugen und kreativen Köpfe den nötigen Biss bekommen, um daraus etwas zu machen. Drill geht bei uns nicht mehr. Zumindest nicht an den öffentlichen Schulen. Also zum Beispiel an den Gymnasien mit Übergangsquoten von 50% in größeren Städten. Es wäre sicher ein großes Erlebnis, wenn man für unsere Schüler/innen eine chinesische Erlebniswoche einführen würde. Eine Woche erleben, wie chinesische Schüler/innen arbeiten. Keine Chance. Winfried Sturm, der Chef unserer Tüftlerschmiede, hat vor kurzem vor einem Auditorium von 600 chinesischen Schüler/innen und 10 deutschen Austauschschüler/innen aus Staufen in Shanghai einen zweistündigen Physikunterricht gehalten. „Die einzigen, die man in den zwei Stunden gehört hat, waren unsere Schüler, die es einfach nicht aushalten konnten, zwei Stunden lang gar nichts zu sagen,“ hat er später schmunzelnd erzählt. Also vergessen Sie den Drill. Wir müssen auf andere Fähigkeiten setzen. Fähigkeiten, die immer mehr Schüler/innen schon besitzen: Ernsthaftigkeit und Eigenständigkeit. Man merkt es allerdings immer nur versteckt. An den Noten, die für die einen jahrelang ohne Probleme immer locker im grünen Bereich einfahren, während ein Teil der Schüler/innen eben genau hier noch massive Aufholprobleme hat. Und diese Probleme im Unterricht so deutlich und auffällig nach außen tragen, dass man durch die vielen Störungen leicht zu dem Eindruck kommt: „Den Schüler/innen von heute fehlt die Ernsthaftigkeit und der Biss. Haben nur Spaß und Entspannung im Kopf.“ Weit gefehlt, liebe Leser/innen. Als Beobachter, der 30 Jahre immer in der ersten Reihe beobachten konnte, behaupte ich: Wenn ich mit der Übergangsquote von vor 30 Jahren arbeiten würde, dann würde ein ganz anderes Bild von Schüler/innen auftauchen. Sie sind ernsthafter geworden. Sie sind eigenständiger geworden. Sie haben die neuen offenen Lernformen wunderbar für sich aufgenommen. Wenn so etwas wie Unterrichtsausfall wegen Doppelabitur entsteht, gibt es ein Vielfaches mehr Schüler/Innen als vor 30 Jahren, die daraus ihre Vorteile ziehen können, die Zeit nutzen und selbstständig studieren. Die nacharbeiten, Vokabeln büffeln, auf Klassenarbeiten lernen, studieren und einfach kontinuierlich Kompetenzen erwerben. Das muss unser Ansatz sein. Diese Ernsthaftigkeit und den eigenständige Antrieb zu stärken, daran gilt es weiter zu arbeiten. Die Schüler/innen ernst nehmen, damit noch mehr diese wichtige Fähigkeit entwickeln. Damit „made in germany“ weiter eine Edelmarke bleiben kann. Ich weiß, liebe mitlesenden Kolleg/innen. Angesichts so mancher Mittelstufenklassen fällt es uns oft schwer, mit diesem Filter Klassen zu betrachten. Eine Klasse mit 32 Schüler/innen, davon ein Viertel noch nicht eigenständig und ernsthaft genug, sind bei offenen pädagogischen Arbeiten eine Herausforderung für Lehrernerven. Zurück zum Drill ist trotzdem nicht der für uns machbare Weg. Von Schüler/innen konsequent Eigenständigkeit einfordern zahlt sich langfristig aus. Auch wenn es vielleicht manchmal schwer fällt, daran zu glauben. Weil ein Viertel unserer Schüler/innen noch nicht in der pädagogischen Neuzeit angekommen sind. Weil sie noch in einem alten System von „Schule ist blöd“ verhaftet sind. Man muss ihnen helfen, umzudenken. Den Blickwinkel zu verändern. Dann ändert sich Schule. Wir versuchen es gerade mit BREAK, für ein paar versetzungsgefährdete junge Mitbürger in diese Richtung zu gehen.

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