Flügelverleih meets Hattie

28. Mai 2011

Flügelverleih und Zertifikate

Abgelegt unter: Flügelverleih — heinz.bayer @ 15:01

Liebe Leserinnen und Leser

Jetzt bin ich auf diesem  Blog doch sehr weit von seinem Ursprung abgedriftet. Vielleicht sollte ich den zwischendurch wieder einmal aktualisieren. Damit Sie als Neuleser/in wissen, wo Sie sich  hier beim Lesen befinden.

Eigentlich ist dieser Blog einfach eine Erzählplattform für Eltern der Schülerinnen und Schüler, die sich am Faust-Gymnasium für die Nachmittagsbetreuung angemeldet haben. Flügelverleih am Faust. Die Grundidee haben wir geklaut, ich gestehe. Die Namensfindung fiel mit dem Wettbewerb Deutscher Schulpreis zusammen. „Dem Lernen Flügel verleihen“ war dort das Wettbewerbsmotto.

Na ja. Im ersten Flügelverleihjahr vor 3 Jahren hieß die Information für die Eltern „Nachmittag am Faust“ und war eine pdf Datei, die wir als Newsletter direkt verschickten. „Machen Sie das bitte weiter“ war die große Bitte vieler Eltern des ersten Nachmittagsschuljahres. So entstand dieser Blog. Weil das Nachmittags-pdf auch häufig kreuz und quer weitergeschickt wurde.

Und so also habe ich mich doch tatsächlich zum echten Blogger entwickelt, der sich einfach traut, hinzusitzen, pädagogisch zu plaudern, auch richtig Spaß daran zu finden und am Ende das Ganze allen Eltern und Interessierten zugänglich zu machen. Und „und“ an den Anfang von Sätzen zu stellen. Meine spezielle Art der Elternarbeit, die an der Schule nebenbei auch zu meinen Aufgabenfeldern gehört. Elternarbeit mit der Kaffeetasse im Garten am Laptop. Schade dass das mein Deutschlehrer nicht mehr  erleben durfte. Inhalt war schon immer ok. Aber mit meinem Stil, da konnte ich leider in der Schule nie punkten.  Und „und“ am Anfang von Sätzen fand er zum Haare ausraufen.

Na ja. Zurück zum Flügelverleih. Dessen Konzept hat sich als sehr leistungsstark erwiesen. Zumindest scheint unser Ruf so gut zu sein, dass sich für das nächste Schuljahr der Großteil der Fünfer schon mal angemeldet hat . Die Coachs sind auch richtig gut geworden. Wir gehen jetzt schon an die Bewerbungen für das nächste Jahr. Jeder Coach muss eine schriftliche Bewerbung abgeben und dann ein Bewerbungsgespräch führen. Wenn er am Ende genommen wird, gibt es einen Vertrag für ein Jahr. Coach wird man ab Klasse 9.

Den Ablauf der Betreuung werden wir auch im nächsten Schuljahr beibehalten. Zwischen 13 Uhr und 13 Uhr 45 ist Spieleverleih. Auch da sitzen schon immer 2 Coachs, die für die Kinder Anlaufstelle sind. Und dann, Punkt 13 Uhr 45: „Aaaaanfangsruuuuunde!!!!“ Spiele für die alle Kinder im Vorraum. Klassen- und stufenübergreifend. Und für die die Betreuer: Coachbesprechung in einem Klassenzimmer. Was so ansteht. Auf was man Wert legen muss. Was letzte Woche war, was man sich vornehmen sollte, wo es Probleme gibt, wer welches Zusatzprogramm anbietet. Es sind immer mindestens zwei Lehrer/innen bzw die Sozialarbeiterin dabei. Unsere Sozialarbeiterin eigentlich immer. Kontinuität ist wichtig. Die Angebote in der Zusatzzeit werden von den Coachs mitgeteilt, bevor die Schüler/innen zum Hausaufgaben machen in die 5 Klassenzimmer gehen, in denen die Coachs sie dann schon erwarten. „Flüsterzeit“ nennen wir die Zeit, in der die Hausaufgaben möglichst konzentriert gemacht werden sollen. Dass das Flüstern eine echte Herausforderung ist, das wissen alle. Aber trotzdem: es ist eigentlich wirklich meist recht leise, das muss man schon sagen und den Coachs hier einmal Respekt zollen. Da arbeiten immerhin in einem eigenen jungen Kollegium 70 zukünftige Sozialarbeiter/innen, Lehrer/innen usw. immer zwei pro Zimmer. Immer in derselben Tagesbesetzung. So entstehen natürlich echte Netzwerke für die Fünft- und Sechsklässler. Frühestens ab 14  Uhr 45 beginnt die Zusatzzeit. Das ist natürlich für unsere Flügelverleihkinder der wichtigste Teil des Flügelverleih-Nachmittags. Ist ja auch nur menschlich. Dass das Vergnügen nach der Arbeit was Wunderbares ist. Na ja und um 15 Uhr 20 ist dann Abschlussrunde, in der mit einem ganz eigenen Ritual alle Coachs das Arbeitsverhalten der Schüler von diesem Nachmittag rückmelden. Im Moment  schreibe ich übrigens auch mal wieder Zertifikate für die Abiturient/innen. In der Zwischenzeit richtig wichtig für Bewerbungen. Das liest sich dann etwa so:

….. „Petra Mustermann“ gehört als Lerncoach zum Kreis der Aktiven am Faust. Etwa 70 Lerncoachs arbeiten z.Zt. am Faust-Gymnasium in der faustspezifischen Nachmittagsschule, genannt Flügelverleih, bei der Hausaufgabenbetreuung und bei den Zusatzangeboten. „Dem Lernen Flügel verleihen“ lautet das Motto. Die Idee: Die zukünftigen Sozialarbeiter/innen, Lehrer/innen, Ausbildner/innen, Professor/innen etc mit ihren Fähigkeiten schon früh in die Schule einzubinden. Zum Vorteil beider Seiten. Der Erfolg gibt uns recht. Wir haben am Faust-Gymnasium ein exklusives, zusätzliches, junges Schülerkollegium, das mit eigenen Arbeitsverträgen und mindestens 3 pädagogischen Tagen im Jahr hochwertige Arbeit macht. „Petra“ gehörte zu diesem Kollegium. Ohne aktive Schülerinnen wie „Petra Mustermann“ wäre das Konzept des Flügelverleihs nicht umsetzbar. Wir bescheinigen ihr mit diesem Zertifikat Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit, Einfühlungsvermögen, Ideenreichtum bei der Betreuung junger Menschen und einen äußerst angenehmen und positiven Umgang mit jüngeren Schüler/innen. Also Coach hat sie eine zuverlässige und professionelle Arbeit gemacht……

21. Mai 2011

Spinde in den Klassenzimmern oder „Spind er jetzt?“

Abgelegt unter: Fünferhaus — heinz.bayer @ 09:00

An Hand unserer Spinde im Fünferhaus kann man die Philosophie des freien Unternehmertums in der Faust-Pädagogik gut erklären.

Da hatten wir ja einfach die Idee, in unserem in die Jahre gekommenen Pavillon mit den fünf Klassenzimmern, in dem wir schon zwei Jahre lang unseren Flügelverleih abgehalten haben, die neuen Fünftklässler unterzubringen.

„Aber bei den Tischen und den Wänden eigentlich undenkbar“, sagten wir – „wenn man nicht selbst Hand anlegt. Farbe ins Spiel bringt.“ Aber Farbe kostet. Und die Idee, dass jede Schülerin und jeder Schüler den eigenen Spind im Klassenzimmer hat, kostet noch mehr. Und sich finanziell selbst ins Spiel zu bringen, ist eigentlich im System nicht vorgesehen.

Die normalen Rituale, wann, wo, wie renoviert wird, sind klar nach Zeiträumen eingeteilt. Über die Abfolge: Diskussionen, Schwerpunktsetzung, Abstimmen, Antrag stellen, Warten, irgendwann offizielle Zustimmung, wieder Warten. Und in einigen Jahren dann die Umsetzungsphase. Vielleicht ist dann die Hälfte der Leute, die am Anfang Feuer und Flamme waren, pensioniert und die andere Hälfte nicht mehr Feuer und Flamme.

Unsere eigene Umsetzungsidee in Sachen Fünferhaus sah vollkommen anders aus. Man kann natürlich die Eltern nicht dazu verdonnern, 50 Euro für einen Spind hinzulegen. Das darf man nicht. Klar. Lernmittelfreiheit. 150 Euro Landschulheim, 350 Euro Studienfahrt. Das schon. Aber 50 Euro für einen Spind. Nicht vorgesehen. „Leider“, sagen wir uns, denn so ein Spind für jedes Kind im Fünferhaus hat so viele Vorteile. Die ich jetzt aber nicht diskutieren will. Ich will erzählen, wie wir die Sache trotzdem zeitnah und direkt finanziert haben. Solange es noch bei allen brennt und noch nicht die Hälfte in Pension gegangen ist.

Der Faust-Geschäftsidee: Man vermietet den Eltern für einen Euro im Monat einen Spind für ihr Kind. Also 12 Euro im Jahr. Das ist völlig im Rahmen. Damit man den Spind aber bauen kann, braucht man 50 Euro. Also leiht man sich die restlichen 38 Euro bei denselben Eltern, die 50 Euro freiwillig einzahlen. Freiwillig wohlgemerkt. Muss sein. Diese 38 Euro verzinst man mit über 5% und zahlt dann, wenn man im nächsten Jahr die nächsten Eltern mit derselben freiwilligen Spind-Finanzierungsidee konfrontiert, die 40 Euro für die jetzigen Eltern zurück. Also 10 Euro freiwillig eingesammelt, inzwischen eigentlich von allen Eltern, denn der Kultfaktor einer Türe, die man nach der 5. Klasse in die 6. Klasse für die dortigen Spinde mitnimmt, dann in die 7. Klasse – so lange werden wir Spinde weiter bauen – um diese Kulttüren dann – in der 5. Klasse liebevoll angemalt- mit den Unterschriften der Lehrer/innen und Mitschüler/innen versehen, die dann einfach die totale bunte Schulerinnerung darstellen – in der eigenen Studentenbude stolz an die Wand zu hängen, diesem Werbesog konnte sich kaum jemand entziehen. Denn es ist ja keine heiße Luft, sondern echter wundervoller Kult. Sorry, ich weiß, meine Sätze. Mein Deutschlehrer hat die Länge immer bemängelt.

So finanziert man innerhalb von 3 Jahren ganz spezielle Spinde Marke Eigenbau. Mit verkauften Kult DVDs und einem eigenen Fünferhaus-Jahrbuch soll aber die Finanzierung schneller von statten gehen. Und – das finden wir – wir haben wirklich viel zu bieten. Erinnerungen dieser Art sind lebenswertvoll und nicht wichtig genug einzuschätzen.

Das hört sich für den normalen schulischen Antragsteller natürlich sehr seltsam an. Schule ist nicht für das freie Unternehmertum eingerichtet. Aber man könnte es einrichten. Und wenn die Politik es schaffen würde, diese Form des selbstständig Verdienens aus der halblegalgrauen Zone in eine pädagogisch zentrale positive Position zu rücken, dann hätten sie viele Fliegen mit einer Klappe erschlagen. Wollte ich nur mal erwähnt haben. Immerhin habe ich den Koalitionsvertrag aufmerksam gelesen. „“Wir setzen auf die Innovationskraft der Schulentwicklung von unten.“ Das höre ich doch sehr gerne.

13. Mai 2011

Bilderläuterungen der letzten Woche

Abgelegt unter: Schulpolitik — heinz.bayer @ 10:16

Ach ja.

Diese Schulentwicklung. „Individuelle Förderung zählt zu ihren Leitmotiven.“ sagt man sich über unsere neue Kultusministerin. GWL. Gabriele Warminski-Leitheußer. Wer in über 30 Jahren Schuldienst viele neue Kultusminister/innen erlebt hat, ist natürlich äußerst gespannt. Zum ersten Mal im Berufsleben eine grün-rote Chefetage. Spannend.  Man drückt sich selbst und seinem Kollegium natürlich die Daumen, dass sich das Leitmotiv der Ministerin auch auf die Schulen selbst auswirkt. Was in allererster Linie auch Zeit bedeutet, die die Schulen brauchen, um sich ernsthaft zu entwickeln. Schule ist ein hochkomplexes Gebilde. Individuell heißt dann auch noch, dass es nicht nur Entwicklungen sein dürfen, die man politisch gut verkaufen kann, sondern Entwicklungen, die zu einem Kollegium passen. Denn eine wirklich gute Schulentwicklung wird immer nur mit einem Kollegium gemacht, das diese auch gut mittragen kann. Luftschlösser, die zwar gut aussehen, aber nicht zu den individuellen Fähigkeiten eines Kollegiums passen, sind nicht sehr wirkungsvoll. Außer für die Politik als Aushängeschild. Für das Faust würde ich mir wünschen, dass Projekte wie das Fünferhaus oder der Flügelverleih problemlos weiterexistieren könnten. Je erfolgreicher man arbeitet, je mehr Schüler/innen man in Schulprojekte einbeziehen kann, desto mehr Deputate müssten zur Verfügung gestellt werden. Individuelle Förderung von Schulen. Das spornt an. Kein Gießkannenprinzip der sowieso klammen Haushaltskassen. Wer es im Rahmen der Ganztagesschuldiskussion schafft, funktionierende Ideen in den eigenen Lebensraum Schule einzubringen, der benötigt Zeit dafür. Funktionierende Schule bedeutet sehr, sehr  viel Beziehungsarbeit. Also Zeit. Also Deputate, die ja zum Teil jetzt nach dem Doppeljahrgang frei werden, wenn man sie nicht gleich wieder einpackt. Was mit den notwendigen Deputatsstunden alles auf die Beine gestellt werden kann, speziell, wenn man sich wie beim Flügelverleih wie eine kleine selbstfinanzierende Schule in der Schule versteht, das kann man hier bei uns besichtigen. Im Juli kommen wie in jedem Jahr wieder alle frischgebackenen Schuldirektoren aus Baselland einen Tag ans Faust, um sich dies vor Ort anzusehen. Drücken wir uns also einfach die Daumen, dass sich solche Bedingungen, wie wir sie im Moment im Flügelverleih haben, auch andere Schulen zu eigen machen dürfen, wenn man sie sich individuell entwickeln und ihnen dabei die notwendige individuelle Förderung zukommen lässt. Und dass wir uns am Faust so weiterentwickeln dürfen wie bisher. Individuell eben.

Man müsse „nur den Betondeckel heben und Kreativität zulassen“ ist ein schöner Satz von der Frau Ministerin. Wir sind sehr gespannt.

6. Mai 2011

Darf man träumen, Frau Ministerin?

Abgelegt unter: Schulpolitik — heinz.bayer @ 08:52

Liebe Frau Ministerin

Wenn jemand fast ein Vierteljahrhundert Vertrauenslehrer war und nun seit fast 10 Jahren Schulentwicklungsverantwortlicher eines handelsüblichen großen Landgymnasiums in Baden-Württemberg ist, der G8 von Anfang an bewusst mitbegleitet hat und jetzt dem Doppeljahrgang am Faust bald zu einem erfolgreichen Abitur gratulieren darf, sollte er sich vielleicht doch am Anfang einer sicher spannenden neuen Runde mit einer neuen Regierung über seinen eigenen Berufsbereich träumend Gedanken machen dürfen. Im Traum darf man ja immerhin solche Dinge hoffen, dass eine Kultusministerin in Sachen Bildung Wege denkt, die man selbst aus der Praxis heraus für wirklich erfolgreich hält.

Ich werde die nächsten Blogs diesen Träumen eines südbadischen Studiendirektors widmen und heute schon einmal die Kapitel für Sie, Frau Ministerin, bildlich “vorabdrucken”. Wenn man denkt, dass man sagt, dass man mit 7 “Ich-kenn-da-einen-der-kennt-einen”-Schritten jeden Menschen auf diesem Planeten erreichen kann, dann kommt so ein Blog ja vielleicht mit zufälligen 7 Mausklicks doch auch bei Ihnen an. Jetzt hier aber einfach einmal die wilden Träumereien in Bildern.

Ach wäre das schön, wenn die baden-württembergische Schulentwicklungsanlage einmal anders aussehen könnte und nicht immer nur auf die Außenwirkung achten müsste. ( Das Bild auf groß geklickt wird lesbarer)

Man stelle sich einmal den Wahnsinn vor, Schulen könnten sich in einer komfortablen Nährlösung individuell entwickeln.

und man käme in Stuttgart tatsächlich auf die wundervolle Idee, die Schulentwicklung wirklich vielfältig zuzulassen und die Schlösser zusammen mit den Menschen, die darin leben, groß werden zu lassen.

und an Schulen könnten in Ruhe und mit Bedacht aus starren Felsblöcken wundervolle Sandburgen werden. ( Übrigens ein Bild, das ich vor 15 Jahren für eine Fortbildung in Würzburg gezeichnet habe. Die innere Entwicklung am Faust der letzten 15 Jahre empfinde ich tatsächlich so. Nicht die, die durch die unermüdliche Schulentwicklungsanlage von außen kam.)

Und man würde sich immer ganz genau überlegen, an welchen Stellen man Geld in die Zukunft investiert.

Und dann stelle man sich einmal vor, dass Schulen aus dem üblichen steuerlichen Vorschriften herausgenommen würden und man anstatt irgendwie immer in Grauzonen ganz offiziell für die Schule und bunte Projekte selbst Geld verdienen dürfte – es gibt so viele Entwicklungsmöglichkeiten, die man damit lostreten könnte. Um das zu erfahren, kommen jedes Jahr die frischgebackenen Schweizer Direktoren aus Baselland innerhalb einer Pflicht-Vorbereitungsfortbildung für ihr neues Ausgabenfeld nach Staufen, um sich die vielfältigen pädagogischen Auswirkungen einer solchen inneren Schulpolitik vor Ort zeigen zu lassen. Dieses Jahr mal wieder im Juli.

Ach ja, Frau Ministerin. Was ist Träumen doch schön. 4 Jahre bin ich schon noch dabei. Und ich bin äußerst gespannt, was ich in dieser Zeit über Ihre Politik alles so schreiben darf. Ich drücke Ihnen und uns an der Schulbasis ganz doll die Daumen.

Ihr Heinz Bayer

Powered by WordPress ( WordPress Deutschland )