Flügelverleih meets Hattie

30. September 2011

4. Woche – Zeitmanagement

Abgelegt unter: Elterncoaching, Pädagogisches — heinz.bayer @ 19:30

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Liebe Mamas und Papas

Manchmal träumt man als Lehrer davon, dass die Mamas und Papas, die bei Elternabenden vom Untericht erzählen, als würden Sie immer mit drinsitzen, Mäuschen spielen dürften. Klammheimlich die morgendlichen Stories in echt ansehen, die dann am Mittagstisch durch einen wundervollen Filter erzählt werden. Über eines würden Sie sich total wundern: Wie viel Zeit viele Ihrer Kinder einfach  verschenken, indem sie Späßchen machen in einer Schule, die viel entspannter und liberaler geworden ist, seit Sie sie verlassen haben. Die Geschichten, die Sie zu hören bekommen, sind aber meist immer noch so, dass Sie denken, die Schule hätte sich ja überhaupt nicht geändert. Ein großer Trugschluss. Und die Reaktion: Die kleine Ohmacht, die Sie vielleicht seit Ihrer eigenen Schulzeit mit sich herumschleppen, bricht schlagartig aus und rebelliert. Deshalb: Bitte, bevor Sie sich über Schule aufregen: Bei den Lehrern nachfragen. Und prinzipiell immer auf ein gutes Zeitmanagement hinarbeiten. Denn die Erfahrung mit unseren Schüler/innen heißt: Der Späßchenfaktor im Unterricht ist für manche Schüler ein wesentlicher Faktor geworden, der ihnen Zeit raubt. Nein, vergessen Sie es: Kein Vergleich zu Ihrer eigenen Schulzeit. Sagen Sie nie den Satz: “Das war bei mir auch so”.  Die Zeiten haben sich sowas von verändert, dass dieser Satz einfach falsch ist. Also lassen Sie ihn stecken. Ihr Kind muss die Sache wirklich selbst machen – in einer vollkommen anderen Zeit wie der Ihren. Und es macht dies auch.

23. September 2011

3. Woche – Kann Ihr Kind zuhören?

Abgelegt unter: Zuhören — heinz.bayer @ 07:43

Hier erst einmal Seite drei des Hausaufgabenheftes als pdf: Zuhören können

Wir schreiben die 3. Woche in der fünften Klasse. Wenn man bei den ersten Elternabenden einzelne Eltern über den eigenen Unterricht befragt, dann hat man schnell den Eindruck, man hört sich mindest 10 verschiedene Geschichten an, die nichts miteinander zu tun haben. Die von unterschiedlichsten Lehrern erzählen. Das ist ganz logisch, weil wir Menschen sehr individuell wahrnehmen. Deshalb werden Sie bei der Frage, wie Ihre Tochter oder Ihr Sohn im Unterricht aufpassen kann und wie sie bzw. er es denn schafft, seinen Mitschüler/innen zuzuhören, sicher in den allermeisten Fällen beruhigt hören, dass Ihr Kind das natürlich gut kann. Leider ist das in der Praxis sehr häufig überhaupt nicht so. Auch wenn Ihr Kind diesen Eindruck hat. Deshalb: Nehmen Sie sich diese Woche die Zeit, das Thema zu vertiefen. Es wäre für viele Kinder so einfach, Schule gut zu machen, wenn sie Mitschüler/innen zuhören könnten und nicht nur dem Lehrer. Reden Sie über komplexe Lernprozesse, die dauernd passieren, wenn der Kopf sich mit einem Thema beschäftigt. Schauen Sie sich doch zusammen das Filmchen an, das ich dazu gezeichnet habe. Seit 15 Jahren kritzle ich Visualisierungen auf Blätter, wenn ich Schüler berate, wie sie ihre Schulprobleme lösen. Die Erkenntnis: Alle, die ernsthaft ein Interesse daran haben, selbst Schulprobleme zu lösen bzw. gar nicht aufkommen zu lassen, können dies mit Visualisierungen viel einfacher. Schon von der fünften Klasse an. Denn es geht bei Veränderungen ja um länger dauernde Prozesse. Bilder, die man über den Schreibtisch hängt oder täglich im Hausaufgabenheft sieht und die man bei jedem Betrachten schnell versteht, wenn man den Sinn des Bildes einmal kapiert hat, wiederholt man damit wie beim Vokabellernen und kann Vorsätze besser umsetzen.

Die Zeit, die Sie hier investieren, kommt übrigens Ihren Nerven in zwei, drei Jahren sehr zugute, wenn ich das mal so salopp sagen darf.

Und hier noch der Link zum Visualisierungs-Filmchen.

17. September 2011

2. Woche – Vorne auf der Welle

Abgelegt unter: Ernst nehmen — heinz.bayer @ 05:45

Darf ich Ihnen zur  Beschreibung der „Vorne auf der Welle“- Visualisierung eine Geschichte erzählen? Es ist viele Jahre her. Ich war junger Vertrauenslehrer, immer vermittelnd zwischen Schülern und Lehrern, wenn es Probleme gab. Und natürlich gibt es an Schulen in unserer Größe dauernd irgendwelche Verständigungsprobleme. Eines Tages kamen in der Pause zwei Siebtklässlerinnen – völlig aufgelöst – zu mir. Ihre Mathelehrerin sei fruchtbar zu ihnen. Sie würden geschnitten, kämen nie dran, obwohl sie immer streckten, schrieben nur schlechte Noten, würden unfair behandelt. Die Kollegin habe einfach Lieblingsschüler und sie gehörten nicht dazu. Und so weiter und so weiter. Kurzum: Echter Handlungsbedarf für einen Vertrauenslehrer. „Ich rede mit Frau P“ versprach ich. „ Könnt ihr in zwei Wochen wieder vorbeikommen, dann schauen wir mal, ob mein Gespräch etwas gebracht hat.“ Als die beiden nach zwei Wochen auf mich zukamen, war’s mir ziemlich peinlich. Ich hatte das Gespräch mit der Kollegin total verschwitzt. Fragte aber erst einmal, ohne mich zu outen: „Und, wie geht es inzwischen?“ „Ach Herr Bayer. Alles ist gut. Frau P nimmt uns jetzt ganz oft dran, ist freundlich zu uns und wir haben in der letzten Arbeit beide eine Zwei geschrieben. Man merkt es so, dass Sie mit Frau P gesprochen haben.“ Das was es also: Mein pädagogisches Aha Erlebnis als junger Lehrer. Ich verabschiedete mich damals mit guten Wünschen und dem Versprechen, wenn es wieder schlechter würde, immer für die beiden da zu sein. Sie kamen nie mehr. Als ich Kollegin P nach diesem Ereignis befragte, ob sie bei den beiden Schülerinnen in letzter Zeit etwas bemerkt hätte, erzählte sie, wie die beiden von einem Tag auf den anderen wie umgewandelt gewesen wären. Freundlich und aufgeschlossen. Sie würden jetzt plötzlich mitarbeiten und beide hätten schon eine richtig gute Note in der letzten Arbeit geschrieben. That’s it. Den Schalter umlegen. Die Blickrichtung ändern.

Ja, diese Geschichte habe ich schon oft erzählt. Sie ist für mich Ausdruck von „Vorne auf der Welle stehen“. Nur mit der Gewissheit ausgestattet, dass ich mit ihrer Lehrerin gesprochen hatte, erlebten zwei Schülerinnen denselben Unterricht mit ganz anderen Augen. Der Mandelkern hatte da auf Hippocampus umgeschaltet, würde ich heute sagen. Die beiden stellten sich positiv vorne auf die Welle und konnten ihre Fähigkeiten entspannt ins Spiel bringen. Na ja: Und seit damals betreue ich Schüler/innen in erster Linie erfolgreich genau mit diesem Ansatz, sich selbst zu helfen, den Blickwinkel zu ändern, Schule positiv zu sehen und vorne auf die Welle zu klettern. Den beiden Schülerinnen habe ich meine Vergesslichkeit übrigens erst beim Abitur gebeichtet. Mathe Leistungskurs. 12 und 13 Punkte. Wir haben herzlich gelacht.

Hier die Seite zwei als pdf zum Download

02 Vorne auf der Welle

10. September 2011

1. Woche – Hippocampus

Abgelegt unter: Gehirn — heinz.bayer @ 10:43

Sie hätten gerne, dass Ihre Tochter oder Ihr Sohn schon gleich in der 5. Klasse den richtigen Start findet? Kein Problem, sage ich Ihnen ….. nur…! Na ja. Dieses „nur“ ist leider oftmals so gewaltig, dass dieser Start eben doch ein Problem ist. Stellen Sie sich vor, Ihr Sohn (oder Ihre Tochter) besitzt ein Kinder-Dreirad und ein Rennrad mit 21 Gängen. Und er steigt auf das Dreirad, um an einem Rennen teilzunehmen, das er gewinnen will. Nur hat man ganz vergessen, ihm zu sagen, dass er mit dem Rennrad viel leichter und extrem viel schneller ans Ziel kommt. Unterstützen Sie mit solchen Beispielen bei Ihrem Kind unser Bemühen, diese verrückte Lern-Geschichte, bei der unser Hirn entweder mit dem Dreirad oder dem Rennrad losdüst, auf Rennrad zu setzen. Nicht Mandelkern, sondern Hippocampus. Den richtigen Gehirnbereich einsetzen. Ja, so ist das tatsächlich. Wer es schafft, sein Gehirn davon zu überzeugen, dass das, was man da gerade macht, richtig toll ist– zum Beispiel mathematische Kompetenzen erwerben – der lernt im richtigen Gehirnbereich leichter, schneller und nachhaltiger. Wer einer unter Kids weit verbreiteten Mär nachhängt, dass Arbeiten blöd, Streber sein das Letzte und Schule ein Ort ist, an dem junge, lustige Menschen von doofen Lehrern mit schlechten Noten gequält werden, der fährt Dreirad. Ist Mandelkernarbeiter. Man sollte wissen, dass ein Gehirn in etwa so funktioniert. Wenn es die Gehirnforscher schon herausgefunden haben, sollte man es als Schüler/in auch anwenden können. Welcher Spitzensportler ignoriert schon Forschungsergebnisse, die ihn leistungsfähiger machen.

Und bitte machen sie von Anfang an nicht den Elternstandardfehler Nummer eins: Wenn es nicht klappt mit der Begeisterung, dann kann der Lehrer eben schlecht motivieren. Deckel zu. Schuldiger gefunden. Seien Sie Realist: Ihre Tochter bzw Ihr Sohn ist der Hauptakteur. Die Lehrer müssen gedanklich möglichst eine Nebenrolle spielen. Dann ist der Schulerfolg am größten. Und wenn der Lehrers seine „Nebenrolle“ toll spielt – die allermeisten machen das übrigens auch – dann freuen Sie sich. Klar doch. Erläutern Sie Ihrem Sohn oder Ihrer Tochter die Hippocampus Geschichte vielleicht mit dem 1. Filmchen auf www.maennerrevolte.de

Und sagen Sie Oma und Opa, Sie könnten sich gerne unter www.opakoffer.de mit einklinken. Und sie könnten eventuell einen ungewöhnlichen Beitrag für die Bildung ihres Enkelkindes leisten.

01 Hippocampus die Seite als pdf

2. September 2011

Schülerschule die zweite

Abgelegt unter: Schülerschule — heinz.bayer @ 22:27

Im nächsten Jahr starten wir am Faust einen weiteren Neulandversuch.

Da wir zu viele Bewerbungen (über 70 aus den Klassen 9 bis 12) für unsere Nachmittagsschule haben, coachseits, werden wir ein individualisiertes Zusatzprogramm auflegen. Fachmodule durch Coachs anbieten. Ich wieder hole noch einmal die Vision aus dem Jahre 2008:

Was uns bei Unterstützung vorschwebt, ist auch die Möglichkeit, von der einstündigen Mittagspause 30 Minuten schulischen Unterstützungs-Angeboten anzubieten. Raum 301 Wurzelrechnen, Raum 302 Integrieren leicht gemacht … Schüler für Schüler. Warum nicht. Schätze heben sage ich nur. An so einer Schule liegt so viel nutzbares Wissen brach. Oder Buchungsangebote: Ein Teil einer Klasse bucht sich einen Coach zum Thema „Planetarisches Wind­system“, weil in zwei Tagen in Geographie eine Arbeit ansteht. Ich will die Möglichkeiten hier nur anreißen. Will einfach nur zeigen: Schülerschule ist extrem entwicklungsfähig, wenn es reguläre finanzielle Unterstützungssysteme gäbe. Von Eltern bezahlte haben eine viel kleinere Wirkung.

Fazit: Wir könnten mit dem gleichen Kostenaufwand eine wesentlich effektivere Ganztagesbetreuung gestalten wie mit den offiziell angedachten Konzepten.

Diese damals angedachten Spezialkurse können wir inzwischen tatsächlich auch bezahlen, die Kurse werden wir natürlich auch am Nachmittag auflegen. Ein flexibles Kurznachhilfesystem, das man individuell buchen kann. Und auch einer Ferienschule kommen wir mit diesem System näher. Im nächsten Schuljahr werden wir es mit unserem jungen Kollegium der Nachmittagsschule durchsprechen, wer sich dafür bereitfinden würde. Immerhin sind die Räumlichkeiten da. Für so manchen wäre das sicher eine sinnvollere Lösung als das leidige Sitzenbleiben. Die Idee, die dahinter steckt, heißt natürlich: Unsere Sitzenbleiberquote, die wir mit den individuellen Betreuungssystemen in den letzten Jahren sowieso massiv heruntergefahren haben, noch weiter abzusenken.

Kombiniert muss das Ganze weiter durch eine individuelle Laufbahnberatung werden, denn der Weg am allgemeinbildenden Gymnasium ist einfach nicht für jeden der richtige, auch wenn es vielleicht am Anfang ganz gut ausgesehen hat. Es gibt so viele andere Wege zum Abitur, dass man oft nur richtig informieren muss, um die besseren Weichen zu stellen.

Die Feinheiten des Schüler-wirklich-ernst-nehmen-Systems habe ich im ersten Schweizermesserbuch zur Genüge beschrieben. Es gilt für die außerunterrichtliche Schülerschule wie für die, an der wir mit dem Flügelverleih und dem Zusatzcoaching bauen. Der große Vorteil, mit einem so jungen und dynamischen Kollegium abreiten zu können, liegt in einem nicht zu unterschätzenden Nebeneffekt. Wenn 10% der Schüler/innen aus den Klassen 9 bis 12 als „Lehrer“ selbst lehren, dann entsteht ein breiteres Verständnis für Schule an sich. Wer selbst regelmäßig Lehrerprobleme kennenlernt, nimmt Schule ernsthafter an. Wir beobachten automatische Leistungssteigerungen bei unseren Coachs im schulischen Bereich. Coachen steigert die eigene Arbeitshaltung und damit die eigenen Schulleistungen. Klare Sache. Zertifikate am Ende des Schuljahres stärken diese Entwicklung.

DIE ZENTRALEN AUSSAGEN DES KONZEPTS DER FAUSTEAMS

Studioteam, Podcastteam, Programmierteam, Schülerbüro-Team, Patenteams, Aktionsteams, OpenAirTeam, Sprecherteams, Lerncoachteam,  … sind aktuelle eigenständige Schülerteams am Faust-Gymnasium innerhalb des Gesamtkonzepts „fausteams“. Sie bauen auf Eigeninitiative, Eigenverantwortung und die speziellen Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler, die momentan auf der Schule sind.

„3% eines Jahrgangs sind innerhalb der Schule hochaktiv, wenn man ihnen eigenverantwortlich die Möglichkeit dazu gibt. Mit dem persönlichen Umfeld werden daraus 10% Aktive. Und 10% Aktive können das Bild einer Schule wesentlich verändern, wenn man dies zulässt.“ So unsere zentralen Konzeptaussagen, die im Rahmen des anerkannten dezentrales EXPO2000 Projekt „Schülerschule“ veröffentlicht wurden. Sie gelten immer noch.

…. gehörte als Lerncoach zum Kreis der Aktiven am Faust.

Etwa 70 Lerncoachs arbeiten z.Zt. am Faust-Gymnasium in der faustspezifischen Nachmittagsschule, genannt Flügelverleih, bei der Hausaufgabenbetreuung und bei den Zusatzangeboten. „Dem Lernen Flügel verleihen“ lautet das Motto.

Die Idee: Die zukünftigen Sozialarbeiter/innen, Lehrer/innen, Ausbildner/innen, Professor/innen etc mit ihren Fähigkeiten schon früh in die Schule einzubinden. Zum Vorteil beider Seiten. Der Erfolg gibt uns recht. Wir haben am Faust-Gymnasium ein exklusives, zusätzliches, junges Schülerkollegium, das mit eigenen Arbeitsverträgen und mindestens 3 pädagogischen Tagen im Jahr hochwertige Arbeit macht.

….. gehörte zu diesem Kollegium.

Ohne Aktive wie …. wäre das Konzept des Flügelverleihs nicht umsetzbar.

Wir bescheinigen ihm mit diesem Zertifikat Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit,

Einfühlungsvermögen, Ideenreichtum bei der Betreuung junger Menschen und einen äußerst angenehmen und positiven Umgang mit jüngeren Schüler/innen.

Also Coach hat …. eine zuverlässige und professionelle Arbeit gemacht.

Mit unserem Coachssystem haben wir es inzwischen fertiggebracht, einen noch größeren Anteil unserer Schüler in den Aktivbereich der Schule zu holen. Zum Vorteil für beide Seiten.

Visionen am Ende:

Dieses pädagogische Schweizermesser wird viel kürzer als das erste. Weil es eigentlich nur, aufbauend auf der Nummer 1, die aktuelle Optimierung des pädagogischen Betriebs- und Betreuungssystems am Faust der letzten 4 Jahre beschreibt.

Zwei Visionen würde ich auch hier gerne an den Schluss packen.

Erstens: Ein Appell an die Politik: Lasst Schulen auch nebenbei ihr eigenes Geld verdienen, ohne ihnen immer lästige Steine in den Weg zu legen und aktive Schulen zu schwarzen Kassen zu zwingen. Was bitteschön spricht denn zum Beispiel gegen eine kreative eigene Finanzierung von Spinden, die in den nächsten Jahren nicht so einfach in den Haushalt passen. Dafür ins aktuelle pädagogische Konzept. Das kommt allen zu Gute, aktiviert ungemein und macht wirklich Sinn. Vielleicht liest das ja zufällig mal ein Finanzpolitiker, der das auf politisch relevanter Ebene vertreten könnte. Wir könnten ihm viele funktionierende Beispiele aus der Praxis liefern.

Zweitens:

Da wird es schon viel schwieriger. Aber vielleicht ergibt sich ja etwas mit der aktuellen Ansage der neuen Regierung in BW, dass G8 und G9 an Schulen parallel laufen darf, wenn man dies vor Ort auch will. Ich deute die Idee A einfach nur kurz mit zwei Bildern an: Bild Nummer eins: Schon bei Fünfklässlern tauchen in gehäufter Zahl junge Menschen an den Gymnasien auf, deren Arbeitshaltung darauf schließen lässt, dass sie mit den offenen Systemen der modernen Unterrichts nicht gut bedient sind. Zum Großteil sind diese jungen Menschen männlich. Könnte man mit dem Fünftel mit den schlechtesten Arbeitshaltungszeugnissen aus unserer fünf fünften Klassen eine extra Klasse bilden, die viel enger geführt wäre, der viel klarere Grenzen aufgezeigt würde und in der man sich besser auf die überwiegend männliche Klientel einstellen könnte, dann wäre allen gedient. Den übrigen vier Klassen, die viel effektiver und ungestörter arbeiten könnten. Und der Spezialklasse zur Förderung einer verbesserten Arbeitshaltung und späteren Wiedereingliederung in das laufende offene System. Ende 6 wäre ein gute Möglichkeit. Die Schwierigkeit bestünde nur in der Gefahr der Stigmatisierung der Spezialklasse, der  man früh entgegenhalten müsste. Finanziell dürfe da Ganze nicht mehr Deputatsstunden verschlingen als eine zusätzliche G9 Schiene an einer G8 Schule, wie es ja von der Regierung in BW angedacht ist.

Oder wie wäre es damit: Idee B. Wenn schon G8 und G9 parallel, dann so:

Man bietet am Gymnasium von Anfang an 2 Züge an. G8 und G9. Diese Züge kommen wieder zusammen, wenn alle in die 8. Klasse wechseln. G9 macht 5, 6 und 7 in 4 Jahren. Also für G8 die dicke Packung Schule in den ersten 3 Jahren vor der vollen Pubertät. Für G8. Echte Ganztagesschule mit echter Rhythmisierung. Schüler/innen mit G8 Fähigkeiten schaffen das gut. Finden ihren Platz. Brauchen nicht dieses „Aber die armen Kleinen dürfen keinen Nachmittagsunterricht haben.“ Die echte Rhythmisierung sollte aber auch bei G9 funktionieren. Allerdings mit mehr Zusatzunterstützung der Hausaufgaben und des Lernstoffes. Und mit vielen Projektangeboten. Also auch Richtung Ganztagesschule. Was nützt es einem jungen Mann, dessen Eltern am Nachmittag nicht zu Hause sind, wenn er, weil nicht eigenständig genug, G9 macht, fast nur vormittags Schule hat, aber am Nachmittag zu Hause abhängt. Am Computer fest hängt. G9 müsste also, wenn es darum geht, alle ins Boot zu holen, auch Ganztagesschule sein – verpflichtend. G9er eben mit weniger Unterricht. Ende der 7. bzw 8. Klasse kämen alle wieder in gemeinsame Klassen. 8.,9. und 10. Klasse wäre für alle mit wesentlich weniger Nachmittagsunterricht als jetzt bei G8. Damit mehr Zeit bleibt, sich zu orientieren. Auch sich mehr einzubringen, denken wir an Leute wie unsere Lerncoachs, die im Ganztagesbereich arbeiten. Außerunterrichtliche Projekte könnten wieder wie zu G9 Zeiten laufen. Unseren früher am Faust von Schülern selbstorganisierten Tonstudio- und Bandbereich haben wir geschlossen, als G9 am Ende war. Zeichen des Zeitenwandels. Bei diesem Modell wäre die schulische Belastung auch für alle Schüler/innen in der Zentralphase des pubertären Gehirnumbaus reduziert. Das halte ich für wichtig. Genau da. In dieser Phase braucht der junge Mensch echte Lebens- und Entwicklungszeit. Hier müssen Angebote her, die Identifikationsmöglichkeiten mit der Schule geben, damit der von der Natur aus gesehen so unnatürliche Prozess, den jungen Menschen noch jahrelang in Ausbildung zu halten, obwohl seine Entwicklung schon lange signalisiert: Ich bin schon fähig, Verantwortung zu übernehmen. Genau hier müsste Schule Bereiche bieten können, die Verantwortung von jungen Menschen verlangt. Das Prinzip Schülerschule bietet sich geradezu an. Hier kann man Verantwortung mit Bereichen verknüpfen, die jugendgerecht sind und ohne Benotung auskommen. Die mit Zertifikaten belohnt werden können und oft schon erste Schritte in ein späteres Berufsleben darstellen. So steht im Zertifikat unserer derzeitigen Lerncoachs:

DIE ZENTRALEN AUSSAGEN DES KONZEPTS DER FAUSTEAMS

Studioteam, Podcastteam, Programmierteam, Schülerbüro-Team, Patenteams, Aktionsteams, OpenAirTeam, Sprecherteams, Lerncoachteam,  … sind aktuelle eigenständige Schülerteams am Faust-Gymnasium innerhalb des Gesamtkonzepts „fausteams“. Sie bauen auf Eigeninitiative, Eigenverantwortung und die speziellen Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler, die momentan auf der Schule sind.

„3% eines Jahrgangs sind innerhalb der Schule hochaktiv, wenn man ihnen eigenverantwortlich die Möglichkeit dazu gibt. Mit dem persönlichen Umfeld werden daraus 10% Aktive. Und 10% Aktive können das Bild einer Schule wesentlich verändern, wenn man dies zulässt.“ So unsere zentralen Konzeptaussagen, die im Rahmen des anerkannten dezentralen EXPO2000 Projekts „Schülerschule“ veröffentlicht wurden. Sie gelten immer noch.

…….. gehörte als Lerncoach zum Kreis der Aktiven am Faust.

Etwa 70 Lerncoachs arbeiten z.Z.. am Faust-Gymnasium in der faustspezifischen Nachmittagsschule, genannt Flügelverleih, bei der Hausaufgabenbetreuung und bei den Zusatzangeboten. „Dem Lernen Flügel verleihen“ lautet das Motto.

Die Idee: Die zukünftigen Sozialarbeiter/innen, Lehrer/innen, Ausbildner/innen, Professor/innen etc. mit ihren Fähigkeiten schon früh in die Schule einzubinden. Zum Vorteil beider Seiten. Der Erfolg gibt uns recht. Wir haben am Faust-Gymnasium ein exklusives, zusätzliches, junges Schülerkollegium, das mit eigenen Arbeitsverträgen und mindestens 3 pädagogischen Tagen im Jahr hochwertige Arbeit macht.

……… gehörte zu diesem Kollegium.

Ohne aktive Schüler/innen wie ………… wäre das Konzept des Flügelverleihs nicht umsetzbar.

Wir bescheinigen ihr/ihm mit diesem Zertifikat Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit,

Einfühlungsvermögen, Ideenreichtum bei der Betreuung junger Menschen und einen äußerst angenehmen und positiven Umgang mit jüngeren Schüler/innen.

Also Coach hat sie/er eine zuverlässige und professionelle Arbeit gemacht.

Genau so funktioniert ja auch heute schon unser System, junge Menschen in der Schule ernsthaft mit einzubinden. Weil es sich um ernstzunehmende junge Menschen handelt. Hört sich banal an, ist es aber leider in der Praxis nicht. Das Menschenbild, das an Schulen von allen Seiten, Eltern, Schüler und Lehrer verwendet wird, ist meist ein anderes. Man weiß es natürlich theoretisch, dass da die Persönlichkeiten und Fachleute der Zukunft sitzen, tut aber so, als würden die Persönlichkeiten erst entstehen, wenn diese ganze Ausbildung zu Ende ist. Ein fataler Denkfehler.

An so einer Schule mit G8/G9 müsste ein Daueraugenmerk auf Kommunikation zwischen den beiden Zügen stattfinden. Das Menschenbild müsste an der Schule klar vorherrschen, dass manche Persönlichkeiten eine schnellere und andere eine langsamere Ausbildung bevorzugen sollten. Weil wir Menschen uns einfach nicht gleich getaktet entwickeln. Mit dieser Gewissheit im Gepäck müsste es möglich sein, spannungsfrei verschiedene Züge parallel an einer Schule laufen zu lassen. Nur einfach so eingebaut in eine normale Schulstruktur wäre es meiner Meinung nach eine pädagogische Fehlentwicklung. Dann bitte lieber G8 weiter für alle.

Was ich selbst bevorzuge, fragen Sie, wenn ich wählen dürfte? G8 oder G9?

Ich gestehe: Ich bin mit G9 groß geworden, habe mit vielen pädagogisch versierten Menschen ein System entwickelt, das wir Schülerschule genannt haben und mit dem wir EXPO2000 geadelt wurden. Weil die Mitglieder der internationalen Jury zu unseren Konzepten ganz klar gemeint haben: Solche Möglichkeiten der eigenständigen Projektarbeit hätten sie selbst gerne an ihrer eigenen Schule gehabt. Und für ihre eigenen Kinder hätten sie so etwas auch gerne. Mit G9 war eigenständige Teamarbeit einfacher, weil mehr Freiräume da waren. Speziell für Schüler/innen, die Schule problemlos meistern konnten. Deshalb habe ich natürlich G9 mit Wehmut verabschiedet. Ich persönlich wollte aber bitte nicht in den letzten paar Jahren meiner Lehrertätigkeit noch einmal diesen Kraftakt der Umstellung vollziehen. Wir waren sehr stolz darauf, dass wir auch G8 an unserer Schule gemeistert haben.

Nachwort zum ersten und neuen Schweizermesser-Teil:

Ich bin jetzt 60 Jahre alt. Besitze über 30 Jahre intensive Schulerfahrung in einem speziellen Bereich der Schüleraktivierung, der sich gerade in der heutigen Zeit anbietet, an Schulen eingesetzt zu werden. An jeder Schule auf ganz eigene Art und Weise. Nur das Menschenbild dahinter muss stimmen. Der Rest ist individuell. Ich selbst werde mich so langsam Stück für Stück auf den rein schreibenden und beratenden Bereich zurückziehen, unser eigenes Faust-System ist bei den jungen Kolleg/innen auch schon richtig gut aufgehoben. Unsere intensive Generationenarbeit, die uns immer sehr wichtig war, hat wunderbar funktioniert. Eine professionelle Übergabe einer Schule an eine Generation mit einem Altersabstand von einem Vierteljahrhundert benötigt Jahre und viel Zeit. Die sich aber lohnt.

Heinz Bayer                           August 2011

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