Jetzt haben Sie ihn hinter sich. Den ersten Elternabend am Faust. Für die Nichtfaustler, die hier mitlesen, die zweiten Elternabende sind am Faust eine recht spezielle Veranstaltung. Es ist der Versuch, in möglichst kurzer Zeit möglichst effektiv einen Austausch zwischen Menschen zu schaffen, die am selben Projekt arbeiten. Das Projekt heißt zum Beispiel Paul. Oder Anna. Und es heißt Paul in der Klasse Fünf irgendwas. Und Paul mit dem Lehrer X und der Lehrerin Y. Es heißt auch Paul mit Mathe, Deutsch und den Fremdsprachen. Oder Paul und seine Heftführung, seine Eigenständigkeit, seine speziellen Fähigkeiten. Es heißt Paul und sein Selbstbewusstsein, seine Konzentrationsfähigkeit, sein Ehrgeiz und sein soziales Gespür für andere. Undsoweiter undsoweiter. Als Eltern kommt man mit dem individuellen Projekt Paul an, als Lehrer kommt man mit 30 Einzelprojekten an, die als Gesamtprojekt Klasse Fünf irgendwas eine bestimmte kollektive Eigenart bekommen. Eine Klasse ist eine Schmelztiegel der Gefühle und der verschiedenen Charaktere. Zusammen ein eigener Charakter. Eine Klasse besitzt eine eigene Persönlichkeit.
Sie merken, eine extrem komplexe Angelegenheit, diese größte organisierte Veranstaltung, die sich eine Gesellschaft leistet. Schule. Absurd, wenn man Schule auf Fachinhalte und Noten reduzieren wollte. Deshalb versuchen wir an Elternabenden, möglichst viele Gesprächsrunden hinzubekommen. Damit möglichst viel geredet wird. Möglichst individuell. Meist an Gruppentischen. Die Lehrer gehen von Tisch zu Tisch, die Eltern können in kleineren Gruppen ihre individuelleren Fragen loswerden als sonst üblich. Leider immer eine wenig laut, das ist der Nachteil, wenn an 4 Tischen in einem prallvollen Klassenzimmer gleichzeitig über eins der wichtigste Dinge dieser Welt gesprochen wird: Über junge Menschen und ihre Zukunft, die so eng verknüpft ist mit der Frage von Projekt Paul oder Projekt Anna. Trotz des Lärms: Die Erfahrung und die Rückmeldungen sind ziemlich eindeutig. Die Gespräche nach dem Gesamtelternabend, an dem in einzelnen Schienen die Eltern auch noch in separaten Zimmern mit den Religionslehrer/innen und den Sportlehrer/innen austauschen konnten, zeigen: Drei Stunden mit einem so emotional gefüllten und mit der ganz normalen Zukunftsangst belegten Thema (was wird aus meinem Kind?) zu verbringen, ist ziemlich anstrengend. Aber enorm wichtig und am Ende befriedigend. Übrigens nicht, um danach nur zu wissen, wie viel Prozent denn das Mündliche zählt und wie viel das Schriftliche. Und wie viel Arbeiten man schreibt. Sondern um klar zu empfinden, dass so ein Projekt Paul auch deshalb erfolgreich laufen kann, weil es sehr viele verschiedene Projektleiter gibt, die in der Gesamtheit und in ihrer Unterschiedlichkeit dem Projekt den nötigen Hintergrund geben. Und um zu begreifen, dass man Schule nicht auf eine Notenverteilanstalt reduzieren darf. Schule ist viel viel mehr. Wenn Elternabende es ein wenig schaffen, Eltern dazu zu bringen, auf die Schule zu vertrauen, dann hat man viel für die Schüler/innen gewonnen. Dann wird zu Hause positiv über den Arbeitsplatz der Kinder gesprochen. Das unterstützt definitiv Lernprozesse. Und damit schulische Leistungen. Was will man mehr.