Flügelverleih meets Hattie

21. Januar 2011

Halbjahresinformation und Gänsehautfeeling

Abgelegt unter: Zeugnisse — heinz.bayer @ 08:54

Wenn man über 30 Jahre unterrichtet hat, dann gibt es nicht mehr sehr viele Situationen, die einen umhauen. Pädagogisch gesehen. Weil Schulsituationen eben doch nach 30 Jahren zwar immer wieder in neuen Schattierungen, aber eben doch ähnlich auftauchen. Gestern Abend hat es mich doch mal wieder richtig erwischt. Pädagogisches Gänsehautfeeling für einen Altgedienten. Flügelverleih. „Gesamtcoach- und Beurteilungskonferenz“. Oder wie immer man diese großartige Veranstaltung nennen will, bei der sich, wie schon im letzten Jahr, alle Coachs, die sich um eine Klasse kümmern, in Klassenkonferenzen zusammen fanden. Also fast alle. Etwa 50 junge Menschen, die in einer Ernsthaftigkeit, die einem wie mir zwischendrin vor Begeisterung fast die Luft nahm, diskutierten, wie die einzelnen Schüler/innen auf einer Skala ohne Noten von sehr gut bis sehr schlecht sich über die Bereiche Selbstständigkeit, Konzentration, Arbeitshaltung, Ordentlichkeit und Sauberkeit beim Arbeiten, Disziplin, Lautstärke und Respekt den Coachs und Mitschülern gegenüber einzuordnen sind. Rückmeldung für jeden Einzelnen. Und das von Menschen, die mit ihren Profi-Schüleraugen immerhin aus einer ganz anderen Perspektive beobachten können, wie Hausaufgaben gemacht werden, wenn keine Mutter und kein Vater und kein Lehrer die Kontrolle über diesen Prozess hat. Wie sich Schüler/innen verhalten, wenn andere junge Menschen auch noch mit im Raum sind. Wie diese Normalsituation des Unterrichts am Vormittag in der Betreuungszeit am Nachmittag aussieht. Die pädagogischen Coach-Einschätzungen werden wie im letzten Jahr mit unserem Flügelverleihspezialzeugnis an unserer Flügelkinder mit den Halbjahresinformationen ausgegeben.

Falls der eine oder andere Coach das hier mitliest: Tausend Dank. Ihr seid einfach richtig gut!

Und noch ein zweiter Aspekt hat mir das Gänsehautfeeling verschafft. In meinem „Vorruhestandsalter“ knapp 60 sind wir zu zweit im Flügelverleih. Für Nichtinsider muss man wissen, dass ich am Faust mit der Jüngste des „alten Blocks“ bin und der Älteste des „jungen Blocks“ noch keine 40 ist. Zwischen 40 und 60 gibt es an baden-württembergischen Gymnasium wenige Unterrichtende. „Äußerst unglückliche“ Einstellungspraxis, wenn ich das mal sehr harmlos ausdrücken soll. Die sich jetzt leider wiederholen wird. Nach dem Doppelabitursjahrgang, davon darf man ausgehen, werden die Einstellungszahlen wieder massiv in den Keller rauschen. Zurück zum Gänsehautfeeling. Dass unser Flügelverleihkonzept pädagogisch hauptsächlich von der jungen Fraktion unseres Teams entwickelt wurde und gestern professionell umgesetzt, macht uns Alten im Team, die hier ihre jahrzehntelange Erfahrung wunderbar mit einbringen können, sehr zufrieden. Haben wir auf dem Nachhauseweg mit Gänsehautfeeling festgestellt.

14. Januar 2011

Respekt und Disziplin

Abgelegt unter: Disziplin — heinz.bayer @ 22:54

Liebe Leser

Vielleicht haben Sie ja den BZ-Artikel über einen frisch gekürten Bundeswehr Rekruten gelesen, der über die Bundeswehr sagt: “Es bringt Ordnung in mein Leben.” Und über die Schule: „Hier finde er, was er in der Schule vermisst habe. “Respekt und Disziplin, das fehlt in der Schule. Manchmal war die halbe Klasse nicht da, aber das hat niemanden interessiert.” Er hat in Staufen die Schule mit der Fachhochschulreife abgeschlossen.“

Der junge Mann beschreibt ein Problem der modernen Schule. Wir haben unsere Lehrer/innen eine Einschätzung der Arbeitshaltung unserer Fünftklässler/innen ankreuzen lassen. Von sehr gut über gut und durchschnittlich bis schlecht und sehr schlecht. Fünfte Klasse, wohlgemerkt. Also noch ganz frisch am Faust. Sehr gut bis durchschnittlich schneiden 90% ab. Bei den 10% – 15 Schüler/innen – denen eine schlechte bis sehr schlechte Arbeitshaltung attestiert wurde, sind 13 Jungs. Und bei diesen 10% würde ich auch unserem früherer Schüler zustimmen: Respekt und Disziplin, das wäre eine angenehme Komponente im Leben dieser Schüler. Die Ordnung ins Leben bringt. Dafür müsste man allerdings, und ich weiß nicht, wie das die Eltern aufnehmen würden, eine extra Respekt-und-Disziplin Klasse aufmachen. Das wäre für einen Teil der uns anvertrauten jungen Menschen garantiert sehr angenehm. Vor den Ferien saß ich einmal in der Nachmittagsschule mit 3 Jungs zusammen. Hatte sie vor die Tür geholt und mit ihnen in Ruhe gesprochen, weil sie sich nicht in unsere einfachen Regeln des aufeinander Hörens einfügen konnten. Einer meinte im Laufe des Gesprächs, dass es jetzt aber im Unterricht bei ihm immer besser ginge. Ehrliche Erleichterung war zu spüren. „Ich habe doch jetzt den Laufzettel. Und wenn ich da nicht gut bin, dann bekomme ich zu Hause richtig Druck…. Nein, nicht brutal. Aber ich muss dann einfach richtig hart arbeiten. Das hilft mir.“ Strahlen über sein ganzes Gesicht. „Laufzettel“, das ist bei uns eine Maßnahme bei Schülern, wenn diese einfach nicht zu einer normalen Arbeitshaltung kommen können. Wenn sie stören und nur heftige Strafen helfen würden. Der Schüler muss dann am Ende jeder Stunde vom Fachlehrer abzeichnen lassen, wie er sich verhalten hat. Ein eng geführtes Prinzip. Ordnung ins Schulleben bringen. Für manche die einzige Möglichkeit. Wer natürlich dann in der Oberstufe merkt, dass die Arbeitshaltung über Jahre hinweg wie bei den 10% lag und die Gewöhnung ans Nicht-Arbeiten zu groß geworden ist, dann ist natürlich hier die Bundeswehr eine echte Erleichterung. Respekt und Disziplin. Ordnung in mein Leben.

Was ich allerdings an dieser Stelle richtig stellen will: „Manchmal war die halbe Klasse nicht da, aber das hat niemanden interessiert.“ Das ist natürlich nur die Sicht, die man von außen aus einer Gruppe von Schülern hat, die sich beim Kaffeetrinken in der Rombach Scheuer gegenseitig dieses beruhigende „da geht doch sowieso nur die Hälfte hin“ erzählen. Dass es in Wirklichkeit auch in der Oberstufe nur ein paar Prozent sind, die ohne Disziplinierung nicht am Ball bleiben können, das erkennt man aus der betroffenen Schülersicht natürlich nicht. Dass wir uns über den jungen Rekruten sehr viele Gedanken in vielen Konferenzen gemacht haben, das entzieht sich natürlich ebenfalls seinem Erfahrungsraum.

Aber eines sieht er natürlich goldrichtig: Die moderne Schule, die auf Eigenständigkeit setzt und auf Selbstverantwortung, die junge Menschen für die Welt nach der Schule gerade nicht drillen soll, weil die Welt nach der Schule eigenständige, engagierte und selbstverantwortliche Menschen braucht, ist für einige junge Menschen trotzdem genau die falsche Schule.

Schade, dass man noch nicht genügend Ressourcen hat, um dieses Problem durch einen disziplinmäßig viel straffer geführten Zug für alle, die dies brauchen können, aus der Welt zu schaffen. Denn wir verlieren auf diesem Weg leider in der modernen offenen Schule, die auch in der Fachdidaktik immer noch offener werden soll, zu viele kluge junge Menschen, die nur mehr straffe Führung bräuchten wie unser früherer Schüler bei der Bundeswehr.

Nur beides zusammen, das sei hier auch gesagt, offen und gleichzeitig eng geführt, das geht leider nicht. Das ist die Illusion aller, die meinen, der Lehrer müsse doch einfach nur klar durchgreifen. Das wäre doch wohl das Mindeste.

Darf ich Ihnen am Ende dieser Problematik, die wir im Flügelverleih auf eine uns eigene Art aufgreifen werden, noch etwa Lustiges, aber sehr Wahres über Unterricht ans Herz legen? Ein Poetry-Slam aus Alltagsszenen, nach dem Sie sich sehr kompakt vorstellen können, wie sich Lehrergefühlswelten in der heutigen Zeit mit den heutigen Anforderungen anfühlen können. Irgendwie finde ich, passt es zu dem heutigen Thema. :-)

Viel Spaß.

2. Januar 2011

Nachtrag zum Kalender

Abgelegt unter: Lehrer — heinz.bayer @ 20:24

Liebe Eltern

Ich muss noch ein paar Dinge zum Kalender nachtragen, nicht dass der falsch verstanden wird. Ich will mit dem Kalender nicht sagen, dass man sich mit allem abfinden soll. Dass man einfach nur Dinge suchen soll, die schlimmer sind und dann wird die eigene Situation plötzlich ganz wunderbar. Wie Sie ja sicher schon bei meinen Blogbeiträgen zum Thema Schule bemerkt haben, setze ich immer auf den Schüler selbst. Was nicht heißen soll, dass man an der Schule nicht noch sehr viel verändern muss. Pädagogik darf nie aufhören, verbessert zu werden. Schule heute ist alles andere als ausgereift. Nur ist das die politische Ebene, die dem Schüler selbst in der aktuellen Situation überhaupt keine Vorteile bringt. Wenn Sie Ihrer Tochter sagen, dass sie in Mathe sicher viel besser wäre, wenn die Klassen kleiner und der Lehrer sie besser motivieren könnte, dann hat sie davon keinen Vorteil. Nur noch mehr Frust. Wenn Sie Ihrem Sohn sagen, dass er sicher in Physik der Chef wäre, wenn man auf technisch hohem Experimentalniveau mit viel Computereinsatz ihn in kleinen Lerngruppen zur Begeisterung und guten Noten treiben könnte, die ihm eine Zukunft als Ingenieur eröffnen würde, dann findet er Schule nur noch doofer. Diese Diskussionen muss man außerhalb der Schule führen. Klar muss man mit uns Lehrern auch ins Gespäch kommen und sicher kann man auch unten den jetzigen schulischen Verhältnissen der zu großen Klassen und des Personalmangels Verbesserungen erreichen. Aber die erreicht man nur in kleinen Ausmaßen. Denn wir Menschen, und uns Lehrer zähle ich natürlich auch dazu, sind nur bedingt in der Lage, uns von unserer Persönlichkeit her wirklich zu verändern. Oder geht Ihnen das anders? Wenn man also seinen Kindern erzählt, dass nur die allerbesten, motiviertesten, klügsten, aktivsten, mitreißendsten, kreativsten und attraktivsten Menschen Lehrer werden dürften, dann frustrieren Sie Ihr Kinder nur zutiefst. Denn es verändert ja nichts. Schülern muss man zumindest beibringen, dass sie selbst in der Lage sind, sich ihren Unterricht zu verbessern, indem sie ihre Lehrer möglichst gut arbeiten lassen. Nicht alles schlucken. Das meine ich nicht. aber nicht, wie leider zu viele, Schule an sich in Frage zu stellen. Weil ja die Lehrer eh doof sind. Man muss ihnen beibringen, für ihren eigenen Vorteil nicht alles und jedes in Frage stellen. Zum Beispiel die Menge der Hausaufgaben und die Schwere der Arbeiten und die Strenge der Noten und, und, und. Denn die Noten werden schlicht besser, wenn die Einstellung zur Schule besser wird. Deshalb der Kalender. In der eigenen Einstellung zur Schule sind Schüler die Chefs. Daran können sie vollkommen eigenständig arbeiten und hier bringt die Arbeit den größten Erfolg.

Deshalb: Kritik an Lehrern und an Schule darf ruhig sein. Muss sogar. Schule muss sich entwickeln. Aber direkt im Gespräch zwischen Eltern und Lehrern oder auf politischer Ebene. Nur - schicken Sie Ihr Kind bloß nicht dauernd ins Tal des Grauens, in dem alles nur schrecklich ist. Nach dem Motto: Du armes Kind, musst wieder in die Schule.

Das wollte ich nur noch schnell gesagt haben.

1. Januar 2011

Frohes neues Jahr

Abgelegt unter: Kalender — heinz.bayer @ 17:23

Auf ein erfolgreiches 2011.

Sie kennen als Fünftklasseltern das Hausaufgabenheft, das Tag für Tag den Blickwinkel in die positive Richtung zur professionellen Bewältigung des Berufsfelds “Schüler/in sein” lenken soll. Im letzten Jahr hatten wir unseren Flügelverleihkindern den Öhm-kalender ans Herz gelegt. Davor war es der Urps-Kalender. Kalender haben den Vorteil, dass man täglich einen kleinen Input bekommen kann.

Jetzt gibt es einen Spezialkalender, der sich aber sicher mehr an ältere Schüler richtet. Er könnte aber mit Hilfe von Eltern doch auch eine Hilfe für Fünftklässler sein, Schule entspannter zu sehen. Er wurde für den Männerrevolteblog entwickelt – also für Schüler in Not. Aber er könnte ja auch für Schüler sein, die erst gar nicht in Not kommen wollen.

Hier geht’s zum Hiiiiiilfe-geht’s-mit-schlecht-Kalender 2011

:-)

24. Dezember 2010

Frohe Weihnachten …

Abgelegt unter: Allgemeines — heinz.bayer @ 12:10

… und der Familie Flügel wachsen lassen.

17. Dezember 2010

Arbeitshaltung

Abgelegt unter: Arbeitshaltung — heinz.bayer @ 23:52

Machen Sie doch einmal spaßeshalber ein fiktives Zeugnis für Ihre Tochter oder Ihren Sohn. Zwei Sparten kreuzen Sie an: Arbeitshaltung.  Zwischen ++/ + / o / – / — . Und dann noch Konzentrationsfähigkeit. Ebenfalls zwischen ++ und –.

Und dann vergleichen Sie es mit den Werten, die Anfang nächsten Jahres im individuellen Arbeitshaltungsbewertungsbogen Ihres Kindes stehen. Es sind die beiden Indikatoren, an denen man arbeiten muss, um die größten Erfolge zu erzielen. Bzw die man unbedingt für sich beibehalten muss, wenn sie jetzt schon im + Bereich stehen, weil sie die Grundlage für angenehme Schule sind. Und was gibt es Schöneres als angenehme Schule. Denn die ist nicht nur angenehm für die Kinder, sondern natürlich auch für die Eltern. Und die Eltern, die haben das auch verdient. Die angenehme Schule. Finde ich.

In diesem Sinne. Frohe Weihnachten.

11. Dezember 2010

Die Pädagogik des Weihnachtsbasars

Abgelegt unter: Schülerschule — heinz.bayer @ 00:32

Zu welchen Menschen haben Sie die engsten Beziehungen? Normalerweise zu denen, mit denen Sie irgendwann zusammen etwas intensiv gemacht haben. Zum Beispiel Schule. Zum Beispiel  Kinder groß ziehen, zum Beispiel Sport. Zum Beispiel Beruf ausüben. Menschen sind Sozialwesen. Aber zur Ausprägung dieser Eigenschaft braucht man Anlässe. Schule ist immer ein Anlass. Auch im Unterricht findet sehr häufig gemeinsames Arbeiten statt. Allerdings normalerweise nicht unter dem Aspekt von einer eigenen professionellen Eigenständigkeit. Meist eben unter der Regie eines Menschen, der eine Sache immer besser kann. Eines Lehrers. Einen Weihnachtsbasar organisieren können Lehrer lange nicht so gut wie eine ganze Kursstufe. Seit vielen Jahren ist es die selbstgewählte Aufgabe der Kursstufe 1, diese Veranstaltung durchzuführen. Die Organisation liegt mehr oder weniger komplett in Schülerhand. Mit der behutsamen Rückendeckung der Vertrauenslehrer. Ein wunderschöner Basar, finden viele Besucher. Klar, es gibt immer diesen Streit, ob es passend ist, dass eine Schulband spielt. Oder ob man weniger auf den Verkauf Wert legen sollte. Aber es ist eben einfach Schülerweihnachtsbasar. Auch wenn manche Klassenlehrer/innen mit Eltern und ihren Schüler/innen gebastelt und vorbereitet haben. Aber das ist keine Pflichtübung. Keine schulische Verpflichtung. Wenn man Schüler/innen fragt, warum sie so eine große Organisation vom Ausleihen der Stände über Aufbau, Abbau und Gewinnverteilung freiwillig auf sich nehmen, dann hört man eigentlich immer die gleichen Sätze: „Es macht Spaß“ und „Hier macht man ein ganz eigenes Ding.“ Ein eigenes Ding machen ist für uns Menschen, ob jünger oder älter, der wesentliche Antrieb. Die Kursstufe macht mit diesem Basar eine gemeinsame Aktion, die nebenbei für ein Schulprojekt in Paraguay oder für die Straßenschule in Freiburg Geld einspielt. Aber pädagogisch gesehen ist die Stärkung eines Netzwerkes für mich das Entscheidende. Das Faust entlässt seit vielen Jahren die meisten seiner Schüler/innen mit einem außerordentlich starken Netzwerk. Und das kann man außerhalb der Schule wunderbar brauchen.

Ob so ein Weihnachtsbasar ans Gymnasium gehört, fragen Sie? Ob das etwas mit gymnasialer Bildung zu tun hat? Netzwerke aufbauen können gehören natürlich ganz zentral zur gymnasialen Bildung, würde ich sagen. Was nützt es dem genialen Maschinenbauer, wenn er seine Fähigkeiten nicht im Team einbringen kann. Heute nicht mehr viel. Fast kein Beruf ohne diese Anforderung an sozialer Netzwerktechnik. Der Weihnachtsbasar, jedes Jahr wieder neu freiwillig aufs Programm der SMV geschrieben, ist so ein vollautomatischer Netzwerkstabilisator.

Denn auch für die Kleinen ist das gemeinsame Organisieren eines Verkaufsstandes alles andere als eine einfache Übung.

4. Dezember 2010

Meistens sind die Daumen oben.

Abgelegt unter: Flügelverleih — heinz.bayer @ 10:18

In der Nachmittagsschule gibt es Rituale.

Zu Beginn ist es die gemeinsame Anfangsrunde mit Blick auf Netzwerkbildung. Spielen schafft dies. Netzwerkfähig zu sein ist eine immer wichtigere Schlüsselqualifikation der modernen Berufswelt. Wo, wenn nicht in der Schule, kann man Netzwerkfähigkeit lernen. Netzwerkfähige Menschen sind flexibler. Netzwerkfähige Klassen sind erfolgreicher. Ganz klar. Je mehr junge Menschen sich als Teil eines Netzwerks verstehen, desto sicherer fühlen sie sich, desto weniger bedürfen sie dauernder Einzel-Aufmerksamkeit, um arbeiten zu können. Wir leben in einer prallvollen, individuelle Erlebniszeit für Kinder. Die hat natürlich viele wundervolle Komponenten für das aktuelle Leben, aber eben auch einige schwierige Komponenten für das Arbeiten in einem Klassenverband mit 30 Schülerinnen und Schülern.

Ich habe dieses Thema übrigens im Moment auch in meinen beiden Bayer-Spezialblogs verarbeitet. Wer sich also weiter hier vertiefen will, darf gerne www.maennerrevolte.de für die Problematik des „Bildungsverlierers Mann“ oder www.opakoffer.de für die pädagogischen  Überlegungen eines alten Schul-Praktikers, Lehrerfortbildners und neun Monate alten Opas zum Thema frühkindliche Erziehung klicken. Zurück zu den Daumen. In der Nachmittagsschule gehen im Schlussritual inzwischen meist die Daumen richtig senkrecht nach oben. Die Daumen der Coachs, die in der Schlussrunde immer erzählen, wie erfolgreich sich die Schülerinnen und Schüler unseres Flügelverleihs in der Flüsterzeit beim Hausaufgabenmachen geschlagen haben. Hierbei geht es natürlich um den Schlüssel-Faktor Eigenständigkeit und Konzentration. Konzentriert arbeiten, obwohl man nebenher locker seine Späßchen mit den noch anwesenden Schülern haben könnte. Das ist der langfristig gesehene viel größere Lernerfolg als der kurzfristige durch die Hausaufgaben selbst. Wer es in der 5. oder 6. Klasse gelernt hat, sich in einem Netzwerk aufzuhalten und trotzdem konzentriert sine eigene Sache machen zu können, der hat auch für die folgenden Jahrgangsstufen Wesentliches mitgenommen. Man sieht das schon jetzt an den schulischen Leistungen sehr vieler SchülerInnen, die bei sich uns im Flügelverleih vor ein, zwei Jahren offensichtlich starke Flügel haben verleihen lassen. Flügel kann man sich übrigens nur eigenaktiv verleihen lassen. Aufgezwungene Flügel wachsen nicht an.

27. November 2010

Hänsel und Gretel

Abgelegt unter: Ordnung — heinz.bayer @ 09:27

Liebe Faust-Eltern, die dies hier lesen. Dürfen wir Sie um etwas bitten?  Wenn Sie einmal bei Gelegenheit in der Familie über das Wegwerfverhalten von Schülern sprechen, dann könnten Sie doch ein gutes Wort für unser Spezial-Konzept einlegen: „Abfall gehört in den Papierkorb!“ Denn sagen wir einmal 5% unserer Schüler scheinen das einfach nicht zu wissen. 5% von1300 Schüler/innen, das macht 75 zerknüllte Papierservietten, Getränketüten, Pizzakartons, Essensreste – und alles so, als würde man Hänsel und Gretel im Schulhaus spielen. Gut verstreut auf dem Boden. Wir reden mit Engelszungen, machen Aktionen. Haben schon einmal den Müll einer ganzen Woche in die Aula geschüttet. Ich habe ein halbes Jahr eine „Bayer is watching you“ Aktion durchgeführt. Kurzfristig ein Erfolg. Aber beim Nachlassen der Dauerkontrolle sofort wieder „Hänsel und Gretel“. Bei den Toiletten sind es sicher nur 5 Promille, die nicht wissen, dass es andere eklig finden, wenn sie Toiletten zwanghaft verschmutzen. Oder sie ahnen es eben doch und machen es gerade darum. Im Fünferhaus müssen wir, bis die neuen Toilettenanlagen vom Schulträger eingerichtet werden, doppelt so sehr auf Sauberkeit achten. Denn die Grundausstattung ist schon indiskutabel. Wenn dann aber jemand die Meinung vertritt, dass es jetzt noch toll wäre, Toilettenpapier auf dem Boden auszurollen oder als Paket ins Clo zu stecken, dann muss man ihm sagen: „Einfach sehr blöde Aktion.“ Was ich damit sagen will: Leider sind wenige, aber trotzdem zu viele Kinder heute aktionsorientiert. Wenn nichts läuft, ist es schlecht. Also lässt man was laufen. Warum weiß keiner so wirklich. Ich hätte da so ein paar Ideen, aber das würde zu weit führen.  Schule könnte nun permanent strafend an die Sache herankommen. Aufsichten verdoppeln und verdreifachen. Überführen, Arreste, Eltern einbestellen, Androhen von Schulausschluss. Oder man setzt auf Überzeugen. Wir setzen immer noch lieber auf Überzeugen. Sonst wird durch das „Hänsel- und-Gretel-Verhalten von 5% eine Pädagogik des Vertrauens durch eine Pädagogik der Kontrolle ersetzt. Die für die 5% sicher die bessere wäre. Aber für die 95% nur negativ wäre. Was Sie in der Sache machen könnten, fragen Sie? Und Sie könnten uns in unserem „pädagogischen Kampf“ für mehr Sauberkeit im Schulhaus unterstützen, in dem Sie dieses Thema auf die Diskussionsliste in Ihrer Familie setzen. Damit ihr Kind, das ja sicher zu den 95% gehört, eine Sensibilisierung erfährt und die 95% vielleicht den 5% doch von Schüler zu Schüler klarmachen könnten, dass Abfall tatsächlich in den Papierkorb gehört und dass das auch der ehrliche Wunsch von 95%, also weit über 1000 Schüler/innen ist. Weil Ambiente wichtig ist. Und angenehm. Und eklige, zerknüllte Servietten einfach immer an gebrauchte Tempotaschentücher erinnern. Eigentlich eine ungeheuer mehrheitsfähige Geschichte.

20. November 2010

Lautstärke und Selbstständigkeit

Abgelegt unter: Arbeitshaltung — heinz.bayer @ 17:54

Eigentlich sind wir ganz zufrieden. Um einiges leiser als in fünften Klassen gewohnt ist unser Fünferhaus. Im Flügelverleih sind wir sehr zufrieden mit der Lautstärke. Da arbeiten wir einfach schon länger dran. Nach ein paar Monaten mindert sich bei den meisten Schüler/innen die natürliche Zurückhaltung in einer neuen Umwelt. Die ursprünglichen Regungen kommen zu Tage. Und das Problem, das Mitschüler dann manchmal so beschreiben: „Das war schon in der Grundschule so.“ Unruhe im Leben wird von immer mehr Schüler/innen von der Grundschule mit in das Gymnasium gebracht, an dem man nach einiger Zeit merkt, dass es gar nicht so furchtbar schwer ist, dort mitzukommen. Genau dann ist der Zeitpunkt, in dem sich die Frage stellt: Welchen Arbeitsstil wird diese Schüler/in einschlagen bis er/sie die Pubertät betritt? Das Bild der Hirnforscher hilft hier ganz gut. In der Pubertät, sagen die Forscher, baut sich unser Gehirn so um, dass nicht benutzten Bereiche entsorgt werden. Andere werden gestärkt und werden von der Geschwindigkeit her verbessert. Na ja, das ist eben auch meine Alltagserfahrung. Wer in der 5. und 6. Klasse seine Konzentrationsfähigkeit und seine Lust auf Lernen nicht in normalen Bahnen gebracht hat, der hat es in der Pubertät definitiv viel schwerer als jemand, der schon früh gelernt hat, ohne Druck selbstständig zu arbeiten. Deshalb unser Alltagstipp für alle Eltern: Unterstützen Sie speziell die Eigenständigkeit Ihrer Kinder. Fragen Sie speziell danach, wie viel Prozent einer Unterrichtsstunde ihre Tochter oder ihr Sohn dem Geschehen folgen konnte und  wie häufig sie oder er sich abgelenkt hat. Bitte sehr sanft nachfragen. Helfend. Denn für einen Schüler ist  unkonzentriertes Arbeiten nicht einfach nur ein Spaß. Es sind meist schon in der Grundschule gewachsene und eingeschliffene Gepflogenheiten, die dort aber auf Grund der guten Leistungen, die ja alle Gymnasiasten üblicherweise dort einfahren, nicht zum wirklichen Tragen kamen. Auf dem Gymnasium sind es dann aber genau die zentralen Probleme, die das Leben dort am Ende leicht oder schwer machen. Deshalb: Die Noten sind am Anfang noch nicht die wesentlichen Faktoren. Die Arbeitshaltung ist der entscheidende Faktor. An dem kann man arbeiten, wenn man sein Augenmerk darauf richtet. Unser Fünferhaus- Hausaufgabenheft ist genau dazu angelegt. Dass sich das Wissen verfestigt, was es heißt, professioneller Schüler zu sein. Dass das Lernen nichts Unanständiges ist. Die meisten wissen das allerdings – ohne Frage. Man sollte sie in dieser Meinung immer bestärken.

Im Flügelverleih am Nachmittag ist es sowieso Dauerthema.

« Neuere ArtikelÄltere Artikel »

Powered by WordPress ( WordPress Deutschland )