Flügelverleih meets Hattie

18. Mai 2012

Ecuador – die Erste

Abgelegt unter: Außensicht — heinz.bayer @ 22:35

Liebe Leser/innen

Ich habe einen für mich wichtigen Faust-Schüler des letzten Abijahrgangs gebeten, Schule und Faust und Bildung einmal von einer speziellen Außensicht aus zu beschreiben. Lukas Heller arbeitet gerade in einem Sozialprojekt in Ecuador. Von dieser speziellen Sichtweise aus bekommt man immer wieder neue Selbsterkenntnisse über die aktuelle Bildungssituation der eigenen Schule. Deshalb liebe ich Erkenntnisse von Ex-Faust-Schülern, weil sie meist gut positiv relativieren können.

Also Ecuador und das Faust – die Erste:

Ecuador ist wirklich ein heftiges Kontrastprogramm zu Deutschland.

Noch einige Hintergrundinformationen zum ecuadorianischen Bildungssystem. Chancengleichheit existiert nicht. Innerhalb Ecuadors ist das „Chancengefälle“ enorm und im einiges größer als innerhalb Deutschlands und im deutsch-ecuadorianischen Vergleich noch einmal mehr. Ein auf dem Land lebender Ecuadorianer (vor allem ecuadorianisches Mädchen) wird generell eine schlechtere Ausbildung erhalten als in der Stadt ( Stadt-Land-Gefälle) und beide wiederum haben so gut wie nie die Chancen, die ein wo auch immer lebender deutscher Schüler hat. Das Arm-Reich- Gefälle innerhalb Ecuadors ist wohl noch einmal um einiges größer als die deutsch-ecuadorianischen Unterschiede. Ein nicht arbeitender Ecuadorianer sitzt auf der Straße ohne soziale Absicherung, ein deutscher erhält Sozialhilfe und das Lebensnotwendigste. Es gibt kaum Aufstiegsmöglichkeiten für Kinder geringverdienender Eltern, da weiterführende Schulen in der Regel kostenpflichtig sein. Es gibt durchaus Collegios (die einzige weiterführende Gesamtschule) die staatlich und damit kostenfrei sind.  Allerdings habe ich auf der letzten Klassenkonferenz gehört, dass diese Collegios nur 20er, 19er und 18er-Schnitte annehmen. Das entspricht einem Durchschnitt von besser als 1-2 im Abschlusszeugnis der 7. Klasse. Dazu kommt, dass ja wie in Deutschland auch Kinder aus sozial schwachen Familien aus vielfältigen Gründen seltener gute Durchschnitte nach Hause bringen: Genau die, die sozialen Aufstieg nötig hätten, denen wird er systembedingt verwehrt. Eine der Haupt- oder Realschule ähnliche Ausbildungsstätte existiert nicht. Ein leistungsunabhängiges Unterstützungssystem wie das BaFög in Deutschland scheint nicht zu existieren.

Physik wird erst ab der 11. Klasse gelehrt, das gleiche mit Bio und Chemie.  Nach dem Motto, dass man dieses Wissen ja nur braucht, wenn man das mal studiert, und dann ist es, falls Interesse besteht, auch wählbar. Allerdings fehlt dann genau das, was man logisches, strukturiertes Denken nennt. Es fehlt genau an dem, was sie im letzten Blogeintrag beschreiben: es fehlt an Kreativität, selbstständigem Denken, Zusammenhänge erfassen, mit Hintergrundwissen diskutieren. Meine andere Schwester hatte nicht EINE Stunde Bio, Chemie oder Physik in 13 Jahren. Auf einer guten Schule wird zwei Jahre vor Abschluss, also in der 11. Klasse in den Naturwissenschaften ungefähr das gelehrt: Physik (Kreisbewegung, gleichförmige Beschleunigung) Chemie (Wasserstoffverbindungen), Mathe (Graphensysteme, Kurvendiskussion, Mittelpunktsberechnung von Strecken). Wie viel mit diesen Informationen anzufangen ist, weiß ich nicht, es gibt natürlich Unterschiede in den Lehrplänen, tausend Schwierigkeitsgrade zum Beispiel in Graphensystemen, und ob die Schüler das tiefgründig verstehen weiß ich nicht. Aber es könnte als Anhaltspunkt dienen. Meine Schwester ( Er meint eine Tochter seiner Gastfamilie) ist gerade mit 13 Jahren in der 9. Klasse, das ist hier normal. Sie wird maximal 3 Jahre naturwissenschaftliche Ausbildung erhalten. In Mathe haben sie in diesem Jahr Rationale Zahlen, arithmetisches Mittel, Reelle Zahlen, Pythagoras, Flächenberechnung, Kreis, Volumen, Diagramme, Bruchrechnen, Wahrscheinlichkeiten. Kommt mir sehr ähnlich zum deutschen Lehrplan vor.

Also ich unterbreche hier einmal die Informationen von Lukas über ein Schulsystem in einem fremden Land, das natürlich genauso rationale Zahlen und den Herrn Pythagoras unterrichtet. (Was manchen Schüler/innen absurd und lästig vorkommt, ist einfach global anerkannt wichtig. Verrückt, aber stimmt einfach.) Wenn auch nur wenigen und ausgewählten jungen Menschen. Ohne das richtige Elternhaus keine Chance. Schon das finde ich sehr bemerkenswert. Das fällt bei uns schon lange niemandem mehr auf, dass jeder kann, der will. Also gut, die Vermögenden statistisch immer noch um einiges häufiger. Aber es ist trotzdem vollkommen anders. In Deutschland kann jeder, der Schule ernst nimmt, Schule machen. Wenn er dies will. Er kann auch höhere Schule richtig gut machen, wenn er Schule ernst nimmt und wirklich gut sein will und die intellektuellen Voraussetzungen dafür mitbringt. Egal ob er reiche oder weniger reiche Eltern vorzuweisen hat. Dass trotzdem die weniger reichen Eltern statistisch weniger Ehrgeiz in den Aufbruch ihres Kindes in die bunte, anstrengende, schillernde Bildungswelt aufbringen, das ist eine ganz andere Geschichte. Verglichen mit Ecuador versteht man das.

Am Ende seines Berichts steht im Bericht von Lukas eine ungewöhnliche Beschreibung von Luxus:

… Auf der einen Seite beruhigen: Um andere Länder steht es bedeutend schlechter. Unsere Ausbildungsqualität ist gut. Wir müssen uns unseres Luxus bewusster sein.

Auf der anderen Seite ermuntern: Wir haben alles, was wir brauchen, um diesen Luxus zu erhalten. Chancen erkennen und nutzen, speziell am Faust. Möglichkeiten ausschöpfen, uns der guten Ausgangsbedingungen bewusst werden, uns der behüteten Kindheit bewusst werden, mentale Einstellung ändern, Möglichkeiten wie Unterstützung, Durchlässigkeit, Qualität des Systems bewusst ausnutzen.  Was sich andere hart erkämpfen, ist uns von Geburt aus mitgegeben.

Dem habe ich im Moment nichts hinzuzufügen. Wir haben alles, was wir brauchen, um diesen Luxus zu erhalten. Chancen erkennen und nutzen, speziell am Faust.

13. Mai 2012

Ferienschule

Abgelegt unter: Ferienschule — heinz.bayer @ 06:36

Ja wir haben einmal herumgefragt. Coachs haben wir einige, die Lust hätten, Ferienschule zu machen. Ferienschule statt Sitzenbleiben. Das hätte was. Sitzenbleiben ist für viele so eine verrückte Sache. Man macht sich nie Gedanken, wie man das langfristig verhindern könnte und wenn es dann soweit ist, dann machen sich viele kaum wirklich Gedanken, ob man das Schicksal nicht doch noch abwenden könnte. Zum Beispiel durch Pfingstferienschule. Die könnte man sich auch selbst bauen. Aber wenn es eine reale gäbe, wäre da natürlich echt finnisch am Faust. Mal sehen, ob es schon in diesem Jahr so etwas gibt. Wir werden berichten.

5. Mai 2012

Die Notbremse ziehen

Abgelegt unter: Turbowochen — heinz.bayer @ 10:54

Schule kann man einfach immer weiterschreiten. Immer wieder die gleichen Muster, aber doch irgendwie immer anders. In jedem Jahr untersuchen wir um diese Zeit herum, wie viele Schüler/innen denn am Ende des Schuljahres versetzungsgefährdet sind. Nach den Halbjahresinformationen kann man ja schon sehen, wohin die Reise geht. Jetzt fragen wir bei den Lehrer/innen der Versetzungsgefährdeten den aktuellen Stand ab. Noch ist Zeit, die Notbremse zu ziehen. “Die Notbremse ziehen” heißt deshalb auch in diesem Jahr unser Projekt. Wie das geht? Wir laden alle Versetzungsgefährdeten zu einem Gespräch ein. Geben Tipps und machen Mut. Fordern zur Reflexion auf. Noch ist nichts verloren. Man muss kämpfen bis zum Schluss. Wie beim Fußball. Oder überhaupt erst einmal anfangen zu kämpfen. Viele stolpern ja einfach richtig verspult in eine Nichtversetzung. Geben viel zu früh auf. Kennen keine Konzepte. Haben keinen Plan. Der Druck, den eine wirklich bevorstehende Nichtversetzung auslöst, kann aber Wunder wirken, wenn man es schafft, nicht aufzugeben. Die daraus folgende Erkenntnis, dass man selbst so viel bewirken kann, wenn man schulisch aktiv wird, trägt oft weit über das Versetzen hinaus.  Das ist unsere Erkenntnis der letzten Jahre. Im Moment basteln wir auch noch an einer Pfingst-Ferienschule mit Lern-Coachs für Menschen, die ernsthaft die antobende ziehen wollen. Mal sehen, wieviele Schüler/innen wir in diesem Jahr “retten” können.

Hinter allem steckt immer nur eines: Man muss lernen, seine Ausbildung ernst zu nehmen. Schule Wert zu schätzen. Gerade hat ein ehemaliger Faust-Abiturient, der gerade sein soziales Jahr in Ecuador verbringt, einen passenden Blogeintrag zu diesem Thema verfasst. In Vergleichen wird oft sehr viel klar.

http://lukasinecuador.wordpress.com/2012/05/05/eine-pisa-studie/

29. April 2012

Die Göttliche Komödie

Abgelegt unter: Hochaktive — heinz.bayer @ 06:24

Letzte Woche wurde am Faust mal wieder unser Prinzip Schülerschule vollkommen bunt und prall präsentiert.  Ein wundervolles Theaterstück, von zwei jungen Regisseurinnen aus der Kursstufe in Szene gesetzt. Eigene Texte, eigene Musik, eigene Inszenierung. Schauen Sie zuerst einmal unter http://faustgym.blogspot.de/ ein paar Szenenausschnitte an. Dann machen Sie sich klar, dass Steven Spielberg auch einmal an einer Schule unterrichtet wurde. Dann erfassen Sie das Prinzip.

Vor zwölf Jahren bei der EXPO2000 haben wir unser Konzept zum ersten Mal einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt. Die international hochrangig besetzte Jury  war der Meinung, dass sie genau solche Möglichkeiten für sich selbst früher gehabt hätten

Sie gehörten natürlich sicher auch schon als Jugendliche zu den Machern und mussten normalerweise leider noch warten bis zum Ende der Schule, um loszulegen. Wir vertreten die Meinung, dass die zukünftigen Leistungsträger ruhig schon bei uns loslegen sollen. Dann haben wir auch was davon. :-) Zwei zentralen EXPO2000-Aussagen waren:

” 3% eines Jahrgangs sind innerhalb der Schule hochaktiv, wenn man ihnen eigenverantwortlich die Möglichkeit dazu gibt. Mit dem persönlichen Umfeld werden daraus 10% Aktive. Und 10% Aktive können das Bild einer Schule wesentlich verändern, wenn man dies zulässt.” Und “Gebt Jugendlichen maximal viele Möglichkeiten, sich zu begeistern, sich zu beweisen, sich einzusetzen, aktiv zu werden, selbst Inhalte zu finden, eigene Fähigkeiten zu entdecken, ernst genommen zu werden – dann habt ihr viel für die Zukunft getan.”

Die Göttliche Komödie ist ein geradezu klassisches Beispiel für dieses Prinzip. Lasst die neue Generation von Zukunftsträger/innen doch bitteschön schon mal an der Schule eigenständig arbeiten. Das sind ja gar nicht so viele, denen Schule am Ende definitiv zu eng wird. Aber genau die sind es, die Schule extrem weiterbringen können.

Zum Beispiel im Moment bei uns auch die Jahrbuchleute. Machen echte Profiarbeit. Spätere Redakteure, Journalistinnen, Layouter, Texterinnen, Photografen, Werbetexterinnen, Designer, Vertrieblerinnen etc arbeiten hier mit. Klar kann es niemand eins zu eins zuordnen, wer genau später was macht, aber sie sitzen trotzdem definitiv schon alle da, die späteren Redakteure, Journalistinnen, Layouter, Texterinnen, Photografen, Werbetexterinnen, Designer, Vertrieblerinnen etc

Also arbeiten wir doch gerne mit ihnen schon in der Schule zusammen. Und natürlich auch mit den zukünftigen Sozialarbeitern, Lehrerinnen, Personalleitern und Psychologinnen des Flügelverleihs.

19. April 2012

Eine Bitte für Ihr Kind

Abgelegt unter: Elterncoaching — heinz.bayer @ 15:25

Hat es geklappt? Haben Sie seit dem letzten Flügelverleih Blog-Eintrag Schule ein wenig mehr in den Himmel gehoben? “Nein”, sagen Sie. “Wenn Sie wüssten, was diese Lehrer/innen in dieser Woche schon wieder schlecht gemacht haben ……” Dann müssen Sie jetzt lernen, für Ihr Kind komplett zu schauspielern. Sie dürfen es bitteschön einfach nicht täglich ins Loch schicken. Sie müssen es täglich auf den Berg schicken. Auf den Berg, der wichtig ist. Damit die Noten einfacher zu machen sind. Machen Sie es Ihrem Kind doch nicht unnötig schwer. Schimpfen Sie morgens vor dem Spiegel auf uns Lehrer, soviel Sie wollen. Wenn es Ihnen gut tut. Aber stärken Sie die Position des Lehrers gegenüber Ihren Kindern. Weniger Lernen und besserer Schulerfolg ist das Ergebnis. Weil man positiv eingestellt leichter lernt. Warum also negativ eingestellt sein, wenn man nicht Schulmasochist ist. Ich weiß, manchen von Ihnen fällt allein schon der Gedanke daran, zu schauspielern, ungeheuer schwer. Weil das “In Schutz nehmen” und das “der Lehrer ist schuld” ja so menschlich ist. So verständlich, Aber leider auch so kontraproduktiv. Sie haben ein gutes Gefühl und ihr Kind muss es ausbaden. Der falsche Ansatz, sage ich. Ich male es Ihnen einmal auf. :-)

15. April 2012

China und Schule heute

Abgelegt unter: Chinesisch — heinz.bayer @ 05:33

Klar, China. Fast 50 haben sich an unserer Schule zur Chinesisch AG angemeldet. Klasse sieben. Fast ein Drittel, die oder deren Eltern meinen, das wäre die Zukunft. Vielleicht ist es ja die Zukunft. Das chinesische Schulsystem. Haben wir etwas dagegenzusetzen? Werden wir langfristig daran untergehen? Also unsere Enkel? Wird das chinesische System langfristig “erfolgreicher” sein? Wenn man Berichte liest, dann graust es jemanden wie mich. Wenn man von unseren Austauschen Berichte hört, dann ist es wie aus einer anderen Welt. Campingurlaub ist für 2 Wochen im richtigen Monat am richtigen Ort wundervoll. Nicht aber das ganze Jahr. Beim Austausch 2 Wochen mitzuerleben, wie chinesische Schüler/innen an Gymnasien nichts als nur Lernen und Schule und Leistung als Lebensphilosophie definieren müssen, um mitzuhalten, das ist als Beobachter spannend auszuhalten. Weiss man doch, man kommt wieder zurück nach Deutschland. Ein kleiner Link am Rande.

http://www.spiegel.de/schulspiegel/ausland/0,1518,815668,00.html

Zu Hause ist es dann im Rückblick wie Folklore. Dabei ist es die größte Herausforderung, diesem Leistungswahnsinn etwas Sinnvolles entgegenhalten zu können. Könnten wir oder sind wir chancenlos? Werden die chinesischen Schüler/innen in 20 Jahren das Rennen machen und unsere Kinder nähen die Shirts für die Chinesen? Was setzen wir dagegen? Ich wüsste etwas. Ich nehme einmal meine Lebensphilosophie der letzten Woche. Und kombiniere sie mit der Aussage, dass Schule in Deutschland in den letzten 30 Jahren richtig gut geworden ist. Ich wiederhole. Richtig gut. Richtig sehr gut. Ich sehe viele Leser/innen den Kopf wie wild schütteln. “Spinnt er, der Bayer? Richtig sehr gut? Der kennt die Lehrer/innen meines Kindes nicht.” Ich sage, Sie kennen die Lehrer/innen nicht, die ich hatte. Und die mein Vater hatte. Da würden Sie schlecht schlafen. “Was will er uns denn jetzt damit sagen?” fragen Sie zu recht. “Wäre es denn nicht so einfach. Man liest es doch dauernd, wie toll Unterricht sein könnte und dann würde Ihren Kindern alles ganz leicht fallen und sie würden strahlend aus der Schule kommen und begeistert von Mathematik erzählen. Oder von Chemie?” Ich sage es einmal so: Klar kann Schule immer besser werden. Aber Schule in Deutschland, speziell in Baden-Württemberg ist schon verdammt gut. Das sollten Sie Ihren Kindern täglich sagen. Und nicht das Gefühl vermitteln, dass die Lehrer/innen unfähig sind. Sorry, ich meine natürlich nicht Sie persönlich. Ich meine Sie als Gesellschaft. Selbst von guten Freunden, die in der Industrie oder dem Handwerk arbeiten, höre ich es seit 30 Jahren. Diese Plattheiten über uns Lehrer. Mit geht es zum einen Ohr rein und zum anderen Ohr raus. Ich gestehe. Ich weiß, wie viel Arbeit in meinem Job steckt, das reicht mir. Was mich aber immer wieder richtig wütend macht, ist die Tatsache, dass diese Plattheiten an den Mittagessenstischen dieses Landes in der Schule genau das bewirken, was aus unserem, dem chinesischen an Lebensqualität und Effektivität weit überlegenen Schulsystem ein Versagersystem für die Schüler/innen macht, deren Eltern in guter Absicht, ihrem Kind zu helfen, genau das Gegenteil bewirken. Verstanden? Sorry, mein Satzbau. Mein Deutschlehrer hat den auch immer bemängelt. Mein Bauch sagt, ein Drittel der Schüler/innen in jeder Klasse muss inzwischen leider damit leben, dass ihre Eltern Schule mehr kritisieren als respektieren. Die “Schuld” schlechter Leistungen lieber beim Lehrer und nicht beim Kind suchen. Mit einer viel zu großen Erwartungshaltung an dieses Schulsystem, das noch nie so gut war wie heute – und ich meine das ernst – herangehen und ihm damit die Stärke nehmen, die es besitzt. Stärke besitzt es nur, wenn es ernst genommen wird. Ein Drittel aller Eltern nehmen es aber nicht ernst, träumen von einem utopischen System, das nicht durch schlichten Arbeitseinsatz, sondern durch die pure Lust gute Leistungen hervorbringt. Unsere chinesischen Austauschschüler/innen sind zumindest immer sehr verwirrt, wie wenig Respekt so manche deutsche Schüler dieser Institution entgegenbringen. Keine Sorge, ich meine immer noch nicht Sie. Es sind die anderen Eltern. Aber Ihr Kind sitzt natürlich auch in einer Klasse, in der nichternsthafte Kinder sitzen. Könnte man ernsthafte und nichternsthafte Kinder in verschiedenen Klassen verteilen und mit den gleichen Methoden unterrichten, dann könnte man die Auswirkung der Ernsthaftigkeit auf die Schulleistung in der Praxis beobachten. Bei den gleichen Lehrer/innen. Und wenn sich dann flächendeckend verbreiten würde, dass dieses baden-württembergische Schulsystem mit all seinen Facetten und dem unentwegten Ausprobieren, was man noch besser machen könnte, ganz wundervoll ist und allen Eltern klar wäre, dass diese Welt sehr klein geworden ist und man dem chinesischen Dauereinsatz der Schüler/innen nur eines entgegenhalten kann: Schule so wie sie ist richtig doll ernst zu nehmen und den elterlichen Anspruch nicht permanent weiter anzuheben – zum Nachteil der eigenen Kinder – dann hätten wir richtig viel Schulentwicklung auf den Weg gebracht. (keine Sorge, ich meine natürlich immer noch nicht Sie, ich meine die anderen :-) ) Um am Ende in 20 Jahren weiterhin sagen zu können: “Made in Germany zählt immer noch!”

Ich male es noch auf, was ich meine. Klar doch.

8. April 2012

Frohe Ostern

Abgelegt unter: Philosophisches — heinz.bayer @ 08:11

Liebe Leserin, lieber Leser

Zu Ostern gibt es meine Lieblingslebensphilosophie als Bild.

Frohe Ostern

1. April 2012

Den Drachen zähmen

Abgelegt unter: Jungenproblematik — heinz.bayer @ 09:04

Unser Drachenzähmkurs Nummer eins für die ersten vier Jungs ging erfolgreich zu Ende. Was wir gemacht habe, um die überbordenden Kräfte der jungen Männer zu zähmen? Ich muss Sie enttäuschen, wenn Sie auf einen Trick oder ein ausgeklügeltes Konzept hoffen, das Sie einfach so übernehmen könnten. Unser Konzept heißt: Ernst nehmen, zuhören, reflektieren, sich Zeit nehmen. Die Situationen, in denen der Drache aufbrausend und unkontrolliert losstürmte, sind bei den betreuten Jungs massiv zurückgegangen. Die Teilnehmer haben außerdem alle am Ende zurückgemeldet, dass ihnen die Sitzungen gut getan hätten und dass es schade ist, dass der Kurs vorbei ist. Wir Menschen werden gerne wahrgenommen. In unseren Stärken und Schwächen. Wobei das Wahrnehmen in den eigenen Schwächen für viele ein Problem ist.

Ich behaupte, dass man die allermeisten Probleme an Schulen dadurch lösen kann, indem man sich Zeit nimmt, zuzuhören und zu beraten. Ernst zu nehmen. Denn – und dies ist eine alte, aber wichtige Einsicht: Schüler sind ganz normale Menschen wie du und ich. Nur eben jünger und einige Zeit auch im Ausnahmezustand namens Pubertät. Ernsthaft beraten ist eine Sache des eigenen Menschenbildes und des Erfolgswillens des zu Beratenden.

25. März 2012

Studierstunden

Abgelegt unter: Studierstunden — heinz.bayer @ 08:13

Es ist wieder so weit. Abitur und viele, viele ausfallende Stunden, weil all die Abitursklausuren auch korrigiert sein wollen. Korrekturfrei heißt die einzige Möglichkeit für Lehrer/innen. Zwar reicht ein Achtstundentag nie für 10 Abiturs-Klausuren, so wie es verrechnet wird, aber wir sind schon froh, wenn man Unterrichts-Entlastung hat. “Wie geht’s dir?” frage ich gestern einen Kollegen. “32 Deutschklausuren” ist seine Antwort. Und grinst.  Korrigieren gehört zu unserem Beruf. Nur wollen wir uns nicht so gerne von Eltern erzählen lassen, dass wir Abitursklausuren doch bitte nebenher machen könnten. Deshalb gibt es bei uns die Studierstunden für Schüler/innen. Eine wunderbare Möglichkeit, in einer Zeit, in der der Kopf am Morgen noch richtig frei ist, ein eigenes Stundenpensum mit der eigenen Lerngeschwindigkeit zu planen. Man weiß es immer schon am Tag vorher. Man kennt seine nächsten Klassenarbeiten. Man muss immer Vokabeln lernen und wenn man in Mathe seine Lücken finden will, bieten wir in diesem Jahr allen Klassen für die Studierstunden einen Mathe-Lückenanalysator an. Wer trotzdem lieber Stadt-Land-Fluss spielt, der hat Schule noch nicht kapiert. Die Vormittage sind zu wertvoll, um ihre Zeit zu verschenken. Studierstunden sind Chancenstunden. Aufholen, wenn andere abhängen. Man muss nur verstehen, dass am Ende das Abitur steht und die Inhalte, die man heute wissen muss, entgegen der allgemeinen Meinung um einiges komplexer als früher sind. Klar. Weil man ja auch mehr Fächer abdecken muss. Außerdem bleibt die Wissenschaft nicht stehen. Einen guten Abitursschnitt erreicht man im Normalfall nur, wenn man in den vielen Jahren davor genügend eingepackt hat. Also: Einpackstunden, Chancenstunden, Studierstunden. Es gibt auch Zweitkorrekturtage und das mündliche Abitur mit Stundenausfällen. Ab Ostern sollte man als professionelle/r Schüler/in zentral auf sich selbst setzen.

Speziell Schüler/innen in Versetzungsgefahr sollten sich bewusst werden, welche Chancen sie in diesen Studierstunden haben. Die Zeit, aufzuholen und Mitstreiter/innen, die Dinge erklären können, wenn man sie fragt.

18. März 2012

Und immer noch Bahnhof

Abgelegt unter: Den Bahnhof verstehen — heinz.bayer @ 07:14

Das ist eben das wirklich Neue im Moment. Die Betreuung der Fünftklässler hat echte Routine bekommen. Mit wenigen Ausnahmen sind wir im Moment sehr zufrieden mit dem Konzept. Aber der Bahnhof ist nagelneu. Entwickelt von Coachs, die “unterbeschäftigt” waren und denen wir die Aufgabe gegeben hatten, Ideen in die Welt zu setzen, wie wir unterbeschäftigte Coachs sinnvoll beschäftigen könnten. “Entlassen” wollten wir niemanden. Dafür ist die Erfahrung für die Coachs zu wertvoll. Der Flügelverleih ist immerhin ein Konzept für beide Seiten. Also “Den Bahnhof verstehen”. Hochspannend, wenn junge Menschen ankommen, die wirklich lernen wollen. Diese Voraussetzung ist Gold wert. Sie meinen, das wäre doch sicher im normalen Unterricht auch so? Träumen Sie weiter.

Wer die handelsübliche Nachhilfe benötigt, der muss sich nach wie vor einen sehr guten Schüler oder eine Schülerin suchen und ihm oder ihr 7 bis 10 Euro die  Stunde bezahlen. Oder sich bei einem der vielen Nachhilfeinstitute einschreiben. Und 15 oder 20 Euro die Stunde zahlen. Bei unserem Konzept “Den Bahnhof verstehen” setzen wir auf eine vollkommen andere Schiene. Wir setzen auf möglichst viel Eigenständigkeit, die Schüler/innen selbst aufbringen können. Wir setzen auf einen Ort, zu dem man kommt, um möglichst viel selbst seine Fähigkeiten zu überprüfen und selbst bei Lücken aktiv zu werden. Und dann aktiv nachzufragen. Sich aktiv fehlendes Wissen erklären zu lassen. Dabei muss das Ziel sein: Am Ende möglichst wenig zu bezahlen, weil man maximal viel selbst schon zu Hause erarbeiten kann. Also mit möglichst wenig Nachhilfe auszukommen. Wir bezahlen jeden Nachmittag Coachs für die Betreuung der Hausaufgaben. Das kostet uns in der Woche bei 70 Coachs, von denen jeder zwei Stunden in der Woche arbeitet, 700 Euro. Da wir es uns auf Grund der hohen Zahl von recht kompetenten Coachs leisten können,  einzelne Coachs für unser “Den Bahnhof verstehen” Konzept freizustellen, ist die Rechnung einfach: wer einen Coach zwei Schulstunden bucht, der bezahlt auch diesen Coach. Wer mit einem Freund zusammen kommt, bezahlt zusammen mit ihm. Zu dritt ebenfalls. Dieses Prinzip soll helfen, zu lernen, dass man sich auch untereinander sehr viel weiterhelfen kann, ohne gleich Nachhilfe zu bekommen. Eine Möglichkeit, die wir auch noch ausprobieren, sieht vor, dass kleine Lerngruppen zum Hausaufgabenmachen kommen und wie die Fünftklässler berechnet werden. Sich also nur ab und zu Tipps einholen. Ansonsten die Hausaufgaben selbst erledigen. Sich zu Mathe-machen zu treffen, kann manchmal Berge versetzen. Und immer parallel das wesentliche  Ziel im Auge zu behalten: Möglichst viel im Unterricht mitzubekommen, möglichst eigenständig zu Hause seine Aufgaben zu lösen, für Aufarbeitungs- und Vertiefungsrunden sich mit Freunden zu treffen und erst bei Lücken, die man nicht selbst füllen kann, “den Bahnhof verstehen” im Flügelverleih zu nutzen. Wir bieten somit flexible Betreuung mit der klaren Aussage, dass unser Konzept nicht mit der üblichen Nachhilfe mit den üblichen Ansprüchen verwechselt werden darf. “Den Bahnhof verstehen” erwartet hohen Eigeneinsatz bei der schulischen Problembewältigung. Für Eltern, die  diese Methode für ihre Tochter oder ihren Sohn für nicht praktikabel halten, weil es genau an dieser Eigeninitiative fehlt, können wir nur noch unser “Raus aus der Falle” Konzept auf www.maennerrevolte.de anbieten. :-) Quasi als mentales Starterpaket.

Wir haben übrigens auch schon die Skype-Unterstützung bei Hausaufgaben angedacht. Genau dann, wenn man nicht mehr weiterkommt, die Skype-Verbindung zu dem dann gerade “diensthabenden” Coach herstellen, um die schnelle kleine Frage zu stellen. Wir arbeiten an der Idee. Wäre doch zauberhaft. Ferienschule auf diese Art ebenfalls. Oder mit Coachs in den Ferien im Flügelverleih. “Aufholen, wenn die anderen abhängen” könnte dass Projekt heißen. Wir bleiben dran.

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