Flügelverleih meets Hattie

19. August 2011

Lehrerkollegium

Abgelegt unter: Kollegium — heinz.bayer @ 21:37

Das ist, wie es ist. Und das für das nächste Vierteljahrhundert. Zumindest in Baden-Württemberg. Der Doppeljahrgang ist 2012 überall durch. Einstellungsstopp für die meisten Fächer. Gar nicht mehr so viele Kolleg/innen, die in den nächsten vier Jahren in Pension gehen. Und dann sind die Kollegien erst einmal ziemlich jung. Ein Vierteljahrhundert zwischen den jüngsten Ältesten und den ältesten Jungen. Kaum jemand wurde zwischendurch eingestellt. Und das Spiel wiederholt sich. Wenn man also davon träumt, dass sein Kind, das gerade die Grundschule besucht, auf das örtliche Gymnasium kommt, das dann nach der Phase der Selbst- und Fremdevaluation wunderbar individuell und nach neuesten pädagogischen und didaktischen Erkenntnissen hocheffizient betreut wird, dann wird man uns Lehrern nicht gerecht. Denn wir sind nicht so, wie man uns in seinen Träumen gerne hätten. Weil wir ganz normale Durchschnittsakademiker sind, bei denen es die ganze Bandbreite von pädagogischen Fähigkeiten gibt. Im Durchschnitt viel besser als unser Ruf. Man merkt es nicht, weil das Problem Schule an ganz anderer Stelle klemmt. Die Vorstellung, Lehrer dürfte man nur werden, wenn man Herz und Seele Vollblut Begnadeter ist, bei dem die richtige Pädagogik Teil der Persönlichkeit ist, ist vollkommen blauäugig und naiv. Fragen Sie einmal Juristen nach Ihrer juristischen Herz-und-Seele-Persönlichkeit oder Betriebswirte. Klar wäre es ein schöner Traum, aber in der Realität muss man mit Tatsachen arbeiten. In der Realität gibt es für die allermeisten zukünftigen Gymnasiasten die normalen Regelgymnasien mit einer Lehrerverteilung nach dem Gießkannenprinzip. Wir Lehrer werden einfach nach Bedarf verteilt. Nur in absoluten Ausnahmefällen nach den pädagogischen Vorstellungen der Schule, wie das in der Schweiz der Fall ist. Fakt ist: Unsere Ausbildung gibt uns die fachliche Kompetenz. Genau das sollte man als schlichte reale Grundlage ansetzen und mit einem komfortablen Betriebssystem Schule samt einem möglichst zufriedenen schulaktiven Kollegium gute Arbeit machen. Die jetzigen Lehrerkollegien sind – zumindest in BW – die real existierenden Lehrerkollegien der nächsten 25 Jahre.

Eine Schule sollte neben den notwendigen fachlichen Fähigkeiten auf die speziellen Fähigkeiten der einzelnen Kollegen setzen und ihnen genügend Raum geben, diese auch einzusetzen. Das Prinzip Kaktus auch für Lehrer. Und bitte kein pädagogisches Prinzip einführen, das nicht zum Kollegium passt. Man muss jetzt zumindest dem Gießkannenprinzip Rechnung tragen. Gute Schule baut man mit den Fähigkeiten der existierenden Kolleginnen und Kollegen. Nicht an ihnen vorbei.

Dem Kollegium muss es gut gehen. In einer Zeit, in der man haushaltsmäßig nicht aus dem Vollen schöpfen kann, ein zentraler Ansatz. Man achte auf das Wohlfühlen der einzelnen Kolleginnen und Kollegen, wenn man gute Schule machen will. Mit Kollegen, die sich nicht wohlfühlen, ist kein pädagogischer Blumentopf zu gewinnen.

Für Chefs gilt deshalb: Halten Sie die die Hierarchien so flach wie möglich. Erweitern Sie Ihr Direktionsumfeld so breit wie möglich. In der Schweiz scheint es in diesem Bereich viel weniger schwierig zu sein, Direktionsteams an Schulen zu installieren. Deutsche Schulen könnten sich davon ein dickes Stück Kuchen abschneiden.

Klar. Am Ende trägt immer der Chef die Verantwortung. Deshalb ist das „Zulassen und Vertrauen“ anfangs ja auch so eine schwierige Aufgabe für Direktoren. Weil man beim Prinzip Kaktus die Fäden aus der Hand geben muss.

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