Unsere Kunden
Wir sind ein Landgymnasium. Wir haben Kunden, die von den verschiedensten Grundschulen mit den verschiedensten Grundlagen kommen. Und wie bei jeder Schule aus den verschiedensten Familien mit den verschiedensten Vorstellungen von der Bedeutung von Arbeitshaltung. Wenn wir den Grundschulen einen Rat geben dürften, dann würde der heißen: Egal, welche pädagogischen Vorstellungen ihr umsetzt: Achtet auf die Arbeitshaltung. Denn die Arbeitshaltung, das verfolge ich seit 15 Jahren in all meinen 5. Klassen, denen ich als Klassenlehrer Arbeitshaltungszeugnisse von den Fachkolleg/innen ausstellen lasse – die Arbeitshaltung in der 5. und 6. Klasse ist zu 90% der wesentliche Indikator für den Erfolg beim Abitur. Wer in 5 und 6 nicht mit der richtigen Arbeitshaltung in seinem Schülerleben herumläuft, der wird in der pubertären Phase 7 bis 9 auch nicht zu der richtigen Haltung finden und nach 5 Jahren verläpperter Lernzeit reicht ein Durchstarten nicht mehr aus, um wirklich erfolgreich zu sein.
Also geht es genau darum: Wir bekommen junge Kunden mit den unterschiedlichsten Fähigkeiten und Arbeitshaltungen. Unproblematisch sind alle Kunden mit mittelmäßigen bis sehr guten Fähigkeiten samt guter bis sehr guter Arbeitshaltung. Unsere Problemkunden sind die guten bis schwachen Fünftklässler/innen mit schlechter Arbeitshaltung. Fünftklässler/innen mit sehr guten schulischen Fähigkeiten und einer schlechten Arbeitshaltung können erfahrungsgemäß immer am Rande segeln ohne abzustürzen, weil sie immer genügend Kapazitäten übrig haben. Auch um sie muss man sich keine Gedanken machen – wenn man das Erreichen des Abiturs als einziges Ziel ansieht.
Das Ziel des Gymnasiums
Abitur – klar doch.
Aber das reicht natürlich bei Weitem nicht aus. Wenn in manchen Städten inzwischen fast die Hälfte eines Jahrgangs den gymnasialen Weg beschreiten, muss man mehr mitnehmen als nur das Reifezeugnis. Ich bin seit 30 Jahren ein Biographienverfolger. Höre mir unentwegt die Entwicklungsgeschichten an, wenn ich beim Abiball oder beim OpenAir auf Ehemalige treffe. Und auch da ist es ganz klar: Wer aus der Schule die richtige Arbeitshaltung mit ins Studien- und Berufsleben nimmt, der macht seinen Weg überwiegend problemlos. Wenn ich es in eine kurze Formel packen müsste, was denn das Ziel der gymnasialen Ausbildung sein soll, würde ich 3 Dinge nennen: Selbstbewusstsein, Arbeitshaltung, Abitur.
Oder: Selbstbewusstsein, Arbeitshaltung und rechtzeitig einen anderen schulischen Weg eingeschlagen. Denn Abitur ist eben nicht alles. Schwaches Abitur, verkümmertes Selbstbewusstsein und nie gelernte stimmige Arbeitshaltung sind ein erbärmliches Sprungbrett ins Leben nach der Schule.
Das Menschenbild einer erfolgreichen Schule
Jeder Erwachsene war einmal Schüler. Schüler sind also in erster Linie einmal ganz normale Menschen, die später zu ganz normalen Erwachsenen werden. Wer das Schülerleben mit dem Abitur abschließt, wird in Normalfall beruflich Juristin, Betriebswirt, Ärztin, Mikrosystemelektroniker, Bauingenieurin, Architekt, Professorin, Wissenschaftler, Lehrerin, Informatiker usw usw. Also irgendwie ganz schön viel Persönlichkeit. Gesellschaftlich gesehen. Stellt sich die eine Frage: Wie viel Persönlichkeit von seiner späteren Erwachsenenpersönlichkeit besitzt ein junger Mensch schon in der 5. Klasse? Gute Schule macht sich klar: Fast alles. Nur verpackt. Ganz dick eingepackt und noch nicht mit dem nötigen Wissen und der nötigen Lebenserfahrung ausgestattet. Aber ansonsten: 30 Persönlichkeiten dick verpackt und noch nicht erkennbar, welche Persönlichkeiten da in so einer Klasse sitzen. Wie lange es dauern wird, bis sie zum Vorschein kommen. Bei manchen schon in der Schule, bei anderen erst Jahre später. Aber egal wie wild und verwegen sie verpackt im Unterricht sitzen: „Es sind die zukünftigen Leistungsträger, die man unterrichtet und als Kunden zu behandeln hat. Auch wenn das je nach Verpackung manchmal äußerst schwierig ist. Und dann sollte man noch darauf achten, dass, egal wie dick verpackt, in der Verpackung die Persönlichkeit erhalten bleibt. Und gleichzeitig das persönliche Wissen und die Lebenserfahrung positiv entwickelt werden. Da dies im normalen Schul-Alltag eine Utopie für jeden einzelnen Lehrer und jede einzelne Unterrichtsstunde ist, muss man auf ein Schulbetriebssystem setzen, das die folgenden Überlegungen kontinuierlich vermitteln kann: Nimm die Lehrer mit ihren Ecken und Kanten. Erwarte nicht, dass sie es alle schaffen, dich in einer Ummantelung emotional so zu erreichen, dass du immer gerne lernst und konzentriert aufpasst. Verlasse dich in erster Linie genau auf dich selbst. Du besitzt genügend eigene Persönlichkeit, um die fachliche Kompetenz deiner Lehrer zu nutzen. Genieße die Lehrer, zu denen du den richtigen Draht bekommst, aber verzweifle nicht an denen, die dir nicht so liegen. Es gibt immer ein Gesamtsystem Schule, das dich stützt, berät und deine Qualitäten schätzt. Auch wenn die Noten vielleicht nicht so gut sein sollten.“
Das ist es, was Schule insgesamt vermitteln können sollte. Die Relativität der Noten. Wie viele Fachleute, die früher in der Schule ihrem Fach gar nicht so gut waren. Da die gängigen Schulstrukturen nicht darauf angelegt sind, den einzelnen Schüler individuell fördern zu können, jeden auf seinem aktuellen Wissens- und Leistungsstand und jeden mit seiner eigenen Lerngeschwindigkeit und seiner eigenen Zieldefinition, muss man die Noten prinzipiell relativieren und als Betriebssystem Schule dauernd klar machen: Eine Drei minus in Klasse 9 Mathematik heißt nicht Drei minus als späterer Soziologe oder Verwaltungsfachmann. ( Übrigens: ich schließe bei Schüler natürlich immer Schülerin mit ein, bei Soziologe die Soziologin und beim Verwaltungsfachmann die Verwaltungsfachfrau. Mir ist es im Moment nur zu sperrig, Schüler/in oder Schülerin und Schüler zu schreiben und SchülerIn mag ich nicht.) Ich habe so viele lebenserfolgreiche Biographien erfahren, die „mittelmäßig“ in der Schule begannen, dass ich mich eigentlich wundere, dass das Prinzip der Relativität von Noten nicht schon lange in allen Köpfen ist. Von klein auf. Die Nachrichtensprecherin, die erst spät zu sprechen begann, der Profi-Fußballer, der erst spät zu laufen anfing, der Informatiker, der in Klasse 6 seine großen Probleme mit Zahlen hatte … Sie selbst können sicher auch bei sich genügend Bereiche finden, in denen Sie sich heute kompetent fühlen, in denen Sie in Ihrer Jugend noch kein Land sahen. Oder Ihre Noten so waren, dass Sie damals persönliche Schwachstellen vermuteten. Anstatt die unterschiedliche Entwicklung von uns Menschen in den verschiedensten Bereichen des Lebens als Grundlage mit einzubeziehen.
Nur ein Bruchteil unserer Fähigkeiten wird schulisch erfasst. Deshalb keine Angst vor der Drei minus. Die gehört zum grünen Bereich. Die Grenze Vier sollte man natürlich wenn möglich immer meiden, weil hinter der Vier die Fünf und damit die Versetzungsordnung schnell mal eine Rolle spielen kann. Das Zauberwort für alle, die Klasse fünf und sechs problemlos hinter sich gebracht haben: Arbeitshaltung. In der 5. Klasse haben wir zum Halbjahr Arbeitshaltungszeugnisse für alle erstellt. A wie sehr gut bis e wie sehr schlecht. Fast jede/r Lehrer/in hatte gepunktet. Vierstündige Fächer wurden doppelt gewertet.
Ob schwarz männlich oder weiblich ist, muss ich Ihnen sicher nicht erzählen. Zu diesem grundsätzlichen Problem später eine grundsätzliche Vision.