Ich gestehe, Unterstufentheater ist für mich pädagogische Pflichtübung. Das kann ich als echte Zeitmaschine verwenden. Wer Sechst- und Siebtklässler einmal auf der Bühne gesehen hat, wie sie eigene Rollen spielen, der vergisst, dass sie in Naturphänomene vielleicht eine falsche Schaltung gebaut haben oder in Mathematik ein paar Schwächen aufweisen. Denn Schwächen hat jeder Mensch. Deshalb schaut man ja auch in der Erwachsenenwelt auf die Stärken des Maschinenbauers, die Stärken der Staatsanwältin, die Stärken des Schriftsteller, die Stärken der Ärztin, etc sie verstehen schon und nicht auf die Schwächen eines Mathematik- und Physiklehrers in Hinblick auf seine Sprachkenntnisse in der französischen Sprache. Im Theater kann man wie in einer Zeitmaschine durch diese lange Schulzeit der Bewertung von Menschen hindurchblicken und bemerkt, mit welchen Persönlichkeiten wir in der Schule zusammenarbeiten dürfen. Unabhängig von ihren Schulnoten. Man sieht, zu was unsere Schüler fähig sind, wenn sie sich in eine Sache verbeißen und bei der Sache bleiben. Es muss nicht Theater sein, man kann es an vielen Dingen sehen, in denen plötzlich Geduld, Aufmerksamkeit, Konzentrationsfähigkeit und Begeisterung zum Vorschein kommen. Die Idee der A- B- C-Wochen im Flügelverleih gehen ja genau in diese Richtung. Den Leuten möglichst viele Möglichkeiten zu zeigen, in denen man eigene Interessen finden kann.
Auch etwas anderes hat mich in dieser Woche bewegt. Meine vor kurzem noch Fünftklässler saßen im Schriftlichen Abitur. Damals die legendäre Fünf Emil. Wir hatten in unserem Fünfklasslehrerteam die Meinung vertreten, dass man möglichst breit fördern muss. Auch fordern muss. Das man auf Eigenständigkeit setzen muss, auf Durchhaltevermögen. Wir führten viele Diskussionen über jeden Einzelnen. Was wohl aus ihnen wird. Wie sie wohl die Schule meistern werden. Und noch wichtiger: Das Leben danach. Was habe ich mir den Mund fusslig geredet, immer in der Absicht, den Schalter bei möglichst vielen auf Eigenständigkeit umzulegen. Das ist ein langer Prozess, den man erst Jahre später bewerten kann.
Ich habe mir deshalb natürlich auch das bisherige Notenbild meiner damaligen Fünfer angesehen. Wir bekommen Erfolgsmeldungen oft erst Jahre später. Und dann kann man sie nicht zwingend genau zuordnen. Trotzdem: Der Blick auf die Noten der Fünf Emil ist für mich persönlich einmal wieder mehr die Bestätigung, dass es enorm wichtig ist, in der 5. und 6. Klasse alles zu unternehmen, dass die Ernsthaftigkeit des Lernens in die Köpfe kommt, dass die platte Wahrheit „Man lernt nicht für den Lehrer sondern für sich.“ unkompliziert, bunt, verrückt und überzeugend in die Köpfe kommt, damit sie die schwierige Phase der Pubertät überdauern kann. Ich habe letzte Woche an meine alten FünfEmilianer die Frage gemailt, was ihnen aus der heutigen Sicht die Motivationsarbeit in der fünften Klasse gebracht hat. Ob es nur pädagogisches Pillipalli eines Lehrers war oder ob es Substanz bekam. Mit der Bitte um kritische und ehrliche Meinung.
Hier Auszüge aus drei Rückmeldungen. Balsam für eine Lehrerseele.
… Dass es direkt was bringt, hätte ich nie gedacht, aber ich habe mich schon relativ früh (so 8./9.) dabei ertappt, wie ich plötzlich ganz unbewusst, ein paar dieser Dinge umgesetzt habe. Früh anfangen mit dem Lernen, jeden Tag ein bisschen wiederholen, das waren doch die Ansätze des Ganzen….
… Nun zu ihrer Frage: Meiner Meinung nach haben Ihre motivierenden Ideen wirklich dabei geholfen, mir klarzumachen, dass ich nicht für die Lehrer oder sonst wen, sondern ganz alleine für mich lerne. Ich denke genau das habe ich die restlichen Jahre auch getan und bin immer am Ball geblieben. …. im Großen und Ganzen bin ich mit mir zufrieden und kann auf jeden Fall sagen dass ich sehr viel mitgenommen habe und das ist denke ich die Hauptsache ….
…. Das Interessante an der ganzen Geschichte ist: zwar haben die Ideen bei mir nicht sofort Früchte getragen, aber sie blieben im Hinterkopf und irgendwann wurde einem dann doch unterbewusst klar: Mensch, eigentlich hatte der Bayer mit seinem Unfug ja schon irgendwo recht. Was soll ich hier in der Schule sitzen und nichts mitnehmen? Wieso nicht die Chance nutzen und was draus machen? Als ich den berühmten „Schalter“ dann umgelegt hatte, ging’s bergauf. Versetzungsgefährdet war ich fortan nicht mehr. Aus dem frechen, unruhigen und unkonzentrierten kleinen Schlitzohr, wurde dann irgendwann doch noch jemand, der in der Schule (mehr oder weniger) ruhig da sitzen konnte, locker einen 2er-Schnitt eingefahren hat …. Damit hätte in der 5. Klasse tatsächlich absolut niemand gerechnet, was ich auch immer wieder zu hören bekam.
Das lass ich doch einfach für diese Woche mal so stehen.
Noch ein Tipp: Freitag und Samstag sind noch Aufführungen des Unterstufentheaters.