Es ist mal wieder soweit. Alle Jahre wieder. Die Qual der Wahl. Das fängt mit den jetzt noch Viertklässlern an, die sich entscheiden müssen, ob sie Biberacher Modell oder Französisch oder Englisch wählen sollen, wenn sie dann als frischgebackene Fäustlinge bei uns antreten. Und dann müssen die Siebtklässler in den nächsten Wochen entscheiden, ob sie als neues Hauptfach Italienisch, Französisch, Naturwissenschaft und Technik, kurz NWT oder Sport wählen. In der 8. Klasse werden die Klassen neu zusammengesetzt. Also eine Wahl, die auch über das Leben an sich entscheidet. Na ja, eben die Frage: Wie bekomme ich es hin, mit meinem besten Freund in einer Klasse zu bleiben. Das sind oft schmerzhafte Erkenntnisse. „Du Mama, ich wähle Italienisch. Wie der Paul. Das ist ne total coole Sprache.“ Meint der junge Mann neben mir. „Ich glaub’s nicht. Hast du dir mal überlegt, wie gerne du in Englisch und Französisch Vokabeln lernst?“ meint die Mama und behauptet, dass die Drei und die Drei bis Vier in den Sprachen sicher keine guten Eintrittskarten in eine Sprachklasse wären.
Ja, da muss man der Mama zustimmen. Denn es gibt eigentlich nur eine einzige sinnvolle Eintrittskarte in ein neues Fach: Man muss es gerne tun wollen. Nicht nur können wollen. Man muss Biss mitbringen. Deshalb ist die Qual der Wahl für unsere Flügelverleihmenschlein in einem oder in zwei Jahren schon jetzt eine wichtige Frage. Woher nehme ich den Biss, in Kürze tatsächlich wählen zu können? Nach echtem Interesse wählen zu können. Und nicht “halt was nehmen zu müssen.” Was nützt die noch nicht so wirklich ans Tageslicht getretene Sprachbegabung, wenn man sich nicht um die Sprachen bemüht. Leider ist das “sich um Sprachen bemühen” z.B. mit kontinuierlichem Vokabellernen verbunden. Erst wenn der Wortschatz sitzt, macht Sprache Spaß. Deshalb heißt es bei uns in der Nachmittagsschule auch immer, wenn die Hausaufgaben gemacht sind: „Schnapp dir einen Freund und hört euch Vokabeln ab.“ Vokabellernen muss zum tagtäglichen Alltag gehören. So wie Frühstücken. Dann freut sich das Sprachgehirn. Dann hat es in der 8. Klasse sogar die Wahl, sich in die Chinesisch AG zu begeben, um eine Sprache zu lernen, die zwar zu den schwersten, aber auch zu den zukunftsträchtigsten Sprachen überhaupt gehört. Zwei Austauschprogramme stehen dahinter, Wuhan und Shanghai, und man kann am Faust inzwischen Chinesisch sogar als 4. Fremdsprache wählen und Abitur darin machen. Bis dahin müssen die sprachlichen Gehirnmuskeln aber soviel Fitnesstraining absolviert haben, dass sie einfach mit Lust und Laune ins Fitnessstudio gehen.
Für viele, die konzentriertes Aufpassen in der Schule für eine Nebensächlichkeit halten, die in der 5. Klasse beim Nachdenken über ihre sprachliche Zukunft noch glauben, später Wahlfreiheit zu besitzen, kommt leider in der 7. Klasse die Ernüchterung. Man traut sich eine 3. Sprache nicht zu, obwohl man schon ganz gerne weltgewandt würde. Das Sportprofil scheint die Rettung, aber da aus Raumgründen nur eine Klasse eingerichtet werden darf, funktioniert das auch nicht sicher. Bleibt für manche nur der naturwissenschaftliche Weg, der für jemanden, der begeistert Naturwissenschaften machen will, ein ganz wunderbarer ist. NWT ist für Interessierte ein ganz neues Fach mit äußerst vielen Möglichkeiten, selbst aktiv zu werden, um selbstständig zu forschen und zu arbeiten. Aber für einen, der nur in die Naturwissenschaften geht, weil die beiden anderen Wege für ihn nicht wählbar sind, ein echter Murks. Etwas mit 4 bis 5 Wochenstunden tun, was man eigentlich nicht tun will, ist keine gute Grundlage für schulischen Erfolg. Deshalb unser Flügelverleihslogan: „Schon jetzt ranklotzen, damit du später eine echte Wahl hast.“
13. März 2010
Die Qual der Wahl
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