Entschuldigung, der Artikel hatte sich versteckt. Da habe ich wohl letzte Woche in Vorfreude auf das Opa-werden beim Artikel hochladen geschlafen. Jetzt bin ich übrigens einer.
Was war eigentlich Thema im Flügelverleih? Eigene Bedürfnisse formulieren und begreifen. Ja, das war das Thema der vorletzten Woche. Grundbedürfniswoche. Die zentrale Idee ist immer folgende: Persönlichkeitsentwicklung ist nicht eindimensional. Dieses tägliche In-die-Schule-gehen, Hausaufgaben machen, Lernen – damit einmal-was-aus-einem-wird ist eingebettet in eine Persönlichkeitsstruktur, die für jede und jeden ganz eigen ist. 17dimensional. Die Entwicklungsspanne, sagen Psychologen, die wir am Ende der Grundschule antreffen, beträgt 4 Jahre. In Worten: Vier Jahre. Nicht das Selbstbewusstsein zu verlieren, weil man im Moment noch nicht die Chance hat, ganz locker mitzuschwimmen, weil die eigene Entwicklungsuhr leider etwas nachgeht, das ist eine echte Aufgabe. Was bei individuellem Lernen und dem Wissen über natürliche Entwicklungsdifferenzen eigentlich prinzipiell kein Problem sein müsste. In den gängigen Schulstrukturen aber schon. Niemand denkt darüber nach, unterschiedliche Noten für 14 Fehler im Diktat zu geben – je nach Persönlichkeitsentwicklungsstand. Geht ja auch praktisch nicht. Wer will schon den Entwicklungsstand so genau ermitteln. In Klassen mit 33 Schülern. Aber man sollte es als Idee mit sich tragen, wenn man sich in der 6. Klasse etwa Sorgen macht, ob sein Sohn, der sich in Mathe ungeheuer mühen muss, um eine Drei zu erreichen, denn später trotzdem einmal Matheprofessor werden könnte. Die Antwort: “Klar doch!” Bis zum Professor ist noch ein riesig weiter Weg. Im Flügelverleih versuchen wir mit unseren verschiedensten Ansätzen, neben den erforderlichen Hausaufgaben über den Tellerrand hinauszublicken, die eigene Entwicklung als wesentlich vielfältiger zu begreifen.
Klasse 5 und 6 sind hier entwicklungspsychologisch für die meisten noch der Grundschule zuzuordnen. Die immer wieder erzählte Aussage, das Gymnasium würde die Freude am Lernen abgewöhnen, lenkt den Blick in die falsche Richtung. Es geht darum, den Kindern früh Laufen beizubringen, sich selbst einschätzen zu lernen. Damit sie als junge Erwachsene, und das sind sie eben schon sehr bald, sicher auf beiden Beinen stehen können. Damit sie mit 14, 15 Jahren, einer Zeit, in der sie biologisch gesehen erwachsen sind, sich trotzdem noch positiv dem Lernprozess unterziehen können. Prof. Ralph Dawirs, Forschungsleiter der Kinder- und Jugendabteilung für psychische Gesundheit am Uniklinikum Erlangen, schreibt in einem Interview: “Eltern sind noch nicht so lange in der Lage, die Pubertät der eigenen Kinder bewusst zu erleben. Während der längsten Zeit der Menschheitsgeschichte war es so, dass diese Phase, in der Kinder Geschlechtsreife erlangen, auch die Zeit des Generationswechsels war. Die Lebenserwartung war beispielsweise bis zum 17./18. Jahrhundert und noch im 19. Jahrhundert viel niedriger als im 20. oder gar im 21. Jahrhundert. In dem Alter, wo die eigenen Kinder in die Pubertät kamen, traten damals die Alten ab, waren gebrechlich, krank und starben häufig bereits mit 30 Jahren…….. Seit 10 Generationen hat sich die Lebenserwartung fast verdreifacht. Die älteren Erwachsenen sind noch lange aktiv. Die Jungen können deshalb ihre Potenziale nicht richtig ausagieren. Das ist dramatisch. Das heißt, die Pubertät entwickelt sich vor dem Hintergrund vitaler Eltern, die dem Nachwuchs nicht Platz machen wollen und können…..“ Interessante Sichtweise. Man sollte sich dies immer mal wieder vergegenwärtigen, wenn man junge Menschen beurteilt. Ernst nehmen, unterstützen, wertschätzen, respektieren. Das sollten ältere Erwachsene mit jungen Erwachsenen tun, deren wichtiges Aufgabenfeld Schule biologisch gesehen gar nicht so stimmig hinein passt. Wenn man dies weiß, kann man leichter unterstützen. Denn bis die Evolution biologisch nachgerüstet hat, sollte man die Zivilisation trotzdem am Laufen halten.
Wenn Ihnen in der unterrichtsfreien Woche der Diskussionsstoff ausgeht, das nachfolgende Bild wäre vielleicht was dafür.
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