Kapitel 4
Ja ich weiß, ich habe irgendwo geschrieben, dass ich wöchentlich für euren Faust-Spezial-Erziehungsratgeber, sorry, für den Elternberuhiger-für-Ex-Faustler-und-innen schreiben will. Ich wollte schon, aber ich habe diesen doofen Zeitfaktor falsch eingeschätzt. Aber jetzt gebe ich mal Gas. Ich beginne mit einem “Buch”, das ich vor genau 22 Jahren angefangen hatte zu schreiben, weil meine Töchter sich aufmachten, in die Pubertät zu kommen. Die man damals noch überwiegend auf hormonelle Umstellungen im Körper zurückführte. Ich hatte ja schon 13 Jahre Rein-Raus-Erfahrungen hinter mir. Vor 30 Jahren gefühlt im Durchschnitt in der 7. Klasse rein nach der 10. Klasse raus aus diesem Ding. Raupe Nimmersatt bis zwölf, Kokon bis 16, Schmetterling zwei Jahre vor dem Abitur. Die Zeit, in der du an den Kokon klopfst und dich fragst, ob da jemand zu Hause ist, ist schon etwas sehr Spannendes, wenn du nicht gerade Vater von dem Wesen im Kokon bist. Oder Mutter. Oder Lehrer, der dieses Erwachsenwerden aus seinem Unterricht heraushalten will, weil es ja bitteschön nichts mit Mathematik zu tun hat. Oder mit Physik oder Englisch. Da gingen sie also rein, in diesen Kokon. Vor 22 Jahren. Zuerst meine Älteste, heute Verlegerin. Damals meinte meine Jüngste beim Anblick einiger Ausfälle heraus aus dem Kokon der Älteren: “Papa, ist das jetzt die Pubertät?” Ja im Hause Bayer war Pubertät schon angekündigt. War etwas, was in Gesprächen über das Leben oft auftauchte, weil der Vater ja tagtäglich in diesem spannenden Feld gearbeitet hat und viele wilde Geschichten aus der Welt der Kokon-Schule erzählen konnte. Ich nickte damals und meinte: “Ja, ich denke schon.” Ich wusste ja wirklich selbst nicht, was sich da im Gehirn meiner ältesten Tochter abzuspielen begann. “Da geh ich nie rein!” meinte damals meine Jüngste. Heute Modedesignerin. “Und wenn ich rein muss, dann geh ich ganz schnell wieder raus!” Ja wenn das so leicht wäre. Auch sie ging rein und kam eher spät wieder raus. Vielleicht brauchen Kreative im Kokon noch mehr Zeit. Auf alle Fälle kam ich mit all meinem Wissen und meinen Weisheiten über diese wundervolle Phase des Lebens mit den “furchtbaren” Auswirkungen auf die Schule nicht mehr an meine Töchter heran. Ist ja auch so eingerichtet. Mein “wunderbares” Wissen wollte aber damals irgendwie trotzdem raus. Ich habe es in einem “mitwachsenden Buch” aufgeschrieben – damals natürlich von Hand, Computer waren noch keine Option. Und ich hatte natürlich meinen Töchtern gesagt, wo im Regal ich das Buch hinstelle. Klar haben sie damals heimlich gelesen, was der Alte da so reinschrieb.
Deshalb mein Tipp an dieser Stelle: Wenn die Kids im Kokon verschwinden, schreib dir deine erzieherischen Weisheiten doch familienöffentlich von der Seele und wenn es ganz böse kommt, schreibe einfach an deine Enkelkinder und beschwere dich über ihre Mama oder ihren Papa. Auch das hat mir damals oft gut getan, wenn ich, wie jeder Vater pubertierender Töchter, manchmal in den Tisch beißen könnte.
Ja damals habe ich dann auch angefangen, meine ersten Beratungsbilder zu entwickeln. Manche verwende ich tatsächlich heute noch. Was für mich natürlich genial war, ich hatte immer Pubertätsberaterinnen in Reichweite. Schülerinnen, die gerade aus dem Kokon herausgeschlüpft waren und die mich immer beruhigen konnten. Ich habe mich natürlich immer an die heftig Wilden im Kokon gehalten, bei denen viele in der heißen Phase nur noch an Untergang dachten.
Seine eigene Pubertät kann man ja verrückterweise nicht wirklich gut herbeizitieren, weil man Dinge wie “Ernsthaftigkeit der Schule gegenüber” nicht abgespeichert hat. Verdrängt, verklärt, verschwommen. Beziehungsgeschichten kennt man dafür umso besser. Die meisten Menschen können in sich selbst sehr ernsthaft in die Kokonzeit zurückfühlen, was Beziehungsgeflechte, Auseinandersetzungen mit Freunden und Eltern und was Zukunftsträume angeht. Schule ist da eher ein blinder Fleck. Logisch. Heute weiß man dank der Gehirnforschung, warum.
Mein Tipp also am Ende dieses Kapitels: Holt euch eine Pubertätsberaterin oder einen -berater mit ins notwendige Beruhigungsboot. Jemand, der gerade als Schmetterling aus dem Kokon herausgeschlüpft ist, falls ihr da jemand kennt. Ganz junge Erwachsene können euch am allerbesten aus dem Inneren des Kokons erzählen. Sie spüren noch diese Zeit. Das entspannt enorm, wenn man sich dann den Schmetterlingszustand seiner Beraterin oder seines Beraters ansieht. :-
8. November 2014
Der Autopädakt
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